AZ-Kritik zum fulminanten Finale: Der Winter ist da
Vorsicht, Spoiler: Dieser Text enthält kaum bis gar nicht verschleierte Hinweise auf den Inhalt der aktuellen Folge von "Game of Thrones". Wenn Sie "Die Winde des Winters" noch nicht gesehen haben und nichts verraten bekommen möchten, sollten Sie den Artikel später lesen.
Die sechste GoT-Staffel wird parallel zur US-Ausstrahlung immer in der Nacht auf Montag in Deutschland auf Sky On Demand, Sky Go und Sky Online veröffentlicht. Wahlweise stehen das englische Original und die deutsche Synchronisation zur Verfügung. Im Fernsehen laufen die Folge der neuen Staffel immer montags um 21 Uhr auf Sky Atlantic.
Was ist passiert?
Alles ist passiert – und zwar filmisch so schön, dass man sich nur wünschen kann, Regisseur Miguel Sapochnik bekommt in der nächsten Staffel mehr zu tun als die zwei Folgen in dieser. Im von ihm orchestrierten Finale bestätigen sich nun Fantheorien, Rache wird heiß und noch heißer serviert, neue Allianzen bilden sich und ein Mann bekommt von einer Frau ein verbindendes Schmuckstück geschenkt.
Aber von vorn: Cersei Lannister (Lena Headey) schwänzt ihren „Ich soll nicht mit meinem Bruder schlafen und auch nicht mit meinem Cousin“-Termin vor dem Kirchengericht des High Sparrow, und als ihr Sohn, King Tommen, sich auf den Weg dorthin machen will, versperrt ihm der zusammengeflickte Ex-Krieger „The Mountain“ die Tür. Weil nämlich der High Sparrow das Prinzip nicht begriffen hat, aus dem beispielsweise der US-Präsident und sein Stellvertreter niemals gemeinsam in der Air Force One fliegen: Wenn viele Menschen von Bedeutung am selben Ort sind, löscht eine eventuelle Katastrophe eben viele Menschen von Bedeutung aus.
Kurz nachdem Loras Tyrell – der im Gegensatz zu Cersei erschienen ist – all seine Sünden gestanden hat, explodiert ein Jahrhundertvorrat von Wildfire in den Katakomben der Stadt, direkt unter der versammelten Gesellschaft. Der High Sparrow und seine militanten Mitgläubigen und wahrscheinlich Hunderte Schaulustige gehen ebenso in grüne Flammen auf wie Loras Tyrell, sein Vater und seine Schwester Margaery, die Angetraute von König Tommen.
Der sieht die Flammen von seinem sicheren Zimmer aus, zählt (endlich mal!) Eins und Eins zusammen – und entzieht sich dann mit einem Schritt aufs Fensterbrett und einer kurzen Vorwärtsbewegung der Verantwortung. Cerseis drittes Kind ist also tot, genau wie ihr vorhergesagt wurde. Cersei, gewandet nicht mehr in ein wallendes Kleid, sondern eine Art Kampfanzug, lenkt sich ab mit ein bisschen Folter. Ihr Gesichtsausdruck ist hart und bleibt es bis zum Schluss.
Hier geht’s zur "Game of Thrones"-Kritik der neunten Folge der sechsten Staffel
Nach einer kurzen charmanten WG-Situation – Wer kriegt das große Schlafzimmer? – kommen Jon Snow (Kit Harington) und Sansa Stark (Sophie Turner) in ihrer alten, neuen Heimat Winterfell in der harten Realität an. „Der Winter ist da“, sagt Sansa mit Schneeflocken im Haar – die Ankündigung des langen Winters zog sich ja bereits durch sechs Staffeln. Beide lächeln, später gibt es auch allen Grund dazu: Aufgescheucht von der jungen Lyanna Mormont mit ihrem blassen, ernsten Gesicht, schwören alle Häuser des Nordens Jon die Treue. Und wieder wird ein „King of the North“ ausgerufen, wie bereits vor gefühlten zehn Jahren.
Und zumindest eine Hälfte von Jons Herkunft erfährt der Zuschauer endlich auch noch, als Bran Stark wieder ein bisschen in der Zeit herumreist: Wie schon angedeutet ist er nicht der Bastard-Sohn des ansonsten moralisch so gehypten Ned Stark, sondern seine Schwester Lyanna hat ihm auf dem Sterbebett das Versprechen abgenommen, dass er sich um ihn kümmert und ihn beschützt. Beschützen? Vor wem, warum? Die Fantheorie: Vater soll Prinz Rhaegar Targaryen sein, der Lyanna vor ihrer Hochzeit mit Robert Baratheon entführt hat. Das wird wohl die siebte Staffel näher ausführen – immerhin wissen wir diesmal, dass Jons aktueller Zustand ist: Er lebt.
