AZ-Kurzkritik zu Folge 2: Auf Tuchfühlung mit Drachen
Vorsicht, Spoiler: Dieser Text enthält kaum bis gar nicht verschleierte Hinweise auf den Inhalt der aktuellen Folge von "Game of Thrones". Wenn Sie "Zuhause" noch nicht gesehen haben und nichts verraten bekommen möchten, sollten Sie den Artikel später lesen.
Was ist passiert?
Es wird wie eine kryptische Nachricht durch die Kaffeeküchen und die Whatsapp-Chats geflüstert und geschrien werden in den kommenden Stunden: Jon Snow lebt!
Wie schon bei „Die Rote Frau“ haben sich die Macher von „Game of Thrones“ den großen Knall für die letzten Sekunden der Folge aufgehoben, wie schon bei „Die Rote Frau“ steht Lady Melisandre (Carice van Houten) im Mittelpunkt dieser Entwicklung – inzwischen wieder in ihrem magisch verjüngenden Fleischmantel, ätherisch-schön wie gewohnt. Ihre Überzeugung ist schwer angeschlagen, optisch manifestiert in tränenumflorten Augen, zitternden Lippen und einer zerzausten Frisur. „Alles, an das ich geglaubt habe, der große Sieg, den ich in den Flammen gesehen habe – es war alles eine Lüge“, sagt sie.
Zum Glück gibt ihr Ser Davos’ flehender Blick offenbar doch den finalen Schubs und sie versucht ihr Glück, wäscht den von unzähligen Messerstichen der Night’s Watch-Verräter zerfetzten Bauch, wäscht seinen Kopf, schneidet an den vertraglich definierten Haaren von Jon Snow (Kit Harington) herum und spricht immer verzweifelter ein paar magische Worte.
Dass die Gruppe, die all ihre Hoffnung in Jon Snows Wiederauferstehung gesetzt hat, erst nach einem ausbleibenden Effekt enttäuscht den Raum verlassen muss, damit endlichendlich der von Fans ersehnte Augen-Aufschlag-Luft-einsaug-Moment kommt ist ein Lehrstück in Cliffhanger-Struktur: Wir wissen immer noch nicht, was für ein Jon Snow da zurückgekommen ist und wie. Wird er sich verändert haben? Wird er an etwas Anderes als Rache denken können? Hatte seine Seele sich in der Zwischenzeit wirklich in seinem Direwolf versteckt, wie so viele glauben? Immerhin war das letzte Wort, das er hauchte, bevor er so traurig-malerisch im Schnee starb dessen Name: Ghost.
Die Schauspieler schweigen sich natürlich aus, auch wenn sie ein paar Details zu den Dreharbeiten verraten haben – unter anderem, dass Harington wohl ziemlich gut die Luft anhalten kann.
Das Einzige, was diese Szene schon eindeutig gezeigt hat: Je näher der lange Winter rückt in Westeros und je näher die tödliche Gefahr in Form der White Walker kommt, desto stärker sickern Zauberei und Magie in den sonst überwiegend rationalen Part der GoT-Welt.
Wer ist in dieser Folge gestorben?
Zwei graugesichtige, machthungrige Despoten ereilt das Schicksal, und natürlich ist Machthunger das Motiv: Balon Greyjoy, Herrscher über die Ironborn, treibt sich in einer stürmischen Nacht auf einer Hängebrücke an seinem Schloss herum und trifft dort einen mysteriösen Mann mit Kapuze. Der gibt sich als dessen totgeglaubter Bruder Euron zu erkennen – und nur wenig Smalltalk später fliegt Balon Greyjoy über den Handlauf der Brücke in den Abgrund.
Außerdem ist Joffrey Lannister (genau, dieser schmallippige Mini-König aus den früheren Staffeln) jetzt offiziell nicht mehr der grausamste Charakter der Serie: Ramsay Bolton (Iwan Rheon) läuft ihm den Rang ab. Der in den Sohnes-Status erhobene Bastard und Immer-noch-Ehemann von Sansa Stark (Sophie Turner) nimmt die Geburt seines Stiefbruders zum Anlass, mal richtig aufzuräumen: Kaum erfährt Roose Bolton, dass seine junge Frau Walda ihm einen offiziellen Stammhalter geboren hat, steckt ihm Ramsay ein Messer zwischen die Rippen. So weit so erwartbar in seiner Grausamkeit – aber schockierend ist dann doch, dass Ramsay Bolton das Baby und dessen Mutter lebendig an seine ausgehungerten Hunde verfüttert. Und zusieht – während er damit Lord Bolton wird: "Ich ziehe es vor, ein Einzelkind zu sein."
Wem hätten wir eher den Tod gewünscht?
Ramsay bietet sich gerade mit Nachdruck an – auch, weil er immer noch das Ziel verfolgt, die geflohene Sansa wieder einzufangen, die für ihn der Schlüssel ist zur Macht über den Norden. Und die hätte nun wirklich endlich etwas Frieden verdient.
Hier geht's zur Kritik der ersten Folge.
Unterm Strich: Mehr Haut oder mehr Blut?
Von beidem unterdurchschnittlich wenig – allerdings ist das wichtigste ja auch das von Jon Snow, das nun wieder durch seine Adern fließt. So weit man vermuten kann.
Die Poesie der Folge?
Tyrion Lannister (Peter Dinklage) hat eine intensive, nahe Begegnung mit den beiden Drachen, die nach der spektakulären Flucht von Daenerys Targaryen auf dem größten Lindwurm zurückgeblieben sind in einem Verlies in Meereen: Eine Fackel in der Hand tastet er sich an die schuppigen Tiere heran, um sie freizulassen, denn in Gefangenschaft wollen sie nicht fressen. Der Ausgestoßene, der Zwerg, erzählt den beiden Monstern davon, wie er sich als Kind einen Drachen gewünscht hat, „einen kleinen“ – und wie enttäuscht er war, als er erfuhr, dass sie seit Jahrhunderten von der Erde verschwunden sind. Am Ende gestatten die Tiere ihm, sich zu nähern, und die Metallketten an ihren Hälsen zu öffnen.
Der beste Spruch?
Folgt direkt auf die Drachen-Begegnung, als Tyrion den glimmenden Augenpaaren den Rücken zugewandt und es unbeschadet zurück zum Eingang des Kellergewölbes geschafft hat. Er atmet tief durch und sagt mit der ihm eigenen Selbstironie zu Varys: „Das nächste Mal, wenn ich so eine Idee habe – schlagt mir ins Gesicht.“
Wer ist dem Iron Throne aktuell am nächsten?
Immer noch der High Sparrow, dessen religiöse Sekte die Hauptstadt King’s Landing im Griff hat. Als der wuterfüllte Jaime Lannister – an der Bahre seiner Tochter Myrcella stehend – den grauhaarigen Mann in der Kutte mit seinem Schwert bedroht, lächelt der nur. Seine Gefolgen tauchen aus dem Dunkel auf, zu weit entfernt, um ihm zu Hilfe zu kommen, sollte das Schwert gezogen werden. Viele von ihnen könne Jaime töten, sagt der High Sparrow, „aber wer sind wir? Wir haben keine Namen, keine Familien – und gemeinsam können wir ein ganzes Imperium stürzen.“
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