Karsten Wettberg wird 80: "Ich würde Michael Köllner gerne in Unterhosen sehen"
München - AZ-Interview mit Karsten Wettberg: Er führte die Löwen 1991 in die Zweite Liga. Am heutigen Mittwoch feiert die Trainerlegende 80. Geburtstag.
AZ: Herr Wettberg, ein Sechzger sind Sie schon länger nicht mehr - heute begehen Sie Ihren 80. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch zum Achzger!
KARSTEN WETTBERG: Recht herzlichen Dank! Zum Glück erfreue ich mich noch guter Gesundheit. Ich feiere mit 120 geladenen Gästen, darunter auch Meisterlöwe Fredi Heiß, Torjäger Benny Lauth oder Vize-Präsident Hans Sitzberger. Es freut einen, wenn man bei einem solchen Jubiläum nicht ganz unvergessen ist - auch bei den "echten" Sechzgern.

Ihr Geheimrezept: Krafttraining und Rennrad fahren. Wie viele tägliche Liegestütze schaffen Sie noch?
Mehr als 150. Mein Kampfgewicht von 67 Kilo stimmt auch. (lacht) Ich bin noch täglich im Kraftraum, aber Rad fahren ist etwas weniger geworden. Mein Arzt hat mir schon vor Jahren prognostiziert, dass ich mal neue Kniegelenke brauche und wundert sich schon, dass es noch geht. Aber die Schmerzen sind erträglich, von daher kann das ruhig noch fünf Jahre warten.
Karsten Wettberg: "In die Zweikämpfe gehe ich nicht mehr so wie früher mit 30"
Sie sind kürzlich in Aying ja sogar für die Traditionself der Löwen aufgelaufen - im zarten Alter von 79 Jahren.
Ein großartiges Gefühl und ein toller Auftakt der wieder neu ins Leben gerufenen Elf der Löwen-Legenden! Jan Mauersberger hat das in die Hand genommen, er ist nicht nur ein ehemaliger Spieler, er hat in seinem jetzigen Job auch Ahnung von der Materie und ist ein toller Mensch. Es war mir eine Ehre, neben ihm, neben Benny Lauth und Bernhard Winkler auflaufen zu dürfen. In die Zweikämpfe gehe ich nicht mehr so wie früher mit 30, sonst tue ich mir und meinen Gegenspielern nur weh. (lacht)

Weitere Einsätze sind also fest eingeplant?
Auf jeden Fall! Solange es gewollt ist, dass ich noch ein bisschen mitspiele und es mein Körper zulässt, werde ich das gerne tun. Es ist ein Geschenk von oben, dass es überhaupt noch geht. Und ich kann auch ein doppeltes Comeback ankündigen: Die Bender-Zwillinge sollen demnächst ebenfalls auflaufen. Die Löwen haben, gerade auf dem Land, noch so viele Fans. Sechzig hat so viel Tradition. Da wäre es ja eine Blamage, wenn es keine Traditionself geben würde.
"Mit drei, vier Siegen am Stück bist du plötzlich wieder mittendrin"
Damit wären wir bei den jüngeren Löwen angelangt: Die Profis stehen derzeit auf Rang 15 der Drittliga-Tabelle. Ist der Aufstiegs-Zug schon abgefahren - oder müssen sich Kapitän Sascha Mölders und Co. gar Abstiegssorgen machen?
Nein und nein. Wenn man sieht, welche Energie diese Mannschaft auf den Rasen bringen kann, wie bei den Erfolgen gegen Schalke und den SC Freiburg II (1:0 und 6:0, d. Red.), habe ich überhaupt keine Abstiegsängste. Die Qualität der Mannschaft ist dazu viel zu hoch und aus meiner Sicht ist Michael Köllner nach wie vor genau der richtige Trainer. Es sind zwar schon zehn Punkte Rückstand auf Osnabrück, bei denen man auswärts schon mal verlieren kann. Aber in dieser Liga wird keiner einfach durchmarschieren. Mit drei, vier Siegen am Stück bist du plötzlich wieder mittendrin - auch, wenn es sehr schwer wird. Es helfen nur Siege.

