Interview

Die AZ trifft Hasan Ismaik: "Wenn die Vereinsführung so weitermacht, wird sie 1860 zugrunde richten"

In Teil 3 des großen AZ-Interviews spricht 1860-Investor Hasan Ismaik über seinen größten Fehler, seine "Schuld" am Doppelabstieg 2017, seine Einordnung der vereinspolitischen Querelen und seine Pläne mit den Löwen, sollte die 50+1-Regel fallen.
Krischan Kaufmann,
Matthias Eicher
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Auf Konfrontationskurs: 1860-Investor Hasan Ismaik (l.) und Löwen-Präsident Robert Reisinger.
Auf Konfrontationskurs: 1860-Investor Hasan Ismaik (l.) und Löwen-Präsident Robert Reisinger. © IMAGO/Ulrich Wagner

War es Ihr größter Fehler, sich nicht ausreichend über 1860 informiert zu haben? Sonst hätten Sie all diese Problematiken gekannt und es wäre für Sie absehbar gewesen, dass ein fremder Geldgeber in Giesing auf Widerstand stoßen dürfte.
HASAN ISMAIK: Ja, ich denke schon, dass es mein größter Fehler war, mein Vertrauen zu geben, ohne mich tiefgründiger über die Löwen zu informieren. Alle Leute rund um 1860 waren anfangs überaus höflich und freundlich. Ich bin mit gutem Willen und mit viel Geld eingestiegen und hatte meine Vorstellungen: ein gutes Invest, meine Träume, ein toller Verein, eine tolle Stadt, all das erleben und Fußball genießen. Kaum waren die Verträge unterschrieben, ist es schnell gekippt. Ich bin inzwischen sogar davon überzeugt, dass mich manche Leute schon damals nicht wirklich akzeptiert haben und so schnell wie möglich wieder loswerden wollten. Keiner hat mir gesagt, dass meine Investoren-Rolle schwierig werden könnte. Aber ich werde immer wieder meinen guten Willen zeigen, denn ich habe den Verein lieben gelernt, die Stadt München, Deutschland. Trotz allem haben mir die Löwen auch in dieser Hinsicht viel Positives gegeben.

"Zu behaupten, Hasan Ismaik hat 1860 abstürzen lassen, finde ich unfair"

Was meinen Sie konkret?
Es gab immer wieder viele positive Stimmen, die mir gesagt haben: „Es tut uns leid, dass du auf so viel Ablehnung stößt, dass du so behandelt wirst.“ Diese Stimmen haben mir auch immer Hoffnung gegeben und geholfen. Wenn man mein Investment aus menschlicher Sicht betrachtet: Ich war am Anfang mit dieser Situation alleine, in einer Stadt, die nicht meine war. Die Angriffe gingen schnell los, dabei habe ich mich sehr schwach gefühlt. Wissen Sie, was ich nicht verstehe?

Erklären Sie es uns.
Nach dem Doppel-Abstieg 2017 hieß es, dass ich an all dem schuld sei.

Nun ja, Sie waren der „Letztverantwortliche“, wie es so schön heißt.
War ich der Trainer? War ich der Sportchef? Oder bin ich auf dem Rasen gestanden? Trotzdem wird das alles einzig und allein mir in die Schuhe geschoben. Ich habe gewiss den falschen Leuten vertraut. Aber zu behaupten, Hasan Ismaik hat 1860 abstürzen lassen, finde ich unfair. All die damaligen Entscheidungen wurden von den Vereinsgremien mitgetragen. Nicht nur von Präsident Peter Cassalette, auch von den anderen Gremien. 50+1 hat es doch schon auch 2017 und davor gegeben, alle Entscheidungen wurden letztlich von den e.V. Vertretern kontrolliert und abgesegnet. Und wenn man einmal die Besetzung der Gremien beim e.V. in 2017 und heute vergleicht, stellt man fest, dass viele der damaligen Entscheidungsträger des e.V. auch heute noch Entscheidungsträger sind. Entscheidungsträger, ausgestattet mit der Macht von 50+1. Aber ich soll der „Letztverantwortliche“ sein?

