Gipfelstürmer Achim Bogdahn: "An meine Grenze gekommen"
Für seine 114 Meter "Höhe" hat der Große Müggelberg aus bayerischer Sicht einen reichlich pompösen Namen. Aber er ist die höchte Erhebung im Berliner Stadtgebiet und somit Teil von Achim Bogdahns Projekt, die höchsten Gipfel aller 16 Bundesländer zu besteigen. Und weil nicht der sportliche Aspekt im Vordergrund steht, hat er sich 16 prominente Begleiter aus der jeweiligen Region gesucht, um mit Ihnen über das Leben zu plaudern. So blickt Regisseur Edgar Reitz vom Erbeskopf auf seine alte "Heimat", den Hunsrück, und Schauspieler Devid Striesow begleitet Bogdahn in Mecklenburg-Vorpommern auf den Gipfel des knapp 180 Meter hohen Helpter Berg.
AZ: Herr Bogdahn, Sie haben als Radio-Mann Ihr erstes Buch geschrieben. Wie war's?
ACHIM BOGDAHN: Es ging erstaunlich gut, hat auch Spaß gemacht, war mal was Neues. Aber ich habe ja schon viel Neues ausprobiert.
"Es ist eine Art spielerische Deutschlandreise mit vielen Seitensträngen"
Gleich in der Einleitung beichten Sie, dass Sie alles andere als ein Bergfex sind. Es geht im Buch also nicht bloß um die Beschreibung von Touren, sondern vielmehr über Deutschland, die Menschen und das Leben, mit vielen Anekdoten und Exkursen, korrekt?
Ich muss warnen: Wer ein Wanderbuch erwartet, wird hier nicht die genauen Routen finden, im Gegenteil: Man wird eher noch verwirrter zum Berg hin kommen als man es vorher schon war. Es ist eine Art spielerische Deutschlandreise mit vielen Seitensträngen. Und es geht natürlich immer wieder um Fußball, auch um den TSV 1860 – ich kann es niemandem ersparen. Da bin ich Missionar. Es wird auch über den FC Bayern abgelästert, aber immerhin ist Mehmet Scholl mit dabei. Mit dem war ich auf dem Feldberg im Schwarzwald.
Felix Neureuther, mit dem Sie auf der Zugspitze waren, ist ja auch ein Roter. Wobei Sie in diesem finalen Kapitel ein wenig geschummelt haben: Den Aufstieg zu Deutschlands höchstem Berg haben Sie per Gondelbahn bewältigt...
Felix Neureuther hatte einfach akute Zeitnot, eineinhalb Jahre lang. Ich war froh, dass er sich dann die Zeit genommen hat. Er hätte den Aufstieg auch in viereinhalb Stunden geschafft – ich hätte viereinhalb Tage gebraucht. Deshalb die Seilbahn. Aber wer die Zugspitze kennt: Das letzte Stück bis zum Gipfel hat es in sich! Da bin ich an meine Grenze gekommen. Wer nicht schwindelfrei ist, dem kann ich das nicht empfehlen.

Gipfelschnaps: "Überall, vergraben oder versteckt"
Stimmt es, dass Sie auf jedem Gipfel einen Gipfelschnaps versteckt haben?
Überall, vergraben oder versteckt. Es lohnt sich also meine Wanderung nachzuwandern und im Zehn-Meter-Umkreis um den Gipfel nach dem lokalen Schnaps zu suchen.
Wie lange waren Sie für die 16 Touren unterwegs?
Zweieinhalb Jahre. Das lag zum einen an den Prominenten, die fast nie Zeit hatten, und auch an Corona. Man durfte ja zeitweise nicht mal aus dem eigenen Landkreis raus.

In der Zeitung liest man öfter von in Bergunfälle verwickelten Flachlandtirolern – wie dramatisch war's bei Ihnen?
BVB-Boss Aki Watzke ist beim Abstieg vom 843 Meter hohen Langenberg im Sauerland, wo er auch her kommt, über ein Lehmstück bergab gestürzt und in einer Pfütze gelandet. Es hatte den ganzen Tag geregnet. Er sah aus wie ein St. Pauli-Spieler: total braun. Danach hat er nur noch von Abstiegskampf gesprochen, den er von Borussia Dortmund ja gar nicht kennt. Sehr humorvoll.