Wettberg: "Ich hätte es dem Michi Köllner und seiner Mannschaft sehr gewünscht"
Sie haben in der Saison 1990/91 genau das geschafft, was Chefcoach Köllner in den vergangenen beiden Spielzeiten knapp verpasste: den Aufstieg in die Zweite Liga. Was können Sie ihm mitgeben zu seinem zweijährigen Jubiläum, das er am Dienstag beging?
Damals und heute sind schwer, zu vergleichen: Ich kam damals von Haching und habe mich schon im Vorfeld für den Verbleib von Rainer Maurer und Thomas Miller ausgesprochen - und bin goldrichtig gelegen. Für mich war es damals der größte Erfolg meiner Karriere und der schönste sportliche Moment, an den ich mich zurückerinnern kann. Schließlich sind andere, bundesligaerfahrene Trainer daran gescheitert. Ich hätte es dem Michi Köllner und seiner Mannschaft sehr gewünscht, es ebenfalls zu schaffen. Leider hat man es zwei Mal relativ knapp verpasst. Man muss nun einfach die Ruhe bewahren...
...um Köllner auf Giesings Höhen in Unterhosen zu sehen?
Sie spielen auf das legendäre Bild von mir nach dem Aufstieg 1991 an, als mir die Fans die Klamotten vom Leib gerissen haben. Eine muskulöse Sache, oder? Da bin ich nicht mehr ausgekommen, als 20.000 Fans im Grünwalder den Rasen gestürmt haben. Ich würde Köllner gerne in Unterhosen sehen, obwohl er da nicht ganz mithalten könnte. (lacht)
Sie wurden damals zum König von Giesing. Was müsste Köllner leisten, damit Sie Ihren Titel an ihn abtreten?
55 Spiele in Folge ungeschlagen bleiben! Ich habe erst kürzlich mit ihm darüber gesprochen und er meinte zu mir: "Die 54 Spiele, die du damals nicht verloren hast - es ist unmöglich, diesen Rekord einzustellen!" Das glaube ich auch. Vor allem, wenn man sieht, wie ausgeglichen diese Liga ist.
"Sechzig hat nach wie vor große Strahlkraft"
Zumal Köllner vielmehr Unentschieden anhäufte als Dreier, acht an der Zahl. Dennoch haben dem Trainer beide Gesellschafter den Rücken gestärkt.
Köllner hat die Weichen von Anfang an in die richtige Richtung gestellt. Aber es liegt nicht immer nur am Trainer. Man braucht auch die richtigen Spieler. Solange ein Sascha Mölders noch spielt, beziehungsweise mithalten kann, muss das Spiel aus meiner Sicht auf ihn zugeschnitten sein. Daneben ist ein Stefan Lex mit seiner Schnelligkeit sehr wichtig. Aber es müssen alle Spieler gemeinsam ihre Leistung abrufen und vorne die Chancen reinmachen.
Sie waren zwischen 2009 und 2013 als Scout für Sechzig tätig. Sehen Sie in dieser Kategorie denn Verbesserungsbedarf?
Ja, absolut. Bei Bayer Leverkusen steht mit dem Rudi Völler doch ein alter Löwe in der Verantwortung. Mit Eintracht Frankfurt hat ein weiterer Bundesligist keine Reserve. Dort könnte man Talente bekommen, die Spielpraxis brauchen. Klar, dass es nicht um Spieler wie Kai Havertz oder Florian Wirtz gehen kann - aber ein, zwei Kategorien kleiner, da sehe ich Potenzial, Leihspieler zu bekommen. Über Peter Pacult haben wir einen Draht nach Österreich. Sechzig hat nach wie vor große Strahlkraft.
Als Ex-Vizepräsident kennen Sie auch die vereinspolitische Innenansicht. Wie bewerten Sie die jüngste Entwicklung bei den Löwen?
Ich sehe da schon einige Probleme, zum Beispiel den Stadion-Ausbau: Aus dem Stadtrat ist zu hören, dass dieser nun doch 60 Millionen kosten könnte und noch nicht gesichert ist. Ich hätte mir auch mehr Präsenz bei der letzten Mitgliederversammlung gewünscht: Von 23.000 Mitgliedern war gerade mal gut ein Prozent vor Ort. Wohl auch, weil die Machtverhältnisse zementiert sind. Aber wissen Sie was?
"Ein Löwen-Fan will nicht ständig von den Bayern-Fans gehänselt werden"
Erzählen Sie ruhig.
Der Spruch "Einmal Löwe, immer Löwe" gilt mit Sicherheit bei sehr vielen Fans, gerade bei älteren Anhängern. Aber Kinder und Jugendliche, die wollen sich mit guten, erfolgreichen Spielern identifizieren. Ein Löwen-Fan will nicht ständig von den Bayern-Fans gehänselt werden. Aktuell kann man sich höchstens mal freuen, wenn die Bayern mal keinen Titel holen oder so wie jetzt ausnahmsweise mal vor den Löwen im DFB-Pokal ausgeschieden sind (0:5 in Gladbach, d. Red.). Der Aufstieg aus der Regionalliga war ein Erfolgserlebnis für uns. Aber jetzt hängen wir in der Dritten Liga fest. Die Frage ist, wie lange sich die Löwen das noch leisten können.
Investor Hasan Ismaik scheint jetzt langsam aber sicher ungeduldig zu werden: Der Jordanier hat sich nach dem 1:3 in Osnabrück "maßlos enttäuscht" gezeigt und öffentlich eine Trendwende gefordert.
Bei Sechzig war es zuletzt so ruhig wie seit 20 Jahren nicht mehr. Zu Zweitligazeiten wäre ein Trainer zu dieser Jahreszeit längst geflogen, wenn er keine Ergebnisse liefert. Zum Glück sind wir das Image des Chaosvereins los, aber ich muss schon sagen: Sechzig muss schleunigst raus aus der Dritten Liga. Bestes Beispiel ist für mich Jahn Regensburg: Dort wird gute, seriöse Arbeit geleistet. Wenn ich mir von meinen Löwen eines wünschen würde, dann wäre es - natürlich - der Aufstieg. Was da los wäre, wenn wir irgendwann wie Regensburg in der Zweiten Liga vorne mitspielen würden! Ich hoffe, das darf ich noch erleben.