Neururer: "Man hat die Löwen hingerichtet"

Vor dem Duell des TSV 1860 mit seinem Ex-Klub Bochum spricht der Kult-Trainer über die Misere der Löwen und erklärt, warum er nicht Trainer in München wurde. "Das war ober-amateurhaft", sagt er.
von  Sebastian Raviol
Peter Neururer: "Es kann erstmal nur heißen: Relegation. Man muss kleine Schritte machen."
Peter Neururer: "Es kann erstmal nur heißen: Relegation. Man muss kleine Schritte machen." © dpa

Peter Neururer ist der personifizierte Feuerwehrmann in Sachen Profifußball: Der heute 60-Jährige entschied er sich früh für eine Laufbahn als Trainer. Bei Rot-Weiß Essen und Alemannia Aachen fand der bekennende Schalke 04-Fan Ende der 1980er Jahre erste kurzfristige Anstellungen im Profigeschäft, bevor er am 11. April 1989 zum Cheftrainer des damaligen Zweitligisten FC Schalke 04 ernannt wurde. Neururer betreute zweimal (2001 bis 2005 und 2013 bis 2014) den VfL Bochum, nächster Gegner der Löwen (Samstag, 13.30 Uhr, AZ-Liveticker).

AZ: Herr Neururer, am Sonntag trifft Ihr Ex-Klub VfL Bochum auf die Löwen. Für die Sechzger geht’s ums Überleben.

Peter Neururer: Ich freue mich sehr auf das Spiel. Beide Teams haben viel zu verlieren, beide werden alles versuchen. Es wird bestimmt hoch hergehen. Zwei Mannschaften mit heruntergelassenem Visier. Es wird nicht einfach für Sechzig, gegen Bochum zu gewinnen. Die Mannschaft ist in einer tadellosen Verfassung.

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Ihr Herz wird bei diesem Duell klar für Bochum schlagen. Aber für die Löwen hegen Sie auch Sympathien.

Es wäre eine Schande, wenn so ein Verein mit solch leidenschaftlichen Fans absteigen müsste. Das wäre tragisch hoch drei, unvorstellbar. Ich persönlich würde um den Verein und um den Supertypen Benno Möhlmann trauern. Ich habe schon die Hoffnung, dass die Wende kommt.

Was können die Löwen noch erreichen in dieser verfahrenen Situation?

Es kann erstmal nur heißen: Relegation. Man muss kleine Schritte machen. Erst den Relegationsplatz sichern, was schwer genug wird. Dann kann man das rettende Ufer immer noch erreichen.

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Dafür braucht der TSV 1860 endlich Punkte. In dieser Saison hat man aber sowohl in der Liga als auch im DFB-Pokal gegen Bochum verloren. Warum sollte es nun klappen?

Rein von der sportlichen Qualität sind die Sechzger fast ohne Chance – zumindest, wenn Bochum sein Leistungsvermögen abrufen kann. Was Möhlmann aber wecken kann: Einen Geist im Abstiegskampf.

Neuen Geist hatte man sich auch von neuen Spielern, etwa den Leadern Sascha Mölders oder Jan Mauersberger erwartet. Wie bewerten Sie die Neu-Löwen?

Ich finde, die Löwen haben sich gut verstärkt und an Qualität hinzugewonnen. Ich würde die Mannschaft in der jetzigen Besetzung zwischen Rang acht und zwölf sehen.

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Sie sind als Motivator bekannt. Sportchef Oliver Kreuzer versuchte es nach der Pleite in Berlin mit einer Brandrede an das Team. Das richtige Mittel?

Er stellt sich hin und feuert eine dicke Patrone ab. Das finde ich absolut richtig. Ob sie zündet, sehen wir nach dem Spiel gegen Bochum. Viele davon hat man aber nicht. Wenn sie Wirkung zeigt, kann das einen positiven Lauf erzeugen. Wenn nicht, kannst du das nicht jedes Spiel machen.

Was den TSV 1860 neben dem Abstiegskampf immer wieder zurückwirft, ist die Unruhe im Verein.

Ich kann als Außenstehender erkennen, dass mit dem Verein Schindluder getrieben wurde. Teilweise, um sich selbst darzustellen. Das ist für mich ein Wahnsinn. Das hat es doch im deutschen Fußball noch nicht gegeben. Ein Verein wie 1860 gehört für mich in die Erste Liga. Und im Moment zittert er darum, in der Zweiten Liga zu bleiben. Was wurde da gemacht? Man hat den Verein hingerichtet.

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Trotzdem schien es im September, als stünden Sie nach einem Treffen mit Geschäftsführer Noor Basha kurz vor einem Engagement bei den Löwen.

Das war ober-amateurhaft. Ich will hier keine Inhalte wiedergeben, aber das war ein Witz. Wir haben uns in einem Hotel getroffen, wo man mich kennt. So erreicht man nicht, eventuell einmal mit jemandem zusammenzuarbeiten. Das war wirklich eigenartig.

Nach Ihrem Engagement in Bochum haben Sie seit Ende 2014 keinen neuen Job angetreten. Wie geht es für Sie persönlich weiter?

Das hängt von den Angeboten ab. Alles muss ich nicht mehr machen, aber einige Sachen reizen mich, klar. Sechzig wäre da einer von wenigen Zweitligavereinen. Aber mit dem Gespräch, das ich mit dem Herrn hatte, war Sechzig leider erledigt.

Interview: Sebastian Raviol

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