Winter ohne Schnee – Bayernhütte-Pächter am Brauneck berichtet

Grüne Hänge in den Skigebieten bereiten den Gastronomen an den Pisten Sorgen. Wegen des Klimawandels ist mit noch mehr solchen Wintern zu rechnen. So geht es einem Wirt am Brauneck.
Heidi Geyer |
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Die Bayernhütte liegt im Skigebiet Brauneck. Vor einigen Tagen gab es noch vereinzelte Skifahrer. Jetzt ist auch das passé.
Die Bayernhütte liegt im Skigebiet Brauneck. Vor einigen Tagen gab es noch vereinzelte Skifahrer. Jetzt ist auch das passé. © Bayernhütte/privat

Bayern - Es sah nach einer Bomben-Saison aus – bis der Schnee schmolz. "Seit Silvester ist alles tot", sagt Michael Geyer. Er ist Pächter der Bayernhütte am Brauneck. Sein Gasthaus hat zwar noch offen und auch die Kabinenbahn ist in Betrieb. Nur mussten alle Pisten mangels Schnee schließen (AZ berichtete).

Michael Geyer: "Uns fehlen 80 Prozent vom Umsatz"

Zwar kommen nach wie vor Leute in die Wirtschaft, berichtet Geyer (der trotz gleichen Nachnamens nicht mit der Autorin verwandt oder verschwägert ist). Aber eben deutlich weniger: "Uns fehlen 80 Prozent vom Umsatz im Vergleich zum Vorjahr. 80 Prozent." Er muss es noch mal aussprechen, weil er es anscheinend kaum fassen kann. Eigentlich habe er acht Servicekräfte im Einsatz, derzeit beschäftige er jedoch nur eine.

Hüttenwirt Michael Geyer.
Hüttenwirt Michael Geyer. © privat

Geyer vermietet auch Zimmer auf seiner Hütte und die seien nach wie vor gefragt. Diese Gäste machen auch den Großteil in der Wirtschaft aus, so der Hüttenwirt. "Die gehen halt dann wandern statt skifahren", sagt Geyer. Nur verdiene er halt kein Geld, lediglich die Fixkosten seien da eingespielt, wenn überhaupt – "mit viel Glück". Normalerweise mache er in der Wintersaison den Hauptumsatz.

Hüttenwirt: "Das läuft alles aus dem Ruder"

Erst seit zwei Jahren hat Geyer die Hütte mit seiner Frau gepachtet und einen sechsstelligen Betrag investiert. Die Hütte selbst gehört der Edith-Haberland-Wagner-Stiftung, die den Erhalt von Augustiner-Bräu als Privatbrauerei sichert. Die Corona-Hilfen habe er noch nicht alle bekommen, sagt Geyer. Zugleich werden Lebensmittel und Energie deutlich teurer. "Das läuft alles aus dem Ruder", so der Wirt.

Besonders bitter hat er die Kostensteigerung bei den Holzpellets für die Heizung empfunden. "Wir versuchen aber, die Kosten nicht gleich an den Gast weiterzugeben", sagt Geyer. Ein Bier vom Fass koste nach wie vor 4,10 Euro. Auch wenn allein die Pelletlieferung von 3.000 Euro auf 14.000 Euro gestiegen sei: "Irgendwann geht ja dem Gast auch das Geld aus."

CSU: "Das ist unternehmerisches Risiko"

"Das ist ein ganz schwieriges Thema", sagt Klaus Stöttnern der AZ, tourismuspolitischer Sprecher der CSU, und seufzt. Denn Hüttenwirt zu sein, sei ohnehin kein einfaches Geschäft. Der Landtagsabgeordnete erinnert an den Transport der Ware auf die Hütte und den allein damit verbundenen Kosten. "Das ist ein Job, für den man Leidenschaft braucht", so Stöttner.

Von einer Art Soforthilfe hält er trotz der schneefreien Saison nichts: "Das ist unternehmerisches Risiko." Der Landtagsabgeordnete, dessen Stimmkreis im Chiemgau liegt, zieht einen Vergleich. "Die Chiemseewirte kriegen ja auch nichts vom Staat, wenn es mal einen Sommer regnet." Sein Appell richtet sich daher an die Verpächter, den Wirten mit moderaten Pachten unter die Arme zu greifen.

Angelika Inselkammer, Präsidentin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA) fordert insgesamt mehr Unterstützung für die Gastronomie, etwa durch ein flexibles Arbeitszeitgesetz und eine Entfristung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes sowie weniger Bürokratie. Sie spricht aber auch das Tabuthema Beschneiung im Gespräch mit der AZ an. Die Branche würde sich eine "differenzierte Diskussion" dazu wünschen. "Denn die Beschneiung erfolgt mittlerweile in vielen Bereichen mit speziell gesammelten Wasser und regenerativ erzeugter Energie. Da ist das Skifahren auf einer beschneiten bayerischen Piste deutlich klimaneutraler als die Fahrt ins benachbarte Ausland", so Inselkammer.

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Dass der Klimawandel zu einer Veränderung im Wintertourismus führen werde, sieht auch Stöttner so. Schon jetzt werden ihm zufolge nur Seilbahnen öffentlich gefördert, die das ganze Jahr im Betrieb sind.

Mit Blick nach Österreich

In Österreich ist man hier schon einen Schritt weiter. In Waidring in Tirol gibt es beispielsweise den "Triassic Park" auf der Steinplatte, eine Art Urlandschaft mit Dinosaurier-Figuren und einer Tropfsteinhöhle. In Fieberbrunn wird an der Bergstation bei "Timoks Wilder Welt" vom Wasserspielplatz über ein Dammwildgehege bis zur Sommerrodelbahn auch in der warmen Jahreszeit einiges geboten. Der Deutsche Alpenverein hält von so einer Eventisierung der Berge herzlich wenig, wie Sprecher Thomas Bucher auf AZ-Anfrage sagt.

Hüttenwirt Geyer findet schon, dass man sich in Bayern etwas mehr trauen sollte und dass sich der Blick nach Österreich lohnt. Dort sei man auf Wanderer, Radlfahrer und Familien besser eingestellt. "Da machen die Hüttenwirte im Sommer das gleiche Geschäft wie im Winter. Aber dazu sind sie bei uns noch nicht bereit."

Geyer will zukünftig weiter auf Stammgäste setzen. Schon jetzt klappe das ganz gut. Vielleicht auch deshalb klingt er trotz aller Umsatzeinbrüche noch relativ gefasst. Auch wenn das Risiko droht, dass er den Umsatz heuer nicht mehr ausgleichen kann. An Neujahr habe er einen Saxophon-Spieler und einen DJ engagiert und das sei gut angenommen worden. "Da waren mehr Wanderer und Radlfahrer da als Skifahrer", sagt Geyer.

Ein kleiner Trost: Der Wirt betreibt seit 25 Jahren einen Biergarten in München und dort erlebt er gerade die beste Saison seit jeher. Nur kompensiere der Biergarten nicht seine Verluste. "Wir sind alle frustriert", sagt der Gastronom und meint sich und seine Angestellten. Existenzängste habe er nicht angesichts des Klimawandels. "Aber es wird einem schon mulmig."

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