Ex-1860-Vize Hans Sitzberger: "Wurde gedemütigt, angeschrien, beschimpft und beleidigt"
AZ: Herr Sitzberger, wie geht es Ihnen nach Ihrem Rücktritt als Vizepräsident der Löwen?
HANS SITZBERGER: Während ich mit dem Kopf weiß, dass eine Zusammenarbeit mit und in den aktuellen Gremien nach allem, was passiert ist, nicht mehr möglich gewesen wäre, sagt mein Herz etwas anderes. Die Zeit als Vize bei den Löwen war wunderschön und hat mich – fast immer – sehr glücklich gemacht. Mir fehlen vor allem die Menschen und die Kontakte, die Veranstaltungen und das Beisammensein! Ich habe jetzt auf einmal sehr viel Zeit und momentan tu ich mich ab und zu noch schwer, diese Zeit zu füllen – aber das wird schon!
Sie haben in den vergangenen Monaten öffentlich viel Zuspruch erfahren. Hadern Sie inzwischen mit Ihrem Rückzug?
Nein, ich hadere nicht mit meiner Entscheidung. Wie gesagt: Eine Zusammenarbeit wäre aus bekannten Gründen mit dem Verwaltungsrat nicht mehr weiter möglich gewesen. Auch die Zusammenarbeit mit dem Präsidenten war in den letzten acht Monaten meiner Amtszeit quasi nicht mehr vorhanden und auch nicht möglich. Ich glaube, auch dahingehend habe ich – wie auch mein Kollege Heinz Schmidt – mit dem Rücktritt die richtige Entscheidung getroffen. Wie Sie sagen, habe ich wirklich überwältigend viel Zuspruch erfahren, aber auch eben sehr viel Verständnis – die Situation war für mich einfach nicht mehr tragbar.
Hans Sitzberger: Fans des TSV 1860 sollen sich "eine informierte und faktenbasierte Meinung" bilden
Man sieht Sie allerdings nach wie vor am Vereinsgelände und bei den Heimspielen der Sechzger.
In Anbetracht dessen, dass ich mir nie etwas zuschulden habe kommen lassen, sehe ich auch keinen Grund, nicht mehr zu den Löwen zu fahren – im Gegenteil! Dieser Verein und die Löwen werden immer in meinem Herzen sein, das kann sich durch einen Rücktritt gar nicht ändern. Ich will die Mannschaft spielen sehen, ich will dabei sein, Erfolge mit-feiern und Misserfolge mit-tragen. Ein echter Löwe kehrt seinem Verein nicht einfach den Rücken und das, worum es mir immer ging, war der Verein!
Was hat Sie dazu bewogen, sich nun nochmal in der Öffentlichkeit zu äußern?
Ich glaube, es ist wichtig, auf manche Dinge ein wenig Licht zu werfen, damit die Mitglieder die Chance haben, sich vor der Versammlung im Juni eine informierte und faktenbasierte Meinung zu bilden. Ich habe, wie man in diesen schwierigen Wochen ja auch gesehen hat, nicht den Vorteil, dass ich meine Sicht der Dinge auf der Vereinsseite als quasi gültige Wahrheit veröffentlichen kann und ich merke in persönlichen Gesprächen einfach oft, dass viele Fans und Mitglieder frustriert darüber sind, dass ihnen Informationen fehlen, dass sie nicht Bescheid wissen und durch schwammige Formulierungen im Dunklen tappen. Das macht sie skeptisch und ist, wie ich finde, auch nicht ganz fair!
Sitzberger über das Präsidium des TSV 1860: "Keine Kommunikation, keinen Informationsfluss, keine Abstimmung"
Sie erklärten in Ihrer ersten Stellungnahme Ende Januar bei Facebook, der Verwaltungsrat hätte Ihnen einen Rücktritt nahegelegt, doch dies habe "mit den aktuellen Anschuldigungen nichts zu tun". Was war dann der wahre Grund für das Vorgehen von Sechzigs Kontrollgremium gegen Sie?
Die Zusammenarbeit im Präsidium war in den letzten acht Monaten meiner Amtszeit nicht nur schwierig, sie war quasi nicht vorhanden. Es gab keine Jours Fixes mehr, es gab keine Kommunikation, keinen Informationsfluss, keine Abstimmung. Wir haben mehrfach versucht, über Aussprachen wieder zueinanderzufinden, doch leider erfolglos. Gleich beim ersten Termin endete die Aussprache damit, dass der Präsident nach wenigen Sekunden laut wurde und den Raum verließ. Ich wurde in dieser Zeit viel gedemütigt, ich wurde angeschrien, ich wurde beschimpft und beleidigt, sowohl persönlich als auch schriftlich in WhatsApp-Nachrichten oder per Email, ich wurde am Telefon gesperrt, der Präsident ist aus unseren für die Kommunikation genutzten Gruppen ausgetreten. Ich wurde vor der Mitgliederversammlung im letzten Jahr regelrecht erpresst von unerfüllbaren Forderungen des Präsidenten an Heinz und mich und bis kurz vor der Versammlung wussten wir nicht einmal, ob der Präsident erscheinen wird. Unsere Vereinsmanagerin Viola Oberländer, Heinz und ich haben uns auf ein Szenario der Mitgliederversammlung ohne Präsidenten vorbereitet.
