Corona-Alarm in Bayern: K-Fall statt Freedom Day
München - Seit vergangenem Montag steht in Bayern die Corona-Ampel auf Rot. In den Kliniken des Freistaats wurden am Dienstag 650 Covid-Patienten intensiv behandelt.
Markus Söder: "Wenn 3G überall perfekt kontrolliert würde..."
Bei 600 wurde die Grenze zur höchsten Warnstufe überschritten. Vor dem Hintergrund dieser Situation, die nach den Worten von Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) "dramatisch und besorgniserregend" ist, hat das Landeskabinett am Dienstag eine massive Erhöhung der Kontrolldichte beschlossen.
"Wenn 3G überall perfekt kontrolliert würde, müssten die Infektionszahlen etwas niedriger sein", sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Der Regierungschef dachte außerdem laut darüber nach, welche Schritte noch folgen könnten, wenn sich die derzeitige vierte Infektionswelle nicht brechen lässt.
Ein Fragezeichen setzte Holetschek hinter den Weihnachtsmärkten, die in vielen Städten und Gemeinden des Freistaats schon in wenigen Wochen ihre Pforten öffnen sollen. Die "auf Initiative" von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) den Christkindlmärkten für 2021 eröffnete positive Perspektive stehe unter dem Vorbehalt, dass die pandemische Lage dies zulasse, sagte der Gesundheitsminister.
Erneuter Katastrophen-Fall in Bayern nicht auszuschließen
Es ergebe "keinen Sinn", wenn auf den Märkten die Buden und Glühweinausschänke offen seien "und drinnen kämpften die Menschen um ihr Leben." Es könne sein, dass man für Märkte FFP2-Maskenpflicht vorschreibe, so Söder.
Vom Ende der epidemischen Lage zu sprechen oder für den März 2022 einen "Freedom Day" mit dem Ende aller Auflagen in Aussicht zu stellen, sei "absurd", sagte Söder. Der bayerische Regierungschef stellte hingegen in Aussicht, dass noch im Laufe dieser Woche im Freistaat der Katastrophen-Fall ("K-Fall") erneut ausgerufen werden könnte. Damit solle vor allem die Verteilung von Covid-Patienten innerhalb des Landes erleichtert werden.
Söder: "90 Prozent der intensiv-behandelten Covid-Patienten sind ungeimpft"
"Sehr besorgt" zeigte sich Söder nicht nur wegen der hohen Sieben-Tage-Inzidenzen bei sechs- bis elfjährigen Kindern (469) und Zwölf- bis 15-Jährigen (467), sondern auch wegen der wieder steigenden Infektionszahlen bei 60- bis 80-Jährigen (140) sowie über 80-Jährigen (148). Insgesamt lag die Sieben-Tage-Inzidenz im Freistaat am Dienstag bei 348. Der rasante Anstieg der Infektionszahlen sei "so nicht vorhersehbar" gewesen, so Holetschek.
90 Prozent der intensiv-behandelten Covid-Patienten seien ungeimpft, sagte Söder. Es drohe jetzt eine "Konkurrenz" zwischen ihnen und den geimpften Intensiv-Patienten mit Krebs, Schlaganfällen und anderen Krankheiten. Die bayerische Bevölkerung ist nach Angaben Söders zu 65 Prozent geimpft. Dies bedeute 4,6 Millionen Ungeimpfte. Diese "Impflücke" sei einfach zu groß. Wenn es in Österreich möglich sei, auch Kinder unter zwölf Jahren zu impfen, "warum in Deutschland nicht?", fragte Söder.
Für Bayerns Schüler gibt es eine Ausnahme vom 2G-Grundsatz
Die 1,6 Millionen bayerischen Schüler, die nach dem Ende der Herbstferien seit Montag wieder im Unterricht sind, müssen sich nach einem Beschluss des Ministerrats noch "bis auf Weiteres" mit dem Maskentragen auch im Unterricht abfinden.
Auch wenn sie schon zwölf Jahre alt sind und sich impfen lassen könnten, gilt für sie bis zum Ende des Jahres eine Ausnahme von dem inzwischen für alle Veranstaltungen geltenden 2G-Grundsatz (Zugang nur für Geimpfte und Genesene), verkündete Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler). Weil sie in der Schule regelmäßig getestet werden, können sie "an sportlichen und musikalischen Eigenaktivitäten und Theatergruppen" auch ohne Impfung teilnehmen, dürfen aber nicht in Kinos, zu Fußballspielen, in Clubs oder Discos, wo die 2G-Regel gilt.
Ausnahmen von der generellen 2G-Regel gibt es für alle beim Besuch von Gaststätten und Inanspruchnahme von Dienstleistungen wie etwa von Friseuren bei Vorlage eines negativen PCR-Tests ("3G plus").
Söder kündigt "massive Erhöhung der Kontrolldichte" an
Die Zugangsregeln sind nach Ansicht der Staatsregierung teilweise lax gehandhabt worden. Das soll sich jetzt ändern. Söder kündigte eine "massive Erhöhung der Kontrolldichte" an. Die Polizei soll bei Verstößen gleich vor Ort Geldbußen erheben und in schweren Fällen auch vorübergehende Schließungen des Betriebs anordnen können.
Zu den strengeren Kontrollen sagte Werner Kraus, Pressesprecher der Münchner Polizei: "Wir werden die aktuelle Regelungslage berücksichtigen und unsere Maßnahmen entsprechend anpassen. Wir sind hier in enger Abstimmung mit dem Kreisverwaltungsreferat."
Söder dachte laut darüber nach, was es an Verschärfungsmaßnamen noch geben könnte. Nach dem Vorbild Österreichs könnte man in Zukunft nur noch Personen als "geimpft" anerkennen, wenn die letzte Impfung nicht länger als neun oder zehn Monate zurückliege. Die Alternative dazu sei "2G plus", also auch Tests für Geimpfte. Eine Impfpflicht halte er für "bestimmte Berufsgruppen" für angebracht. Dabei nannte er das Personal in Alten- und Pflegeheimen.

Holetschek: "Wir brauchen aus der Ampel jetzt endlich mal eine klare Ansage"
Generell ist Söder gegen eine solche Verpflichtung. Es gebe unter den Ungeimpften noch eine große Anzahl von Menschen, die überzeugt werden könnten. Seit Einführung von 2G-Regeln sei die Impfquote in Bayern "leicht gestiegen". Das sei "ein kleines hoffnungsvolles Signal." Häme nach dem Motto "Hähä, jetzt seht ihr's endlich ein" gegenüber Personen, die sich erstmals impfen lassen, sollte man sich verkneifen, um die deutliche Spaltung der Gesellschaft nicht noch zu vertiefen.
Bayern setzt auf flächendeckende Auffrischungsimpfungen "für alle" und fährt den Impfbetrieb in seinen Impfzentren wieder auf wöchentlich 2.000 Impfungen pro 100.000 Einwohner hoch. Die 96 Testzentren bleiben zunächst bis März 2022 geöffnet.
Unzufrieden ist Söder mit der Haltung der noch im Geburtsstadium befindlichen Berliner Ampel-Koalition, die nicht versuchen sollte, "sich wegzuducken". Die Pandemie "ist die Pandemie der jeweils Regierenden". Der Bund müsse die Weichen für finanzielle Unterstützung der Krankenhäuser und steuerliche Begünstigung von Pflegekräften stellen. "Wir brauchen aus der Ampel jetzt endlich mal eine klare Ansage", so Holetschek.