Gärtnerplatztheater: So war die Eröffnungs-Gala
München - Die Lichtinstallation auf der Fassade weinte. Trauriger Herbstregen im Nachsommer? Nein – es können nur Tränen der Freude gewesen sein. Nach fünf Jahren glorioser Wanderschaft und 120 Sanierungs-Millionen spielt das Gärtnerplatztheater wieder in seinem Stammhaus im Herzen der Stadt.
Vom Umbau merkt der Zuschauer nicht viel: Das Geld steckt im verborgenen rückwärtigen Neubau. Nach Lieferung der am Eröffnungsabend noch fehlenden Kaffeemaschine wird die schummrige Kellerbar gewiss ein Geheimtipp werden. Die Foyers sind eng wie eh und je, aber ein bisschen aufgeräumter. Und jeder, der größer ist als 160 Zentimeter, wird vom Stuhl gequetscht.
Das muss die Kunst vergessen machen. Am Eröffnungsabend gelang es mühelos: In der Gala wirkte das Theater lebendiger, frischer und jugendlicher als je zuvor.
Kunstminister Ludwig Spaenle zitierte in seiner angenehm knappen Begrüßung aus enthusiastischen Presseberichten der Ur-Eröffnung anno 1865. Er sprach von "einem wahren Volkstheater". Dann öffnete sich der Vorhang. Die Zuschauer durften sich als Hauptdarsteller selbst in einem Spiegel bewundern. Intendant Josef E. Köpplinger kam ganz aus der Tiefe des Raums. Auf der Hinterbühne standen eine geschwungene Treppe und die Kulisse des Maxim’s: als Vor-Schein für die Premiere der "Lustigen Witwe", mit der am Donnerstag der reguläre Spielbetrieb beginnt.
Bilder: So schön ist das neue Gärtnerplatztheater
Köpplinger pries das Theater als gelebte, alle Menschen verbindende Utopie von Liebe und Schönheit. Das Ensemble gab mit der "Ansprache an das Publikum aus dem Sondheim-Musical "The Frogs" eine humoristische Gebrauchsanweisung an die Besucher – einschließlich Smartphone- und Fotografierverbot. Zu John Williams’ "Star Wars"-Suite wurde ein Film über die Umbauarbeiten gezeigt. Dann stellten sich alte und junge Ensemblemitglieder vor: brillierend (fast alle), bewegend (Gisela Ehrensperger und Franz Wyzner in "Anatevka") und belustigend (wie Mathias Hausmann und Levente Páll in "Don Pasquale).
Sigrid Hauser führte mit Zitaten von William Shakespeare, Heinz Erhardt und Karl Kraus durch den Abend. Später fuhr das Bühnenpodium nach oben und gab eine Jazz-Band frei, die Christoph Filler und Maximilian Mayer beim "Kanonensong" aus der "Dreigroschenoper" begleitete.
Später erschienen am gleichen Ort die Schlagzeuger für den Schluss aus "Carmina burana". Ein effektvoller Auftritt für den Chor, gewiss. Zuvor wurde Schillers hoher Idealismus zitiert und auf Exil, Vertreibung und Antisemitismus angespielt. Da steht dann das 1937 uraufgeführte Werk des Opportunisten Carl Orff ein wenig quer.
Mehr Nähe
Nach der Pause testete der neue Chefdirigent Anthony Bramall mit der Ouvertüre zu Verdis Oper "La forza del destino" die Akustik bis zur Übersteuerung in den Bässen aus. Den Graben schließt neuerdings eine waffelartige Struktur nach hinten ab. Vom Balkon aus gehört, wirkt das Orchester nun präsenter und brillanter. Wenn die Sänger direkt an der Rampe stehen, entsteht im Gärtnerplatztheater eine Nähe, wie sie im fast dreimal größeren Nationaltheater nie entsteht. Das ist Chance und Risiko zugleich: Jeder gesungene Ton liegt wie unter einem Brennglas.
Das neue Ensemble kommt damit problemlos klar. Camille Schnoor und Daniel Prohaska gaben einen Vorgeschmack auf die "Lustige Witwe". Jennifer O’Lauglin bewies mit einer Arie aus Donizettis "Linda di Chamounix", dass das Haus bei romantischem Belcanto keine Konkurrenz scheuen muss.
Der Schwerpunkt der Gala lag bei Oper, Operette und Musical. Das Ballett wurde mit einem Kurz-Auftritt ein wenig stiefmütterlich behandelt. Der Abend endete in der großen Menschheitsumarmung im Champagner: mit "Brüderlein und Schwesterlein" aus der "Fledermaus". Und Irving Berlins "There’s No Business Like Show Business" als Rausschmeißer.
Rückkehr zu altem Glanz
Am Ende natürlich großer Jubel aus dem mit Ehrengästen, vielen Theaterleuten und Normalbesuchern bunt gemischten Publikum. Mit Hellmuth Matiasek und Ulrich Peters waren zwei Ex-Intendanten anwesend. Der Oberbürgermeister und die übrige Stadtspitze samt Kulturreferent hatte man dem Vernehmen nach eingeladen. Sie ließen sich aber nachrangig vertreten. Hoffentlich kein Indiz dafür, dass die von allen Vernünftigen für beendet erklärte Kultur-Rivalität zwischen Stadt und Staat wieder aufflammt.
Das Gärtnerplatztheater hat in den letzten Jahrzehnten viel Nachblüte, Stagnation und Publikumsschwund hinter sich. Die Umbauzeit wirkte offenbar stärkend: Orchester und Chor sind in Bestform. Im Ensemble gibt es wieder richtige Publikumslieblinge. Die Voraussetzungen für eine Kehrtwende zum alten Glanz sind gegeben. Mit etwas Glück ist es zu schaffen.