Das sind schwere Vorwürfe, die Sie da erheben.
Ich war nie zuvor in meinem Leben mit einem so willkürlichen und destruktiven Verhalten konfrontiert und habe mich oft hilflos gefühlt. Der Präsident hat sich dann plötzlich zurückgezogen, drohte und kündigte über die Zeit hinweg immer und immer wieder seinen Rücktritt an, war über Wochen und Monate für uns nicht greifbar und hat die Geschäfte in dieser Zeit wegen beruflichen Verpflichtungen an Heinz und mich übertragen. Wir beide haben die Geschäfte dann in Robert Reisingers Abwesenheit etwa zweieinhalb Monate nach bestem Wissen und Gewissen gemeinsam geführt und alle notwendigen Entscheidungen gemeinsam getroffen.
Robert Reisinger habe gesagt: "Du wolltest mit im Boot sitzen, dann kannst Du es jetzt auch steuern!"
Und dennoch ist es nicht nur zum Zerwürfnis mit Reisinger gekommen, irgendwann hat sich auch der Verwaltungsrat in den Streit eingeschaltet.
Der Verwaltungsrat, der ja laut Satzung das Kontrollgremium des Präsidiums ist, hatte zu all diesen Ereignissen eine sehr vorgefertigte Meinung und die war, dass ich all das und das Verhalten des Präsidenten entweder so hinnehmen oder eben zurücktreten kann. Der Verwaltungsrat steht bedingungslos hinter dem Präsidenten, sogar wenn er seinen Vizepräsidenten mobbt, weil der eine eigene Meinung hat. Da ich mich nicht so leicht unterkriegen lasse, vor allem nicht, wenn es um meinen Verein geht, bin ich erst einmal nicht zurückgetreten. Erst dann kamen plötzlich die Vorwürfe des Verwaltungsrates gegen mich hoch.
Waren Sie denn, wie Ihnen intern bei Sechzig vorgeworfen wird, mit den Ihnen übertragenen Aufgaben überfordert?
Ich kann diesen Vorwurf nur entschieden zurückweisen und ich kann mir auch nicht wirklich erklären, wie man auf so etwas kommt. Ich habe über viele Jahrzehnte ein erfolgreiches Unternehmen mit gut 50 Angestellten in allen Belangen allein geführt. Zudem hatten wir die Geschäfte bei den Löwen vor dem Zerwürfnis über viele Jahre gemeinsam als Präsidium geführt – warum sollte ich da plötzlich überfordert sein? Das Einzige, was ich persönlich nicht schön fand, war die sogenannte Übergabe von Präsident Robert Reisinger an mich, die lediglich lautete: "Hans, Du wolltest mit im Boot sitzen, dann kannst Du es jetzt auch steuern!" Das war nicht sehr professionell. Ich habe mich dann mit Heinz zusammengesetzt und wir haben die Geschäfte gemeinsam geführt – zu zweit eben, anstatt zu dritt.
Hans Sitzberger: "Kein Rechenschaftsbericht des Aufsichtsrates, keine Entlastung"
Sie hatten bereits erklärt, sich keiner Schuld bewusst zu sein. Aber was sagen Sie konkret zu den Vorwürfen des Verwaltungsrates, Sie hätten 1) den Aufsichtsrat und Präsident Robert Reisinger in einer Gesellschafterversammlung Ende November 2023 nicht entlastet?
Es ist richtig, dass ich den Aufsichtsrat nicht entlastet habe. Ich hatte aufgrund der Situation keinerlei Informationen darüber, was im Aufsichtsrat besprochen und beschlossen worden war. In der Regel ist der Aufsichtsrat vor einer Entlastung dazu verpflichtet, einen sogenannten Rechenschaftsbericht abzulegen, basierend darauf findet dann die Entlastung statt. Es gab keinen solchen Rechenschaftsbericht und ich habe auf dem zuvor üblichen Weg – also über den Präsidenten – über Monate hinweg keine Informationen erhalten. Es gibt Personen, die sagen, ich hätte mir die notwendigen Informationen doch einfach holen können. Ich dagegen sage: Das ist schwierig, wenn man am Telefon gesperrt wurde und auch sonst jegliche Kommunikation nicht stattfindet.
2) den Inhalt einer von Reisinger an Sie und Heinz Schmidt verschickte Mail an die AZ geleakt, an Dritte weitergeleitet – oder zumindest vorgezeigt?
Ich glaube Sie wissen am Besten, dass ich das nicht getan habe. Ich habe zu keinem Zeitpunkt interne Emails weitergeleitet oder gezeigt.
3) einen weiteren Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht begangen, den Reisinger und ein Verwaltungsrat Ihren Aussagen zufolge als unbedenklich eingestuft hatten? Worum ging es dabei konkret?
Ich hatte eine eidesstattliche Erklärung unterzeichnet, die belegte, dass ich vom Präsidenten eine ihn in dieser Sache entlastende WhatsApp erhalten habe. Vermutlich wurde sie als unbedenklich eingestuft, weil sie Robert Reisinger entlastet hat.
Im zweiten Teil des AZ-Interviews spricht Hans Sitzberger über sein Verhältnis zum Verwaltungsrat, den Vorwurf zu Hasan Ismaik "übergelaufen" zu sein, die Causa Horst Heldt, die Mitgliederversammlung im Sommer und das "BündnisZukunft1860".