Experte zu 1860: "Dann ist er der falsche Trainer"
München - Markus von Ahlen war kurz angebunden am Tag nach dem 1:2 des TSV 1860 gegen den 1. FC Heidenheim. Die Sonne schien, doch die Stimmung des Löwen-Coaches war frostig. Nein, er fühle sich „nicht hilflos“. Ja, die Mannschaft müsse endlich „erfolgreicher Fußball spielen“. Nein, er beschäftige sich nicht mit der Frage, ob er noch der Richtige sei.
Doch von Ahlen kennt das Geschäft. Er weiß: Nicht nur rein statistisch gesehen, gehen ihm nach der neunten Niederlage im 14. Pflichtspiel die Argumente aus. Auch die Art und Weise, wie sich seine Spieler in die sechste (!) Heimpleite der Saison fügten, erinnerte erschreckend an die alten Probleme des vergangenen Jahres.
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Angst und Panik noch vor dem ersten Gegentor. Zusammenbruch nach dem Ausgleich. Verzweiflung und hilflose Suche nach Lösungen nach dem Rückstand. Die Ansprache des Trainers in der Halbzeitpause war offenbar spurlos an den Spielern vorüber gegangen. Und auf dem Platz nahmen die Löwen die Rufe von der Seitenlinie nicht mehr an: Game over!
Für von Ahlen ist die schwierige Situation aber kein Grund, alles hinzuwerfen. „Wir reißen uns jeden Tag den Arsch auf“, sagt er. Außerdem sei erst ein Spieltag im neuen Jahr gespielt, 14 Endspiele habe der Klub noch vor der Brust. „Wir müssen arbeiten, weiter hart arbeiten“, erklärt er. „Ich erwarte, dass wir aus den Fehlern lernen. Das hat auch mit Typ-Sache und Mentalität zu tun.“
Alles also eine Frage der Mentalität? Die AZ fragte bei einem nach, der es wissen muss. Professor Daniel Memmert von der Sporthochschule Köln untersucht seit Jahren psychologische Phänomene im Leistungssport – vor allem im Fußball. Für ihn hat der Löwen-Absturz gegen Heidenheim Methode. „Das hat etwas von selbsterfüllender Prophezeiung“, sagt der Sportwissenschaftler. „Die Mannschaft gerät in eine Abwärtsspirale, weil sie weiß, dass sie solche Spiele schon früher verloren hat.“
Die Angst, die die Spieler schon in früheren Spielen erlebt haben, kehre zurück und lähme. „Man fängt an, über Dinge nachzudenken, die man eigentlich im Schlaf beherrscht, aber unter Druck dann plötzlich versagt.“
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Für Memmert ist der Fall klar: „Da ist ein Sportpsychologe gefragt, um diese selbsterfüllende Prophezeiung aus den Köpfen der Spieler zu bekommen. Das muss der erste Ansatzpunkt sein.“ Für Memmert ist es kein Wunder, dass von Ahlen in der aktuellen Situation seine Spieler kaum mehr erreicht. „Wenn zu viele negative Einflüsse während eines Spiels auf einen Spieler einströmen, lässt man äußere Einflüsse oft nicht mehr an sich ran.“ Heißt: Läuft das Spiel einmal in die falsche Richtung, ist die Negativspirale kaum mehr aufzuhalten. Und weil die Löwen wissen, dass sie selbst Spiele, in denen sie geführt haben, noch verloren haben (Kaiserslautern, Heidenheim, Karlsruhe), bringt auch ein Erfolgserlebnis wie ein Führungstor nicht die erhoffte Sicherheit.
„Da ist der Trainer gefordert“, sieht Memmert von Ahlen in der Pflicht. Dieser müsse den Spielern im Training beibringen, mit diesen Drucksituationen umzugehen. „In diesen Situationen müssen Spieler auf das zurückgreifen, was sie am besten können. Das gibt Halt. Wenn der Trainer das nicht mehr schafft, ist er der falsche Trainer.“
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