"Stille Nacht im Amtsgericht" von Heinersdorff in der Komödie im Bayerischen Hof

Habermas geht ins Prekariat: Der Impresario und Autor über sein Weihnachtsstück für die Komödie im Bayerischen Hof.
Mathias Hejny |
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Geboren 1963 in Düsseldorf. Er absolvierte bei Harald Leipnitz eine Ausbildung zum Schauspieler und Regisseur. 1994 gründete Heinersdorff in seiner Heimatstadt das Boulevardtheater Theater an der Kö, später kamen Theater in Köln und Essen dazu. 2021 stieg er bei der Kömödie im Bayerischen Hof ein.
Geboren 1963 in Düsseldorf. Er absolvierte bei Harald Leipnitz eine Ausbildung zum Schauspieler und Regisseur. 1994 gründete Heinersdorff in seiner Heimatstadt das Boulevardtheater Theater an der Kö, später kamen Theater in Köln und Essen dazu. 2021 stieg er bei der Kömödie im Bayerischen Hof ein. © picture alliance/dpa

Der 61-Jährige ist ein Hansdampf in allen Bühnengassen. Seit der so unrühmlich beendeten Ära von Thomas Pekny erweiterte René Heinersdorff sein rheinisches Theater-Imperium stark nach Süden mit der Komödie im Bayerischen Hof.

Morgen Abend ist dort Premiere von Heinersdorffs Theaterstück "Stille Nacht im Amtsgericht", das der Prinzipal allerdings nicht selbst inszeniert. Die AZ erwischte den Theatermacher telefonisch am Köln-Düsseldorfer Flughafen auf dem Weg nach Wien, wo er seinen Sohn treffen wollte.

Außerdem wollte er dort mit dem Komponisten Harold Faltermeyer über ein Wien-Gastspiel seines Musicals "Brauchen Sie ne Quittung" sprechen, das kürzlich in der Komödie mit Anja Kruse und Ingolf Lück lief.

AZ: Herr Heinersdorff, in Ihrem Theaterportefeuille gab es bislang Häuser im großen Städten zwischen einer halben Million und eineinhalb Millionen Einwohner. Ihr jüngster Standort ist eine rheinland-pfälzische Landesbühne in einem Städtchen mit etwas mehr als 66.000 Einwohnern. Wie fühlt sich Theater in der Provinz an?
René Heinersdorff: Da war auch ein bisschen Eitelkeit dabei. Neuwied ist keine Direktorenstelle, sondern eine Intendanz. Das heißt, ich habe die künstlerische, aber keine finanzielle Verantwortung. Ich wollte auch einmal Intendant sein, und es ist mein einziges Haus, das vom Land und von der Stadt unterstützt wird.

Thomas Stegherr (unscharf im Hintergrund) und Hans Stadlbauer im Amtsgericht.
Thomas Stegherr (unscharf im Hintergrund) und Hans Stadlbauer im Amtsgericht. © A. Predieri

Da wird auch offensichtlich, dass die Vorgänge in unseren Privattheatern sehr viel effektiver sind. Das Schlosstheater ist ein süßes Theater und wir bespielen auch das Umland. Und seit ich das dort mache, reicht für mich Rheinland-Pfalz von Flensburg bis Garmisch.

Wie kommt ein lupenreiner Rheinländer dazu, ein volkstümliches Stück über Bayern zur Zeit des Prinzregenten zu schreiben, die hierzulande als "die gute alte Zeit" erinnert wird?
Um alle in Bayern zu beruhigen: Als junger Schauspieler habe ich eine ganze Serie mit Walter Sedlmayr gedreht, "Eichbergers besondere Fälle" hieß die. Dann habe ich die letzten fünf BR-Produktionen mit Erni Singerl gemacht und ich habe sowohl als Autor als auch als Schauspieler für das Chiemgauer Volkstheater gearbeitet.

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Das will ich mir als eine Art Trainingslager für das Bayerische anrechnen, wenn es auch nicht total erlernbar ist. Aber es gibt ‒ und das ist das Entscheidende ‒ in der "Wir-lassen-mal-alle-Fünfe-grade-sein"-Mentalität eine große Kongruenz zwischen dem Rheinland und Bayern.

Wo sehen Sie die Gemeinsamkeiten?
Da gibt es viele Ähnlichkeiten wie die Liebe zum Bier, auch wenn die Biere bei uns kleiner sind. Aber es ist die gleiche Tradition. Vor allem aber ist es die Tradition, nicht alles so heiß zu essen wie es gekocht wurde, sich nicht immer gleich so aufzuregen und lieber mal einen Tag zu warten. Das können die Schwaben nicht und die Preußen sowieso nicht. Wenn der Bayer sagt "Schaun mer mal", sagt der Rheinländer "Komme losse".

Zwischen 1969 und 1972 lief im ZDF-Vorabendprogramm die Serie "Königlich-bayerisches Amtsgericht". Gehört das zu ihrer frühen Fernsehsozialisation
Genau daran ist das Stück angelehnt. Das ist ein Kindheitserlebnis, und ich habe das unglaublich gerne gesehen.

Das Ensemble von "Stille Nacht im Amtsgericht"
Das Ensemble von "Stille Nacht im Amtsgericht" © A. Predieri

Es fällt auf, dass die Würdenträger des Orts ganz traditionelle bayerische Namen tragen, aber die beiden Vertreter der eher prekären Volksschichten Habermas heißen. Wie kommt ein Philosoph der Frankfurter Schule dahin?
Ich habe dabei nicht an Jürgen Habermas gedacht. Grundsätzlich alle Namen habe ich von meinen Freunden aus Bayern. Darunter gibt es auch einen Habermehl, was mir aber zu eng dran lag. Ich habe mich dann zu Habermas für die intellektuell niedrigste Stufe in diesem Stück entschieden.

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Anlass für den Rechtsstreit zur Weihnachtszeit ist die Suche nach einem Schlüssel und eine in der Öffentlichkeit gefallene Hose. Wie weit ist diese Situation aus dem Leben gegriffen?
Das ist mir selbst auf einer Autobahnraststätte passiert. Ich kam nicht an den Wagenschlüssel heran und habe die Hose ausgezogen. Genau in diesem Moment kamen fünf verschleierte Frauen um die Ecke. Die gingen natürlich entsetzt weg. Ich habe mir dann gedacht, dass aus einer solchen Lappalie, die es eigentlich ist, etwas entstehen könnte, bei dem sich ein ganzes Dorf entlarvt.

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Seit Generationen lief zum Jahreswechsel die "Feuerzangenbowle" in der Komödie. Soll das "Amtsgericht" das Nachfolgewerk werden?
Wenn das wirklich zündet, werden wir daraus einen Dauerbrenner machen. Wir schreiben dann vielleicht einige Szenen immer wieder einmal neu. Und warum soll es im Gerichtssaal nicht eine Feuerzangenbowle geben?

Komödie im Bayerischen Hof, Promenadeplatz 6, Premiere morgen, 19.30 Uhr, bis 12. Januar, 19.30 Uhr, sonntags 18 Uhr, an Silvester 15 Uhr. Karten online sowie unter Tel: 291616 33

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