Rente mit 63 - Nach 45 Jahren ohne Abzüge in den Ruhestand: So geht's
Die gute Nachricht: Wer 45 Jahre einzahlt, kann ohne Abschlag in Rente. Die schlechte: Droht nun eine Zunahme von Frührente und Vorruhestand?
Berlin - Deutschland bekommt voraussichtlich zum 1. Juli 2014 eine neue Renten-Regel: Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat das "Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rente" auf den Weg gebracht.
Ein Kernstück: Für viele wird eine Rente hatte sich bereits für den Renten-Kompromiss ausgesprochen.
Die große Koalition hatte sich zuletzt auch über die Anrechung von Zeiten der Arbeitslosigkeit verständigt: Es kommt der sogenannte rollierende Stichtag - was das für Rentner, Arbeitslose, Arbeitssuchende und von einer Insolvenz Betroffene heißt, erfahren Sie hier.
Das sind die Eckpunkte der neuen "Rente mit 63":
Wann kommt die neue Rente?
Die Einführung ist zum 1. Juli 2014 geplant. Jeder, der zu diesem Zeitpunkt die Kriterien erfüllt, kann sie beantragen.
Für wen gilt die neue Rente?
Sie gilt für "besonders langjährig Versicherte". Das sind jene, die 45 Jahre eingezahlt haben. Zu diesen Zeiten zählen auch Kindererziehungszeiten und – das ist neu – auch Zeiten der Arbeitslosigkeit. Zeiten mit ArbeitslosengeldI werden angerechnet. Arbeitslosengeld II, also Hartz IV, und die frühere Arbeitslosenhilfe nicht. Nach dem Nahles-Entwurf, der der AZ vorliegt, gibt es keine zeitliche Beschränkung für die Anrechnung des Arbeitslosengelds (lesen Sie hier, wie viele Rentner künftig mit 63 in Rente gehen können).
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte eine zeitliche Beschränkung angekündigt – hier könnte es also noch zu Änderungen im Entwurf oder Verzögerungen kommen. Ende Januar verabschiedete das Kabinett das Renten-Paket. Über die Frage, ob es zu einer Fristen-Regelung für die Anrechnung von Arbeitslosigkeit kommt, gibt es seit Anfang Februar 2014 Streit in der Koalition.
Was ist das Besondere an der "Rente mit 63"?
Eigentlich hatte die Große Koalition vor sieben Jahren die Einführung der „Rente mit 67“ beschlossen – mit zwei Ausnahmen: Wer 45 Beitragsjahre hatte, durfte mit 65 ohne Abschläge in Rente. Künftig geht das für diese Gruppe schon mit 63. Das Einstiegsalter wird allerdings schrittweise wieder auf 65 angehoben. Wie das in einer Übersicht als Tabelle ausschaut, sehen Sie hier:
Die "Rente mit 63" nach Jahrgängen:
Wer 45 Beitragsjahre auf seinem Rentenkonto hat, soll früher als andere in den Ruhestand gehen sollen. Ab 1. Juli 2014 sollen diese "besonders langjährig Versicherten", die vor dem 1. Januar 1953 geboren sind, mit 63 in Rente – laut Gesetzesentwurf gilt folgende Staffelung:
vor 1953: 63 Jahre
1953: 63 + 2 Monate
1954: 63 + 4 Monate
1955: 63 + 6 Monate
1956: 63 + 8 Monate
1957: 63 + 10 Monate
1958: 64 Jahre
1959: 64 + 2 Monate
1960: 64 + 4 Monate
1961: 64 + 6 Monate
1962: 64 + 8 Monate
1963: 64 + 10 Monate
ab 1964: 65 Jahre
Wer trotzdem mit 63 in Rente will, muss mit Abschlägen bis zu 14,4 Prozent rechnen. Diese Regel (0,3 Prozentpunkte Abschlag pro Monat vorgezogener Rentenbeginn) gilt weiterhin für alle, die nicht auf 45 Jahre kommen. Lediglich den erwähnten "besonders langjährig Versicherten" wird nichts abgezogen.
Wer kann nun zum 1. Juli 2014 abschlagsfrei in Rente?
Viele – nämlich die, die vor dem 1.Juli 2014 63 Jahre werden oder dann unter 65 Jahre alt sind – und 45 Jahre eingezahlt haben. Kalkuliert wird mit etwa 200.000 Berechtigten je neuen Rentenjahrgang - davon drei Viertel Männer.
Für den ganzen Jahrgang 1950 und entsprechende Teile der Jahrgänge 1949 und 1951 gilt also: Sind 45 Beitragsjahre zusammen, dürfen sie ohne Abschläge in Rente. Betroffene sollten sich das nach der Verabschiedung des Gesetzes von der Rentenversicherung individuell berechnen lassen ( Telefon: 0800/1000 4800).
Wer kann von den folgenden Jahrgängen wann in Rente?
Auch der Jahrgang 1952 kann 2015 mit 45 Beitragsjahren mit 63 in Rente. Danach erhöht sich das Zugangsalter für jeden Jahrgang um zwei Monate (s. Tabelle oben). 1964 ist wieder das ursprünglich festgelegte Alter für besonders langjährig Versicherte – nämlich 65 – erreicht. Dieser Jahrgang ist übrigens auch der erste, der bis 67 arbeiten muss – wenn er weniger Beitragsjahre hat.
Welche Wege in den früheren Ruhestand gibt es noch?
Die Regelung, dass Arbeitslosigkeit jetzt doch wieder auf die Rente angerechnet wird, bietet ein Schlupfloch – für Arbeitgeber wie für Arbeitnehmer: die Kündigung. Ältere Arbeitnehmer erhalten nämlich seit 2008 zwei statt ein Jahr Arbeitslosengeld I.
Arbeitet ein heute 60-Jähriger (Juni 1953 geboren), durch, bis er 45 Beitragsjahre zusammen hat, erhält er als Durchschnittsverdiener mit 63 Jahren und zwei Monaten 1270 Euro Rente im Monat. Wird ihm zwei Jahre vor Rentenbeginn gekündigt, verringert sich dieser Betrag lediglich um 11 Euro monatlich. Das Arbeitslosengeld, das er von September 2014 bis 2016 bezieht, ist mit 1070 Euro monatlich geringfügig niedriger als die spätere Rente.
Die Zahl derjenigen, die aus der Arbeitslosigkeit in Rente gehen, könnte sich also erhöhen. Schon heute ist das bei fast jedem zehnten Rentner der Fall. Weiterhin möglich für einen 60-Jährigen Durchschnittsverdiener bleibt die Rente mit 63 mit Abschlägen.
Per Geburtsdatum (im Juni 1953 geboren) müsste dieser eigentlich arbeiten, bis er 65 Jahre und 7 Monate alt ist. Dann dürfte er nach 40 Jahren Arbeit im Februar 2019 mit 1126 Euro monatlich in Rente. Will er mit 63 in Rente, bekommt er nur 955 Euro im Monat.
Um zu verhindern, dass die Kombination aus Rente mit 63 und längerem Arbeitslosengeld zu einer Kündigungswelle führt, haben sich Union und SPD auf einen rollierenden Stichtag geeinigt. Das heißt: Bei einer Kündigung gelten künftig die letzten beiden Jahre vor der Rente nicht mehr als Beitragszeit. Es wird zwar Arbeitslosengeld gezahlt, seine 45 Beitragsjahre kann der Gekündigte so aber gegebenenfalls nicht vollmachen. Ausnahmen gibt es, wenn ein Betrieb Insolvenz anmelden musste.