CSU im Visier: Amigo-Affäre um Corona-Tests
Über die Firma GNA-Biosolutions in Martinsried ist schon viel geschrieben worden, auch in dieser Zeitung. Ende Dezember 2020 präsentierte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) deren Produkt "Octea" stolz als "weltweit besten Corona-Schnelltest".
Doch wenig später kam ans Licht: Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte dem PCR-Schnelltest, dessen Entwicklung der Freistaat mit fast acht Millionen Euro gefördert hatte, zunächst die Zulassung verweigert. Um sie dann plötzlich doch zu erteilen. Und zwar kurz nachdem sich Aiwanger telefonisch beim BfArM und per Brief bei Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für eine Sondergenehmigung eingesetzt hatte.
Auch Sauter und Nüßlein haben sich für die Firma eingesetzt
Auch andere hatten interveniert: Der mittlerweile zurückgetretene Vize-Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion Georg Nüßlein (damals noch CSU) hatte sich in einem Brief (mit Fraktions-Kopf) sehr deutlich an das Institut gewandt und Druck gemacht.
Und am selben Tag hatte ein weiterer CSUler im Sinne der Martinsrieder eifrig in die Tasten getippt: Der frühere bayerische Justizminister und heute fraktionslose Landtagsabgeordnete Alfred Sauter bat in einer Mail die Staatskanzlei um Hilfe - nach Auskunft aus der Machtzentrale von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) jedoch folgenlos. Von der GNA-Biosolutions soll der Jurist dennoch 300.000 Euro erhalten haben.
Der Geschäftsführer gehört der Corona-Expertenrunde an
Gegen Nüßlein und Sauter ermittelt heute die Staatsanwaltschaft in der sogenannten "Masken-Affäre". Und Aiwanger muss sich kritischen Fragen stellen, warum von seinen Wundertests nur sechs und nicht 1.000 Kits vom Gesundheitsministerium gekauft wurden. So weit, so bekannt.
Die Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage des SPD-Fraktionschefs im Landtag, Florian von Brunn, zeigt nun allerdings: Mit der Causa GNA waren neben Hubert Aiwanger auch andere Kabinettsmitglieder befasst - und GNA-Geschäftsführer Federico Bürsgens gehörte mehrere Monate der Expertenrunde "Corona" an, zu der auch der frühere Staatssekretär und heutige Gesundheitsministers Klaus Holetschek (CSU) gehörte.
Huml und Herrmann nahmen an Treffen teil
Demnach fand am 14. Oktober 2020 auf Einladung Aiwangers ein Gespräch zum Thema GNA-Schnelltests statt. Die Teilnehmer: Aiwanger, Bürsgens, Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) und die damals noch amtierende Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU).
Am 11. Dezember, dem Tag, als das BfArM "Octea" die Zulassung (zunächst) verweigerte, rief Bürsgens Holetschek an, weitere Telefonate und ein gemeinsamer Pressetermin folgten. Außerdem sah man sich in der Zeit von September 2020 bis Mitte Januar 2021 regelmäßig - via Videokonferenz - beim Expertenkreis "Corona".
Alte JU-Seilschaft?
"Es ist schleierhaft, warum der Geschäftsführer eines Unternehmens, der sehr erfolgreich als Lobbyist tätig ist, gleichzeitig offenbar als Experte zur Pandemiebekämpfung taugt", findet Florian von Brunn.
Politisch stand man sich offenbar schon vorher nah. Im Internet ist ein Medienbericht aus dem Jahr 2012 zu finden, der sich mit einem neuen Arbeitskreis der Münchner CSU zur Energiewende befasst. "Bei der Gründungsversammlung wurde der JU'ler und Physiker Dr. Federico Bürsgens zum ersten Bezirksvorsitzenden des neuen Arbeitskreises gewählt", steht dort.
Warum gab es trotz Bedenken eine Zulassung?
Warum das BfArM dem Schnelltest die Zulassung verweigerte, geht aus der Antwort auf die Anfrage hervor: Bürsgens habe am 11. Dezember mitgeteilt, "dass das BfArM ihm gegenüber seine ablehnende Haltung auf eine Empfehlung des Robert-Koch-Instituts stütze. Die Empfehlung des RKI würde dahingehen, nur noch Hochrisiko-Patienten durch einen PCR-Test zu testen, wodurch die Laborkapazitäten für PCR-Tests entlastet würden."
Warum es dann am 23. Dezember doch zu einer Zulassung kam, bleibt vage. Dies "wurde gegenüber der Staatsregierung nicht näher begründet", schreibt das Wirtschaftsministerium. "Plötzliche Genehmigung, Millionenauftrag ohne greifbares Ergebnis, auffällige Nähe zur CSU - die ganze Angelegenheit stinkt", kritisiert von Brunn.
Millionenbestellung ohne Ausschreibung
"Hubert Aiwanger, Alfred Sauter, Georg Nüßlein, und, jetzt neu durch die Anfrage ans Licht bekommen, Klaus Holetschek, Staatskanzleichef Florian Hermann und Melanie Huml - die Liste der Fürsprecher für das Unternehmen ist lang. Der Freistaat ist zudem an der Firma beteiligt und hat ohne Ausschreibung (auch das geht aus der Antwort hervor, d. Red.) in Millionenhöhe bestellt."
Außerdem kritisiert der SPD-Landeschef: "Wenn Herrmann Gespräche führt, tut er das sicher nicht ohne Wissen von Markus Söder!" Für ihn stelle sich daher die Frage: "Wusste Herr Söder Bescheid, dass die Minister Aiwanger und die Herren Nüsslein und Sauter massiv intervenierten, um die Zulassung der Schnelltests voranzubringen?"
Immer noch sei unklar, warum die Zulassung durch das BfArM erst verweigert worden sei und dann - nach einem Anruf von Bürsgens bei Holetschek und diversen Interventionen beim BfArM von politischer Seite - doch erteilt wurde. "Mich interessiert vor allem, für was der CSU-Abgeordneten und Lobbyist Alfred Sauter mit 300.000 Euro entlohnt wurde", sagt Florian von Brunn. All das werde zum Thema im Untersuchungsausschuss "Amigo".