Brocken-Benno: "Ein absolutes Phönomen"
Auslöser der Buch-Idee war jedoch der Brocken-Benno. Erzählen Sie doch mal!
Der ist mittlerweile 88 und steht kurz vor seiner 9.000. Besteigung des Brocken. Ein absolutes Phänomen. Der steckt uns alle in die Tasche. Ich hatte eine kleine Notiz über ihn gelesen und war fasziniert. Eigentlich wollte ich nur singulär mit ihm auf den Berg gehen, für einen kleinen Beitrag für Bayern 2, für die Bergsteiger-Redaktion. Ich war mal auf dem höchsten Berg von Dänemark und dachte, da kann man auch mal auf den Brocken gehen. Dort kam mir dann die Idee zu den höchsten Bergen der 16 Bundesländer.
Anfahrt nach Mecklenburg-Vorpommern: "Es war die Hölle"
Übernachtet haben Sie unterwegs nicht klassisch im Hotel, sondern nach Facebook-Aufruf am liebsten auf irgendwelchen Sofas oder im Gästebett. Was erlebt man da alles so?
In einer Studenten-WG in Saarbrücken hatte der Gastgeber ganz akute Magen-Darm-Probleme. Ich tippe mal auf das Noro-Virus, und so habe ich in dieser fremden Wohnung versucht, möglichst keinen Kontakt mit irgendwas zu bekommen, nichts anzufassen, sonst wäre meine Wanderung im Saarland – übrigens mit Manuel Andrack auf den Dollberg – geplatzt.
Die längste Anreise war die nach Mecklenburg-Vorpommern, zu Devid Striesow, mit dem Sie die 179 Meter hohen Helpter Berge erklommen.
14 Stunden hat die Fahrt mit der Bahn gedauert, über Nacht, natürlich nicht im Schlafwagen, sondern in einem neonhell ausgeleuchteten Doppelwagen der Bahn – es war die Hölle. Ein Zug voll mit Verrückten und Betrunkenen. Wie jeder habe ich natürlich über die Bahn geflucht, aber am Ende bin ich zu allen Bergen mit öffentlichen Verkehrsmitteln gekommen. Unbedingt nachmachen! Kann ich nur empfehlen.
Nun gehen Sie wieder auf Deutschlandreise, zum Vorlesen des Buches.
Ich werde in der südlichsten Buchhandlung Deutschlands lesen, in Oberstdorf, will auch in der nördlichsten lesen, auf Sylt. Die östlichste und westlichste kenne ich noch nicht. Ich bin immer auf der Suche nach Superlativen.
Bogdahn liest in München an 16 Orten
In München wollen Sie am 1. September an 16 Orten lesen – da müssen Sie früh aber anfangen!
Ich habe ja das Hörbuch eingesprochen: Netto-Lesezeit sind 13 Stunden. Ich habe also drei Stunden für fahren, essen, trinken und auf die Toilette gehen: Wird sportlich. Ich werde wohl um sechs oder sieben in der Früh an der Mariensäule anfangen. Um die Zeit schmeißt mich da noch keiner raus. Dann Trepperl-Wirt, Schau ma moi, auch vor dem Stadion werde ich lesen, im Baader Cafe, lauter Orte, die mir am Herzen liegen. Und natürlich – es ist ja ein Bergbuch – auf dem Berg der Berge: dem Giesinger Berg.
Gehen Sie mittlerweile öfter in die Berge?
Nein, habe ich vorher nicht gemacht, mache ich jetzt auch nicht. Wahrscheinlich wegen der stundenlangen Touren in den bayerischen Alpen, die ich als Kind mitmachen musste. Drei Stunden schwitzend über irgendein blödes Schotterfeld: Das hat echt genervt. Dagegen waren meine kleinen Wanderungen jetzt eher so Fingerübungen.
Achim Bogdahn stellt "Unter den Wolken - Meine Deutschlandreise auf die höchsten Berge aller 16 Bundesländer" (Heyne, 416 Seiten, 22 Euro) nicht nur am 1. September an 16 Orten in München vor, sondern auch am 23. und 24. September im Münchner Volkstheater an der Tumblingerstraße