Wer ist in dieser Folge gestorben?
Margaery, Loras, Mace und Kevan Tyrell, der High Sparrow und alle anderen Menschen in der Kathedrale sowie der fanatische Lancel Lannister mit der Manson-artigen Schnitzerei auf der Stirn, Grandmeister Pycelle und König Tommen. Außerdem ein alter Bekannter: Walder Frey.
Wer allerdings das große grüne Feuer (und sonstige Unwägbarkeiten des GoT-Lebens) überstanden hat ist die Matriarchin Olenna Tyrell – die in einer kurzen Zwischenszene im fernen Dorne sitzt, mit der Prinzenmörderin Ellaria Sand über große Politik spricht und mit deren Töchtern darüber, dass die gefälligst die Klappe halten sollen.
Wem hätten wir eher den Tod gewünscht?
In den letzten beiden Folgen haben die GoT-Macher ganz schön aufgeräumt und Charaktere aussortiert – und dabei einen sauberen Job gemacht. Die klassischen Hassfiguren, mit denen man nicht einmal zusammen Fahrstuhl fahren möchte, haben ihr Leben verloren, die ambivalenten wie Cersei müssen für die Weiterentwicklung der Geschichte noch eine Weile weiteratmen und genügend charmante, viertel- bis halb-heroische sind geblieben – so kommt man über die Serienpause, die wahrscheinlich bis April 2017 andauern wird.
Unterm Strich: Mehr Haut oder mehr Blut?
Wer „Game of Thrones“ tatsächlich wegen der Hintern und Brüste schaut, ist diesmal wohl enttäuscht – das große Blutbad bleibt auch aus. Dafür flattern immerhin wieder die Drachen der platinblonden Welteroberungs-Dany herum.
Die Poesie der Folge?
Wenn der erste Schauder vorbei ist: das Ende von Walder Frey – dem Verräter und Gastgeber der Red Wedding, bei der so viele Hauptcharaktere abgeschlachtet wurden, dass man die Szene immer noch nur an guten Tagen anschauen kann. Er sitzt am Esstisch, spachtelt Pastete in sich hinein, nörgelt ein bisschen, weil seine Söhne sich verspäten und haut der jungen Küchenhilfe mit Schmackes auf den Hintern. Wo die Söhne sind, will er wissen. „Sie sind schon hier“, sagt sie. Beide schauen sich im leeren Saal um. Sie zeigt auf die Pastete. Er würgt. Sie nimmt das geliehene Gesicht ab und zeigt ihr echtes.
Arya Stark, die von der ersten Staffel an nie das tun wollte, was eine junge Dame so tut, hat wahrscheinlich zum ersten Mal im Leben gebacken – aber auf schauderliche Weise: „Black Walder“, der ihre Mutter getötet hat, und Lothar Frey, der Robb Starks schwangere Frau Talisa erstochen hat. „Mein Name ist Arya Stark“, sagt sie, als sie ihm die Kehle durchschneidet, „und das Letzte, was du sehen wirst, wenn du stirbst, ist ein Stark, der auf dich herablächelt.“
Der beste Dialog?
Wie macht man eigentlich als Königin Schluss? Im Fall von Daenerys Targaryen (Emilia Clarke): mit einer Dienstanweisung. Bevor sie ihre neuen Schiffe mit ihrer Armee gen Westeros lenkt, um den Iron Throne zu besteigen, erklärt sie ihrem Liebhaber Daario Naharis: Er soll dableiben und auf Meereen aufpassen. „Du musst den Frieden wahren“ ist das „Lass uns Freunde bleiben“ des Drachenzeitalters, und genau so versteht er es auch. Sie werde in Westeros vielleicht aus taktischen Gründen wieder heiraten müssen, sagt die Mutter der Drachen. „Willst du meine Mätresse sein?“, fragt sie spöttisch. „Wenn du ein König wärst, würde es niemanden interessieren“, sagt er.
Dafür schenkt sie kurz danach Tyrion Lannister (Peter Dinklage) ein eigens für ihn angefertigtes Schmuckstück: eine Brosche, die er in King’s Landing bereits getragen hat als royaler Berater - jetzt ist er aber nicht Hand des Königs, sondern der Königin.
Wer ist dem Iron Throne aktuell am nächsten?
Badass Cersei Lannister. In einer der letzten Einstellungen lässt sie sich mit versteinerter Mine vor dem Thron stehend die Krone aufs Haupt setzen. Dass man bei der Kombination Cersei/Macht nicht unbedingt Schönstes erwarten muss, scheint auch ihr Bruder und Liebhaber Jaime zu ahnen, der gerade heimkehrt und sie beinahe entsetzt ansieht.
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