"Rosenkavalier" im Nationaltheater: Augenzwinkernde Verkitschung
München - Als vor weit über 13 Monaten die silberne Kutsche über den heimischen Bildschirm fuhr, war die stumme Atmosphäre des Live-Streams besonders bedrückend. Wie hätten die Leute im Saal wohl reagiert, wenn nicht Corona geherrscht hätte: belustigt oder irritiert angesichts dieser augenzwinkernden Verkitschung?
Publikum liefert beeindruckenden Szenenapplaus
Bei der nachgeholten Premiere der Neuinszenierung des "Rosenkavaliers" von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal gibt es in der Staatsoper beeindruckten Szenenapplaus. Vielleicht missversteht man die Intentionen des Regisseurs. Doch auch unter ironischen Vorzeichen ist das glitzernde Gefährt mit den echt falschen Pferden schön anzusehen.
Noch in einer anderen Hinsicht wird diese Produktion durch die erste Vorstellung im Saal förmlich erlöst. Keine noch so gute Übertragungstechnik kann dem rhythmisch straffen und körperlich präsenten Klang des Bayerischen Staatsorchesters gerecht werden. Generalmusikdirektor Vladimir Jurowski greift mit seiner superklaren Zeichengebung direkt auf die einzelnen Gruppen zu und erreicht eine tief in den Raum wirkende dreidimensionale Staffelung der Instrumente.
Ein sinnlicher Sopran, der manipuliert
So plastisch geht es auf der Bühne nicht immer zu. Der eine oder andere Gag verpufft, weil er zu nonchalant abgeliefert wird. So hatte Marlis Petersen in der Liebesszene des Beginns im gewagten Negligé eine erotisch aktive Feldmarschallin gegeben.
Als sie später ihrem Friseur Hippolyte leise vorwirft, er habe ein altes Weib aus ihr gemacht, nimmt die Regie das wörtlich und verkleidet Marie Theres als züchtig eingehülltes Hutzelfräulein. Doch schnell erstrahlt Marlis Petersen wieder in weißer Robe und manipuliert Octavian nach Belieben mit ihrem leichten, beweglichen, doch sinnlich weichen Sopran.
Ihren jugendlichen Geliebten hatte Samantha Hankey bereits in der Online-Premiere gesungen. Da beide Damen, je auf ihre Weise, ihre berückenden Gesangsstimmen perfekt mit der Deutlichkeit der Sprache abmischen, ist gleich ihr morgendliches Idyll eines der Glanzstücke dieser Produktion.
Redpath und Hankey - Eine Ergänzung auf allen Ebenen
Neu in der Rolle der Sophie ist die Amerikanerin Liv Redpath. Ihr ruhiger, weit dimensionierter Sopran setzt zu Hankeys gut gestütztem Mezzosopran keinen Kontrast, sondern scheint ihn in die Höhe fortzusetzen. Man hört sofort: Als Liebespaar sind sie füreinander bestimmt.
Da haben weder der wohlmeinende Vater noch der frauenverachtende Verlobte eine Chance. Johannes Martin Kränzle nicht, weil sein Faninal so nobel durchgestaltet ist, Christof Fischesser nicht, weil er als Baron Ochs so zappelig agiert und parliert. Statt in dieser unverhohlen gewalttätigen Rolle übergriffig zu werden, ist er trotz eigentlich sehr stabiler Tiefe nie richtig zu greifen.
Staatsoper, wieder morgen (Mittwoch, 18 Uhr) und am Sonntag (17 Uhr), tickets.staatstheater.bayern/