AZ-Kurzkritik zu Folge 4: Auf den Spuren von Papa
Vorsicht, Spoiler: Dieser Text enthält kaum bis gar nicht verschleierte Hinweise auf den Inhalt der aktuellen Folge von "Game of Thrones. Wenn Sie "Schwurbrecher" noch nicht gesehen haben und nichts verraten bekommen möchten, sollten Sie den Artikel später lesen.
Die sechste GoT-Staffel wird parallel zur US-Ausstrahlung immer in der Nacht auf Montag in Deutschland auf Sky On Demand, Sky Go und Sky Online veröffentlicht. Wahlweise stehen das englische Original und die deutsche Synchronisation zur Verfügung. Im Fernsehen laufen die Folge der neuen Staffel immer montags um 21 Uhr auf Sky Atlantic.
Was ist passiert?
Abgesehen von Dolchen und Lanzen gibt es bei „Game of Thrones“ traditionell ja wenig fürs Herz. Man kann die aktuelle Folge also als ein Friedensangebot der Macher ansehen: Schaut her, ihr geschundenen Fans – dafür, dass ihr uns euch mehr als fünf Staffeln lang habt peinigen lassen, bekommt ihr einen violinenuntermalten Moment der Freude. Keine Er-geht-um-die-Ecke-wenn-sie-gerade-ankommt-sie-schaut-weg-wenn-er-zurücksieht-Spielereien, keine plötzliche Attacke im kurzen Moment der Ruhe, niemand fällt überraschend tot um: Sansa Stark (Sophie Turner) und ihre Begleiter, die Halbritterin Brienne of Tarth (Gwendoline Christie) und Podrick kommen in Castle Black an – und Jon Snow (Kit Harington) und seine verloren geglaubte (Halb-)Schwester fallen sich in die Arme.
Natürlich kann es so friedvoll nicht bleiben. Sansa – deutlich weniger kampfesmüde als Jon, der in der vorangegangenen Folge nach seiner Wiederauferstehung und der Hinrichtung seiner Verräter desillusioniert sein Amt als Lord Commander der Night’s Watch hingeworfen hat, ist wildentschlossen, ihre alte Heimat Winterfell und den gesamten Norden von Westeros vom Vatermörder, Babymörder, Frauenmörder und Such-dir-was-aus-Mörder Ramsay Bolton (Iwan Rheon) zurückzuerobern.
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Als schließlich ein Brief von ihm eintrifft, in dem der neue Lord von Winterfell sich brüstet, den jüngsten Stark-Bruder Rickon im Kerker und das Fell von dessen Direwolf als Teppich auf dem Burgboden liegen zu haben, protestiert Jon dann auch nicht mehr dagegen, Pläne zu schmieden.
Überhaupt sind die Damen der George R. R. Martin-Schöpfung diesmal wieder stark dabei: Yara Greyjoy (Gemma Whelan) beispielsweise, auf den fernen Iron Islands, dürfte sich ernsthaft um die Nachfolge ihres toten Vater, über die Ironborn zu herrschen – zur Not dann eben auch mit Hilfe ihres gematerten, gebrochenen Bruders Theon (Alfie Allen). In den Kellern der Hauptstadt King’s Landing ist es währenddessen die ihrer Würde und Ehre beraubte Königin Margaery Tyrell (Natalie Dormer), die trotz aller Hoffnungslosigkeit ihren Bruder Loras dazu bringen will, durchzuhalten.
Und dann ist da natürlich noch Daenerys Targaryen (Emilia Clarke). Die Mutter der Drachen, aktuell in Gefangenschaft des Reitervolks Dothraki, hat ihren wohl spektakulärsten Auftritt seit der ersten Staffel – und hätte den wahrscheinlich sogar ohne ihre beiden schwerverliebten Getreuen Daario Naharis (Michiel Huisman) und Jorah Mormont (Iain Glen) geschafft.
Die sind nämlich endlich in der Wüstensiedlung angekommen, um die Khaleesi zu retten – am Ende schauen sie aber eigentlich auch nur zu: Bei der Anhörung aller Khals darüber, ob sie es wert ist, mit den Witwen der vorigen Khals in einem Tempel leben zu dürfen, kommen ihr die Thestosteron-Reiter ziemlich blöde. „Ihr seid kleine Männer“, wirft sie ihnen entgegen. Ihr Mann, Khal Drogo, habe mit ihr die Welt erobern und nach Westeros segeln wollen, während sie nur darüber diskutierten, welches Dorf sie als nächstes überfallen wollten. „Keiner von euch ist fähig, die Dothraki zu führen. Also werde ich es tun.“
Einmal dürfen sie noch böse gucken ob dieses Affronts – dienen? Pah! Dann verkündet ihnen Daenerys: „Ihr werdet nicht dienen. Ihr werdet sterben.“ Sprichts, wirft alle Feuerschalen im Tempel um und folgt damit den Spuren ihres Vaters, dem „Mad King“ Aerys Targaryen, indem sie sie alle verbrennt. (Sie greift allerdings keine Frauen und Kinder an wie der Mad King, der Wahnsinn kann sie also zumindest genetisch verschont haben.)
