Härtetest in Rostock: Wie gut ist der TSV 1860 wirklich?
München - Vier Spiele, zehn Punkte, Spitzenreiter. Der Blick auf die Drittliga-Tabelle gefällt dem TSV 1860 derzeit bestens. Die Fans träumen vom Aufstieg, die Konkurrenz, wie zuletzt Hachings Stürmer Patrick Hasenhüttl im AZ-Interview erklärte, hat die Giesinger zunehmend auf dem Zettel der Anwärter. Unter der Woche hat ein Wettanbieter reagiert - und die Blauen mit einer Quote von 3:1 hinter Dynamo Dresden zum Topfavoriten erklärt.
Am Samstag steigt nun ein absolutes Top-Duell, wie auch Cheftrainer Michael Köllner weiß. Die Favoritenrolle schiebt er trotz einer "sehr, sehr guten Trainingswoche" dem Kontrahenten zu.
"Das ist für mich gefühlt ein Spitzenspiel am Wochenende: Hansa Rostock, Topfavorit in der Liga, empfängt den aktuellen Tabellenführer Sechzig München - da geht nicht mehr viel mehr", schwärmt Köllner über das Auswärtsspiel am fünften Spieltag bei der Hansa-Kogge (Samstag, 14 Uhr/Magenta Sport, BR und im AZ-Liveticker): "Das ist eine super Mannschaft. Mir schwebt das 0:1 im Juni noch ganz präsent im Hinterkopf. Wir müssen es jetzt besser machen."
Kann der TSV 1860 den guten Saisonstart bestätigen?
Im Gegensatz zu den Giesingern ist Rostock mit sieben Punkten (Rang sieben) mittelprächtig gestartet, brennt daher umso mehr auf einen Heim-Dreier. Die Elf um Torjäger Sascha Mölders kann wiederum zeigen: Wie gut sind die Löwen wirklich?
Noch hat der Sprung an die Tabellenspitze nach vier Spieltagen nicht allzu viel zu bedeuten. Für das Gros aller Fußball-Trainer und -Experten gelten zehn Spieltage als Richtwert dafür, wo die Reise hingeht. "Wir freuen uns immer über einen guten Start", sagt Köllner nun über den fabelhaften Beginn, so gut wie seit 13 Jahren nicht mehr. Doch die Frage sei: "Ab wann bewertet man eine Mannschaft? Wir waren am ersten Spieltag auch schon Tabellenführer." Gemeinsam mit Rostock übrigens.
TSV 1860 gegen Rostock vor 7.500 Fans
Zuletzt war Hansa ein 3:2-Sieg beim bärenstarken Aufsteiger SC Verl geglückt, trotz längerer Unterzahl. Ergo: Sechzig ist gut gestartet, aber deswegen noch kein Überflieger - und Rostock wird sich laut Köllner noch zum Spitzenteam aufschwingen.
Sportlich ein absoluter Gradmesser, auf den Rängen ein Novum: Das Duell zweier Traditionsklubs mit einer "ähnlich großen Sehnsucht, in die Zweite Liga zurückzukehren" ist Sechzigs zuschauerreichstes Spiel seit der Corona-Krise. 7.500 Fans dürfen mit dabei sein im Rostocker Osteestadion, ein halbes Grünwalder Stadion. Tausende Kehlen, die es nicht allzu gut meinen dürften mit dem Gästeteam - wie bei Köllners erstem Rostock-Trip im DFB-Pokal mit dem 1. FC Nürnberg. "Da habe ich viel Freibier und Sitzkissen bekommen", erinnert sich der Aufstiegscoach der Cluberer, immerhin bekam er damals auch einen Sieg im Elfmeterschießen.
TSV 1860: "7.500 Rostocker Fans werden uns Feuer unterm Hintern machen"
Jetzt meinte er über die Stimmung: "7500 Rostocker Fans werden uns Feuer unterm Hintern machen. Es wird ein Riesen-Spektakel", sagt Köllner, der den Spieß umdrehen will: "Wir müssen versuchen, die Energie, die Hansa aufbringt, für uns zu nutzen."
Wo sich ein Junglöwe vielleicht einschüchtern lässt, kann sich ein gestandener Profi in Sechzigs Reihen umso mehr pushen, wie der 50-Jährige erklärte: "Sascha Mölders wird sich sicher besonders wohlfühlen in Rostock, wenn er unsere Mannschaft dort als Kapitän aufs Feld führt." Was das restliche Personal anbelangt, muss Köllner neben Niklas Lang, der nach seiner Sprunggelenksverletzung derzeit mit einem Spezialschuh herumläuft, auch auf Leon Klassen (Mandelentzündung) verzichten.
Corona-Beschränkungen: Köllner kritisiert die Politik
Köllner übt nach dem Geisterspiel gegen den VfB Lübeck (4:1) deutlich Kritik an der Politik: "Letzte Woche haben wir gehofft, dass wir 3.000, dann 1.500 Fans im Stadion haben - dann folgte die Enttäuschung, dass gar keiner rein durfte." Der Oberpfälzer vermisse "das Gefühl der Verhältnismäßigkeit: "In München sind bei anderen Veranstaltungen 500 Zuschauer zugelassen, in wesentlich kleinerer Atmosphäre."
Selbst, was die Stadien anbelangt, schimpft Köllner: "Fünf Kilometer weiter in Haching wird vor Zuschauern gespielt." In einem Land wie Deutschland, "das von Einigkeit und Gemeinsamkeit sprechen" wolle, gebe es "tausend verschiedene Richtlinien", sagt Köllner: "Das ist auf Dauer fatal."
Fatal für Sechzigs Träume wäre eine Auswärtspleite, mit der Hansa aufschließen könnte. Stattdessen will 1860 mit einer guten Vorstellung im Rostocker Hexenkessel zeigen: Ja, wir sind wirklich so gut.