Ismaik über 1860: "Sobald sich Erfolg andeutet, kommt es zu Nebenkriegsschauplätzen"

Um Ihre Interessen zu vertreten, hatten und haben Sie Vertraute als Statthalter vor Ort. Gibt es Überlegungen, ob Ex-Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer den Löwen nach seinem Aus in einer anderen Funktion erhalten bleibt, nach dem Vorbild Cassalettes, der nach seinem Rücktritt als Präsident Aufsichtsratsmitglied wurde?
Wenn es Herrn Pfeifer gefällt, würde ich mich freuen, wenn er für 1860 eine beratende Rolle ausfüllen würde. Warum nicht? Herr Pfeifer ist wie Daniel Bierofka und Michael Köllner ein Funktionär, den ich sehr geschätzt habe. Ob es ein Zufall ist, dass sie alle von Präsident Robert Reisinger bekämpft wurden? Ich bin zu hundert Prozent sicher, dass es dem Präsidenten hier nicht um den Erfolg ging. Oder nehmen wir Hans Sitzberger. . .

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Sechzigs Vizepräsident, dem unter anderem vorgeworfen wird, Interna über die Praktiken von Präsident Reisinger an die Medien weitergegeben zu haben und der nun zurückgetreten ist.
Ich hatte keinerlei Kontakt zu Herrn Sitzberger. Trotzdem wird ihm vorgeworfen, zu nahe am Investor zu sein? Es hat mich aber bewegt, dass ein e.V.-Vertreter den aktuellen Kurs kritisch hinterfragt und der Meinung ist, dass man miteinander reden muss. Man kann die Chronik des Vereins der letzten Jahre nehmen. Gewisse Vorgänge haben sich immer wieder wiederholt. Ich gehe noch weiter und sage: Man kann die Kurven deutlich sehen: erst der sportliche Erfolg (zeichnet in der Luft eine Kurve nach oben), dann die politischen Konflikte (zeichnet eine Kurve nach unten). Köllner ist zwei Mal Vierter geworden, obwohl er immer wieder kritisiert worden ist. Pfeifer hat für gute Zahlen gesorgt. Sobald sich der Erfolg andeutet, kommt es zu Nebenkriegsschauplätzen. Ich halte es für eine Strategie, um mir die Lust an meinem Investment zu nehmen, damit ich die Hoffnung verliere. Aber das wird nicht passieren. Eine Ideologie ist früher oder später zum Scheitern verurteilt. Wenn die Vereinsführung so stur weitermacht, wird es diesen tollen Verein zugrunde richten.

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Ismaik: "Wenn ich die ganze Macht hätte, würde ich 1860 ja nicht selbst führen"

Selbst wenn 50+1 irgendwann fallen sollte – die investorenkritischen Fans und Gremien wären ja immer noch da. . .
Ja, sie wären immer noch da, weil sie 1860 die Treue halten und glauben, dass sie den Verein schützen, weil sie von Dritten aus politischen Gründen desinformiert werden. Bisher konnten die meisten unserer Fans leider auch noch nicht große sportliche Erfolge miterleben. Ich glaube deshalb, dass uns dann der Erfolg vereinen wird. Die Verführung, großen Fußball zu sehen, noch mehr Spannung, irgendwann wieder ein Derby gegen den FC Bayern – das zieht doch die Mehrheit der Fans an. Vielleicht nicht alle, aber viele. Wenn einige Fans lieber bodenständigen Fußball sehen wollen, ohne Investor, ist das auch in Ordnung. Sie könnten sich Amateurfußball ansehen. Sechzig ist vielfältig.

Wie sähe der TSV 1860 dann aus, wenn Sie schalten und walten könnten, wie Sie wollten?
Wenn ich die ganze Macht hätte, würde ich den Verein ja nicht selbst führen: Es gäbe auch dann einen Trainer, einen Sportchef, einen Geschäftsführer, Menschen aus der Region, die Positionen bei den Löwen besetzen. Man braucht eine gute Strategie und gute Leute. Ich vergleiche es mit einem Essen: Es braucht viele Gewürze. Es braucht Salz in der Suppe. Sechzig ohne die Fans, das geht nicht. Auch nicht ohne Funktionäre, die aus den eigenen Reihen kommen. Alles zusammen macht Sechzig aus. Die Ideologen, die den Verein klein halten wollen, sind die Feinde von Sechzig, nicht ich. Ich kann mich nur wiederholen: Wenn diese Leute zu mir kommen und mir Respekt erweisen, können wir über alles reden.