Aus dem lichterloh in Flammen stehenden Gebäude tritt sie heraus, kein Haar gekrümmt, die Kleidung komplett verbrannt, das Kinn erhoben. Und die Dothraki knien nieder. Da Buchautor George R. R. Martin einmal erklärt hat, ihre Immunität gegen Feuer im Buch sei nur eine einmalige magische Sache gewesen, müssen wir uns wohl daran gewöhnen, dass die Serie ihre Fähigkeiten etwas ausgebaut hat. Gibt aber Schlimmeres. Go, Dany!
Wer ist in dieser Folge gestorben?
So schnell, wie sie wieder auftauchte, muss sie auch schon wieder gehen: Die Wildling-Frau Osha (Natalia Tena) wurde mit Rickon Stark nach Winterfell verschleppt, weil sie ihn beschützen wollte. Ihr Trick, den sadistischen Burgherren Ramsay Bolton mit Kaltschnäuzigkeit zu beeindrucken, ihn zu verführen und dann mit seinem eigenen Messer umzubringen, geht leider nach hinten los. Er ist den Bruchteil einer Sekunde schneller: Messer – Hals – Blut – tote Osha auf dem Boden – back to business, Ramsay schält mit der Klinge seinen Apfel weiter.
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Wem hätten wir eher den Tod gewünscht?
Ach Ramsay. Es wird wahrscheinlich noch eine Weile dauern, denn aus einem unerfindlichen Grund haben sich die GoT-Macher darauf eingelassen, die Gewaltexzesse von Lord Bolton immer weiter eskalieren zu lassen, auch wenn das weder Handlung noch Figuren wirklich vorantreibt. Aber so wird wahrscheinlich die Erleichterung im Fan-Lager noch größer sein, wenn er entweder gerechterweise von der misshandelten Sansa umgebracht oder (und das ist in dieser Serie die wahrscheinlichere Version) von einem verirrten Pfeil oder einer Magen-Darm-Grippe dahingerafft wird.
Unterm Strich: Mehr Haut oder mehr Blut?
Diesmal ist es keine Frage der Quantität, sondern der Qualität: Die letzte, starke Szene der Folge gehört Daenerys – und auch wenn ihr der Bildausschnitt nur bis zum Bauchnabel reicht, geht es da um alles. Seht her, ich habe keine Waffe außer mir und beherrsche doch das Feuer und bald die ganze Welt! (Und ja, Jorah: Es ist aufgefallen, wie alle zünftig den Blick vor der splitterfasernackten Mutter der Drachen gesenkt haben, aber du nochmal geschmult hast!)
Die Poesie der Folge?
Man muss den High Sparrow nicht mögen (sollte man sogar nicht), aber gute Geschichten erzählen kann er – zum Beispiel davon, wie er ein kleiner Junge war, der Sohn eines Schusters. Und entdeckte, dass er mehr Geld für Schuhe bekommt, mit denen er sich mehr Mühe gegeben hat und mehr Zeit investierte: mit feiner gegerbtem Leder, mit aufwändigeren Mustern. „Die Hochgeborenen zogen sich meine Zeit an ihre Füße.“
Bei einem rauschenden Fest mit seinen falschen Freunden habe er aber bemerkt, dass Wein und Frauen und all die weltlichen Sünden nicht real sind und er ein falsches Leben lebt. „Ich ging. Ich zog mir nicht einmal meine Schuhe an.“
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Der beste Dialog?
Einfach, weil’s so schön ist, nochmal eine kleine, erleichterte Träne rollen zu lassen darüber, dass sich tatsächlich zwei Starks wiedergefunden haben:
„Wo wirst du hingehen?“, fragt Sansa ihren Bruder Jon, als sie nach dem Wiedersehen wieder etwas gesäubert und aufgewärmt mit ihm an einem Tisch sitzt.
„Wo werden wir hingehen“, sagt er. Sie lächelt.
Wer ist dem Iron Throne aktuell am nächsten?
Wer gute Ohren hat, wird die leise Melodie von „The Rains of Castamere“ erklingen haben hören, als das Geschwister- und Liebespaar Cersei und Jaime Lannister (Lena Headey und Nikolaj Coster-Waldau) in King’s Landing der Großmutter von Margaery und Loras Tyrell verkündet: Margaery werde wie Cersei bald den Weg der Schande durch die Stadt antreten, nackt und vom Pöbel beschimpft gedemütigt, um sich von ihren Sünden reinzuwaschen. Olenna Tyrell springt darauf an, auch Onkel Kevan Lannister, dessen Sohn mit den religiösen Fanatikern in Kutten unterwegs ist, die die Stadt im Griff haben – endlich fällt mal jemandem auf, dass die beiden mächtigsten Häuser des Landes auch eine eigene Armee haben!
Und dass Blut fließt, wenn „The Rains of Castamere“ erklingt, hat GoT ja bereits bei der tödlichen „Red Wedding“ in Staffel drei etabliert.
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