Wandern und Alpakas statt Skigaudi: So stellen sich Tourismusorte auf Angebote ohne Schnee um
Der große Schneefall in Bayern bleibt weiter aus, einige Skigebiete haben deshalb den Betrieb eingestellt (AZ berichtete). Wintersport-Touristen gehen vielerorts lieber zum Wandern als auf die Piste. Etwa in den Bergsteigerdörfern Ramsau, Kreuth, Sachrang und Schleching. Die Gemeinden setzen auf Natur, Ruhe und Nachhaltigkeit. Auf Schnee sind sie deshalb nicht unbedingt angewiesen. Bewährt sich ihr Konzept nun?
Natur, Berge und Seen statt Halligalli-Tourismus
In den Bergsteigerdörfern gibt es keine Liftanlagen, die künstlich beschneit werden, keine Aprés-Ski-Partys, keine große touristische Infrastruktur. Die Orte wollen eine Alternative sein, sagt Elisabeth Keil der AZ. "Wir betreiben im bayerischen Achental keinen Halligalli-Tourismus – was wir anbieten, ist unsere intakte, schöne Natur, die Berge und Seen", so die Vorständin von Achental Tourismus, die neben Schleching auch für Marquartstein, Unterwössen und Staudach-Egerndach spricht.

Die Philosophie sei nachhaltiger Tourismus, eins sein mit der Natur: "Es geht um Genuss auf hohem Niveau, Bewegung aus eigener Kraft, ums Abschalten." Besucher würden anreisen, um aktiv zu sein oder einfach die Ruhe zu genießen.
Gestiegene Übernachtungszahlen: In Schleching geht das Konzept auf
Die Initiative Bergsteigerdörfer stammt aus Österreich und wurde 2008 durch den Österreichischen Alpenverein ins Leben gerufen. Inzwischen sind auch Deutschland, Italien, Slowenien und die Schweiz Teil davon, 35 Orte insgesamt beteiligt. Bergsteigerdorf nennen darf sich nur, wer bestimmte Kriterien erfüllt, beispielsweise in Sachen Nachhaltigkeit.
In Schleching etwa wird die Besucherzahl durch eine bestimmte Zahl an Ferien- und Gasthäusern sowie kleineren Hotels natürlich begrenzt. Das Konzept geht auf: Aktuell verzeichne der Achental Tourismus im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr ein deutliches Übernachtungsplus von knapp 15 Prozent. "Nach den vielen Krisen setzen die Menschen wieder auf Rückzugsorte statt Massentourismus", sagt Keihl.
"Es geht nicht darum, die Touristen zu bespaßen"
So gibt es in Schleching lediglich zwei Übungslifte, die nur dann laufen, wenn Schnee liegt. Und das obwohl am Hausberg Geigelstein 1969 sogar mal die deutschen Skimeisterschaften ausgetragen wurden. Doch der ist nun ein Naturschutzgebiet.
Liegt kein Schnee, gibt es, wenn der Besucher nicht auf eigene Faust wandern gehen möchte, ein Alternativ-Programm. "Wir bieten Kinderkunstkurse an, geführte Wanderungen, zum Beispiel bei Raunacht, Knödelkochkurse und Eisstockschießen." Doch gehe es nicht darum, Touristen zu bespaßen.
Nachhaltigkeit in Kreuth: Wintersport gibt's nur mit Naturschnee
Auch Kreuth hat sich der Nachhaltigkeit verschrieben, wie Bürgermeister Josef Bierschneider der AZ sagt. Als Bergsteigerdorf achte man darauf, Landschaft, Ortsbild und Natur zu erhalten, Kultur und Brauchtum zu pflegen und sich für den Erhalt der Berg- und Forstwirtschaft einzusetzen sowie "sanfte Mobilität" zu fördern.
Neben zwei Skiliften laufen dort auch die rund 60 Kilometer lange Langlaufloipe und die Rodelbahnen nur mit Naturschnee. Ebenso müssen Gäste mit Aktivitäten wie Eisstockschießen, Schneeschuhwanderungen und Schlittschuhlaufen noch warten. Die Alternativen lauten auch hier Wandern und die Ruhe genießen - wer es tierisch mag kann sich auch auf Touren mit Eseln oder Alpakas begeben.
Als Ort, der auf Nachhaltigkeit achtet, ist man seit jeher auf Winter ohne Schnee vorbereitet. Diese habe es auch in der Vergangenheit gegeben, so Bierschneider. Doch dank des breiten Angebotes "haben die Gäste immer erholsame Tage bei uns verbringen können".
Tourismus trotz kaum Schnee: "Ausgeblieben sind nicht unsere Gäste, sondern Frau Holle"
Gleichermaßen gibt es in Ramsau – wie in den anderen Bergsteigerdörfern – "schon von Haus aus" andere Freizeit-Optionen, bleibt die weiße Pracht aus, sagt eine Sprecherin der Touristen-Info der AZ. Beliebt seien geführte Wanderungen, etwa abends mit Fackeln zum Hintersee sowie Kutschfahrten zur Wildfütterung im Klausbachtal.

Und auch in Sachrang lassen die Urlauberzahlen diesen Winter nicht nach, sagt Herbert Reiter, Leiter der Tourist Info Aschau im Chiemgau und Bergsteigerdorf Sachrang, auf AZ-Anfrage. Die Situation durch das frühlingshafte Wetter sei zwar eine Herausforderung. Doch: "Ausgeblieben sind nicht unsere Gäste, sondern Frau Holle".
Die Besucher würden das Naturbelassene schätzen, abseits von Touristenhochburgen, so Reiter. "Wir wollen ja eine Alternative zum großen Skizirkus sein." Deshalb würden auch hier die Natur und das Klima so genommen und genutzt, wie es kommt, um die Landschaft nachhaltig zu bewahren.
So wird in Sachrang in diesem Winter eben in Thermen- und Saunenlandschaft entspannt, die Kampenwand erklommen und auf Berghütten Mittagspause gemacht. Eins sei sicher, so Reiter: "Bergsteigerdörfer sind mit ihren Leitgedanken kein Schnee von gestern."
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