In Deutschland gibt es ein Sprichwort „Wer zahlt, schafft an“. Vor genau diesem Szenario fürchten sich die Fans. Denn Sie müssen doch zugeben: Ohne 50+1 wäre für Sie die Verlockung, durchzuregieren, doch sehr groß, oder?
Ihre Frage deutet an, dass ich ein Alleinherrscher sein will, der alle anderen Stakeholder ausschließen möchte. Das bin ich nicht. Ich frage Sie: Gibt es einen Verein ohne Ultras, ohne Fans? Stellen Sie sich den Verein ohne lokale Fans vor. Hat er einen Wert? Wenn die Mannschaft die Meisterschaft oder die Champions League gewinnt und sie auf dem Rathausbalkon steht und die Fans nicht kommen, welchen Wert hat der Erfolg für den Verein ohne das lokale Publikum? Er hat keinen Wert. Das verstehe ich, und deshalb sage ich zu den Ultras, zu Pro 1860 und anderen: Ihr seid das Herz und die Seele des Vereins, und ohne euch hat 1860 keinen Wert. Ohne euch gibt es auch keinen Wert für mein Investment. Alles andere, was über mich gesagt wird, ist eine Lüge. Ich bin nicht gegen sie, ich bin für sie, ob mit der 50+1-Regel oder ohne sie. Ich bin für einen offenen und ehrlichen Dialog. Wir können alle ihre Forderungen diskutieren. Ich bin ihnen dankbar, wenn sie ehrlich zu mir sind. Ich bin optimistisch, dass wir Wege finden, ihre Sorgen zu adressieren. Aber der Dialog muss ehrlich, ohne Manipulation, ohne Politik und mit gegenseitigem Respekt erfolgen. Diejenigen, die weiter an der „Nadelstich“-Politik arbeiten, bringen uns hier nicht weiter.

Lesen Sie in den weiteren beiden Teilen:

Anmerkung der Redaktion zum Interview: Ein langer Abend bei Tee und Zigarren (des Jordaniers) – so kam es zum großen Interview mit Hasan Ismaik: Am Freitag vergangener Woche traf die AZ den 46-jährigen Geschäftsmann im edlen Rosewood-Hotel in der Kardinal-Faulhaber-Straße. Tags zuvor hatte die Redaktion den Hinweis bekommen, dass der 1860-Investor in München landen würde. Die AZ wollte mehr über die Hintergründe dieses Kurzbesuches erfahren und wurde zwei Whatsapp-Nachrichten später zu einem Gespräch in die König Maximilian I.-Suite eingeladen – mindestens so spontan wie sein Besuch am Vereinsgelände.

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60 Kommentare
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  • shark am 21.02.2024 19:40 Uhr / Bewertung:

    Die heutige Entscheidung der DFL ,erzwungen von allen Ultras in Deutschland, Kein Investor in der DFL! hat weitreichende Folgen ,auch für 60 ! Vielen Dank für alle Fans welche das bewegten
    The Party is over Hasan Ismaik !
    Der deutsche Fussball war jahrzehntelang ohne Investoren international wettbewerbsfähig,insbesondere auch die deutsche Nationalmannschaft.
    Besinnen wir uns auf unsere Tugenden und unseren Nachwuchs.
    Ein guter Tag für alle echten Fussballfans, ein sehr schlechter Tag für die ewigen Geschäftemacher!

  • Löwenstark am 21.02.2024 21:02 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von shark

    ... was hat die heutige Entscheidung der DFL mit 60 und Ismaik zu tun?
    ... welche Party wäre denn bei Ismaik over ? Bei uns Löwen und beim Investor gab es doch schon lange keine Party mehr oder habe ich was verpasst ?
    ... wann war der deutsche Fussball zuletzt erfolgreich ? Wenn man den FC Bayern wegrechnet bleibt nicht viel. Und spielen in Deutschland nicht auch die besten Spieler bei dem Verein wo das meiste Geld ist. Was hat sich geändert ? Was macht Deutschland besser als andere?
    Auf den Nachwuchs setzen schon immer mehr oder weniger alle Vereine. Das Problem bleibt nur weiterhin, die besten Nachwuchsspieler werden schnell von den finanzstärkeren Verein weggekauft. Wird sich das etwa jetzt ändern ?
    Also bitte, die Geschäftemacherei mit dem Produkt Fussball hat doch heute kein Ende gefunden, wird weiter blühen und hat bestenfalls einen kleinen Dämpfer erhalten, wo man aber jetzt noch nicht abschätzen kann, wie sich das langfristig auf die Vereine auswirkt.

  • shark am 22.02.2024 08:36 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Löwenstark

    Der deutsche Fussball war mal führend auf der Welt.,bevor das Geld regierte ,und Investoren meinten hier schnell abkassieren zu können.Dazu muss ich leider auch Ismaik zählen,der seine Anteile bei 60
    keine allzulange Zeit n.m.M. mehr halten wird ,auch wenn Sie das heute noch nicht verstehen.
    Die großen Vereine wie der FCB und der BVB werden jetzt zurechtgestutzt und das ist für den Fussball und die BL eine sehr gute Nachricht

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