"Terror - Ihr Urteil": Massive Probleme bei Abstimmung

Mit überwältigender Mehrheit sprechen die Zuschauer den in einem TV-Gerichtsdrama angeklagten Luftwaffenpiloten frei, der im Film eigenmächtig einen Airbus abschoss. Die Quote war gut, doch das Ereignis wurde getrübt durch technische Probleme bei der Abstimmung.
von  az/dpa

 

Mit überwältigender Mehrheit sprechen die Zuschauer den in einem TV-Gerichtsdrama angeklagten Luftwaffenpiloten frei, der im Film eigenmächtig einen Airbus abschoss. Die Quote war gut, doch das Ereignis wurde getrübt durch technische Probleme bei der Abstimmung.

Berlin - Für die ARD war der Film eines der "TV-Highlights des Jahres", wie es die Geschäftsführerin der ARD-Filmtochter Degeto formulierte. Programmdirektor Volker Herres sprach vom "Fernsehevent". In der Tat: 6,88 Millionen Zuschauer (Marktanteil: 20,2 Prozent) verfolgten das Gerichtsdrama "Terror - Ihr Urteil", bemerkenswert viel für einen Montagabend im Ersten.

Mehr noch: 609 000 Menschen stimmten kurz nach dem Ende des Films ab, welches Schicksal dem Kampfpiloten der Bundeswehr treffen sollte, der eine Passagiermaschine mit 164 Menschen an Bord abgeschossen hatte, um damit zu verhindern, dass der entführte Jet in ein voll besetztes Fußballstadion mit 70 000 Zuschauern stürzt.

Knapp 87 Prozent stimmten für Freispruch

Von den 609 000 urteilten 86,9 Prozent, der Pilot sei freizusprechen, 13,1 Prozent befanden ihn für schuldig. Getrübt wurde die Abstimmung dadurch, dass viele Zuschauer auf der Internetseite www.daserste.de gar nicht ihr Votum abgeben konnten, weil die Seite durch den großen Ansturm innerhalb kurzer Zeit blockiert war, gleiches galt für die Telefon-Hotline. Pro Telefon hätte bis zu fünf Mal angerufen werden. Die Probleme bei der Abstimmung wurden in den sozialen Netzwerken teils erbost, teils enttäuscht kommentiert.

Ein ARD-Sprecher unterstrich aber, dass trotz dieser Probleme an der Eindeutigkeit des Publikumsurteils nicht zu rütteln sei. In Österreich stimmten ebenfalls bei zeitgleicher Ausstrahlung 86,9 Prozent für unschuldig, in der Schweiz 84 Prozent. Wie viele votierten, blieb offen. Auf ORF 2 guckten aber immerhin 879 000 Zuschauer (Marktanteil: 28 Prozent) zu, in der Schweiz 349 000 (19,4 Prozent). In Tschechien lag nur ein Marktanteil vor: Der fiel mit 4,4 Prozent jedoch deutlich geringer aus - dort wurde nicht abgestimmt.

"Terror - Ihr Urteil" - Hier sehen Sie das alternative Ende!

Das TV-Spiel mit Martina Gedeck als Staatsanwältin, Burghart Klaußner als Vorsitzender Richter am Berliner Schwurgericht, Florian David Fitz als Angeklagter und Lars Eidinger als Verteidiger entstand auf der Basis eines Stücks des Autors Ferdinand von Schirach, das bereits mehr als 400 Mal im Theater aufgeführt wurde. Auch in den meisten Aufführungen stimmte ein Großteil des Publikums für unschuldig, das Abstimmungsverhältnis dort ist etwa 60:40 Prozent für Freispruch.

"Der gestrige Abend war ein echtes Experiment mit völlig ungewissem Ausgang", wertete ARD-Programmdirektor Volker Herres die Resonanz auf "Terror - Ihr Urteil". "Dass die Zuschauerinnen und Zuschauer derart intensiv und in so großer Zahl in die im Film verhandelte Schuld-Frage eingestiegen sind und sich auch so zahlreich an der Abstimmung und Diskussion beteiligt haben, ist deshalb ein sehr beachtlicher Erfolg."

"Die Würde des Menschen ist unantastbar"

In einer "hart aber fair"-Sondersendung direkt nach der Ausstrahlung des Films lieferten sich der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) und der ehemalige Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) eine heftige Kontroverse. Für Baum war der Pilot juristisch ein Mörder. Baum betonte den Grundsatz des Grundgesetzes "Die Würde des Menschen ist unantastbar". Der Ausgang einer Flugzeugentführung sei bis zuletzt nicht entschieden. Er verwies auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2006, an das sich alle zu halten hätten.

Dagegen betonte Jung, die einzig entscheidende Frage sei, ob das Leben der 70 000 Menschen im Stadion noch zu retten sei. Auch diese hätten eine Menschenwürde. Das Leben der Passagiere in der entführten Maschine sei ohnehin nicht mehr zu retten gewesen. Hier gebe es einen Fall von übergesetzlichem Notstand.

Und was meint der Autor selbst? Von Schirach findet: sowohl als auch. Der Soldat habe mit seiner Entscheidung zwar viele Leben gerettet, es gebe "aber nur den tragischen, den schuldigen Helden, nie den glücklichen", sagte von Schirach in einem Interview der "Bild"-Zeitung vom Dienstag. "In unserem Fall hieße das: Abschuss und anschließend lebenslänglich ins Gefängnis." In der Realität wäre der Pilot wohl verurteilt worden, vermutet von Schirach. "Völlig zu Recht."

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