Kritik

Neue Show "Sailors" im GOP: Lustig vor Anker gehen

Beschwingte Stimmung: Die neue Show im GOP Varieté-Theater: "Sailors - Eine berauschende Nacht an Land".
Vesna Mlakar |
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Caroline Baillon, eine Vertreterin der französisch-kanadischen Zirkuskunst, ist "Flyerin" - und sie wird gleich abheben.
Caroline Baillon, eine Vertreterin der französisch-kanadischen Zirkuskunst, ist "Flyerin" - und sie wird gleich abheben. © Heike Krämer

München - Derb und charmant zugleich ist die neue Varieté-Show im GOP. Sie spielt in einer Hafenkaschemme, die überall auf der Welt sein könnte - oder im bilderbuchhaften Nirgendwo.

Zwischen stürmischer See und feuchtfröhlichem Trubel

Francis Gadbois als Wirt trägt für eine Matrosen-Stammkneipe jedenfalls etwas zu feinen Zwirn. Am Tresen verliert er sich gern in Büchern und kokettiert bei seiner beeindruckenden Jonglage großer Streichholzboxen mit dem Stilmittel der Poesie. Da wird aus dem Bucheinband, aus dem die Seiten zu Boden flattern, schnell ein Schmetterling.

Einem leichten Mädchen auf die Lippen geküsst

Die Stimmungen wechseln in "Sailors" ebenso rasch. Mal sind sie rau wie die stürmische See, mal herrscht dazwischen gefühlsmäßig Flaute. Und hin und wieder geht es im feuchtfröhlichen Trubel aus Tanz und Musik einfach unterhaltsam lustig zu.

Die Idee zu "Sailors" kam dem dreifachen kanadischen Weltmeister im Kunstradfahren in einer Bar, während eines Besuchs bei seinem seit acht Jahren in München lebenden Artistenfreund Gabriel Drouin. Kennengelernt hatten sich die beiden an der Zirkusschule in Quebéc. Nur gemeinsam aufzutreten, das gelang ihnen nie.

In "Eine berauschende Nacht an Land" (so der Untertitel) führten Gadbois und Drouin nun selbst Regie. Gute Figur als Künstler unter ihren Künstlerkollegen aus Kanada und Australien machen sie in ihrer kurzweiligen zweistündigen Produktion sowieso.

Zum Schluss sorgt Gabriel Drouin (als Fisch, der Fischer) nach viel humorvollem Tempo mit seiner Performance im Cyr-Rad spektakulär für einen passend wehmütig-melancholischen Ausklang. Betrunken hat er eines der drei leichten Mädchen auf die Lippen geküsst.

Dirk Langer alias Nagelritz bindet das Publikum ein

Magda (Alexanne Plouffe) aber, die ungewöhnliche, starke Tänzerin an der Stange, wird bloß "Witwe" genannt. Laut Seemannsgarn, mit dem Dirk Langer alias Nagelritz das Publikum von der ersten Minute an in bester kabarettistischer Manier als Conférencier um den Finger wickelt, folgt diesem Kuss der Tod auf hoher See.

Nagelritz in das Programm einzubinden, war ein Wunsch der GOP-Betreiber. Seit 1996 feiert Langer als singender und musizierender Seemann Erfolge. "Sailors" macht ihn zu jenem Teil der insgesamt zehnköpfigen Truppe, der um alles Bescheid weiß und stets engen Kontakt zu den Zuschauern sucht.

Niemals ist er um einen saloppen Spruch, ein selbstgemaltes Bild oder ein verteiltes Päckchen Ahoi-Brause verlegen. Den Rettungsring in der Hand verblüfft er mit Schifffahrtslatein und erklärt, was DSL, HTML und ISDN wirklich bedeutet. Für die romantisch-frivolen Momente, wenn andere sich akrobatisch auf Tischen verbiegen, hat er das Schifferklavier.

Seebären und Leichtmatrosen auf Landgang bringen Leben in die Bude. Flaschen wie Frauen werden zu Geschossen. Lady Dolores (Caroline Baillon) versteht sich darauf, virtuos über Männerköpfe hinweg zu turnen. Ein Kraftprotz von Kapitän (Cedric Pinault) lässt riesige Fässer tänzeln und schleudert - gefährlich, gefährlich - einen schweren Anker umher. All das passiert vermeintlich total spontan, genau wie die unvermeidbare, grandios inszenierte Prügelei.

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Kraft und Impulsivität, weniger körperliche Eleganz gibt der Plot hier vor. Einen sturzriskanten, waghalsigen Drahtseilakt zu Schostakowitschs berühmten Walzerklängen legt Joel Malkoff hin. 2020 erst hat der junge Amerikaner in Montréal seine Artistenausbildung abgeschlossen.

Doch da ist noch die tolle Teamplayerin Loulou (Louana Seclet). Sie schleppt einen liebestollen Matrosen (James Holt) für eine formvollendete Fußjonglage in ihre Kammer ab. Und der drahtige Tausendsassa Coen Clark aus Australien darf inmitten einer fabelhaft interagierenden Gruppe als schüchtern-verklemmt schräger Vogel ein Feuerwerk an komödiantischem Talent ausspielen. Um allein vom Zusehen beschwipst zu werden - dazu ist "Sailors" ideal gemacht!


GOP Varieté-Theater, Vorstellungen (täglich außer Montag und Dienstag) bis 3. Juli; Karten über Telefon 089/ 21 02 88 444 oder www.variete.de

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