Der TSV 1860 München und das Fan-Problem

Seit Auflösung der Ultra-Gruppen „Cosa Nostra“ und „Giasinga Buam“ fehlt es an Stimmung. Gegen Nürnberg gab es Pyro-Ärger. „Wir beschäftigen uns mit der Rückgewinnung der Fans“, sagt Eichin.
von  Matthias Eicher
Nach dem Fahnenklau löste sich die Gruppierung der "Giasinga Buam" aus.
Nach dem Fahnenklau löste sich die Gruppierung der "Giasinga Buam" aus. © imago

München - Es war dieselbe Leier wie so oft bei Auswärtsspielen des TSV 1860. Pyro und Rauchschwaden im Gästeblock, Geldstrafe programmiert. Beim 2:1-Auswärtssieg beim 1. FC Nürnberg machten die Ultras der Löwen mit Aktionen auf sich aufmerksam, die in der Szene dazugehören, ihrem Verein aber ganz und gar nicht gefallen können – weil sie Schaden anrichten.

Was die Sechzger dagegen freuen dürfte: Beim Bayern-Franken-Derby gab es in gewisser Weise auch ein kleines Comeback. Erstmals in der laufenden Saison stand während des Flutlichtduells beim Club wieder ein Vorsänger im Block, der die Fangesänge anheizte. Und kräftig Stimmung machte. Bei der 1:2-Heimpleite gegen Union Berlin (nur 19 300 Zuschauer) letzten Freitag folgte das Kontrastprogramm: gähnende Leere auf den untersten Rängen in der Nordkurve. Dort, wo sonst Vollblut-Löwen zu finden sind. Schon bei der Premiere gegen Bielefeld hatten diese „Wort gehalten“: Nach dem Countdown in der abgelaufenen Spielzeit, als die verbleibenden Heimspiele unter dem Motto „Raus aus der Arena“ auf Plakaten heruntergezählt wurden, nun den Boykott – nicht mehr rein in die Arena. Die Auflösung der beiden Ultra-Gruppierungen „Cosa Nostra 1860“ und „Giasinga Buam“ trägt ebenfalls einen gewaltigen Anteil dazu bei: Die Löwen haben nach wie vor ein Fan-Problem.

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„Das sind Themen, die wir diskutieren. Es ist klar, dass es uns nicht gefällt, wenn uns die Fans Geld kosten wie in Nürnberg. Es ist auch klar, dass wir uns mit der Gewinnung oder Rückgewinnung der Fans beschäftigen. Wenn es etwas zu vermelden gibt, werden wir das tun“, erklärte 1860-Boss Thomas Eichin am Dienstag, wollte aber nicht näher auf etwaige Maßnahmen eingehen. Mit Rückgewinnung meint der 49-Jährige das Vorhaben, einstige Mitglieder der aktiven Fan-Szene wieder ins Boot zu holen. Ins Schlauchboot, wie die ungeliebte Arena in manchen Fan-Kreisen genannt wird.

Doppeltes Ultra-Aus binnen eines Monats

Der Hintergrund: Die Cosa Nostra hatte sich im Juni ohne Angabe von Gründen aufgelöst. Leidige Stadionfrage, der Einstieg von Investor Hasan Ismaik, Entfremdung vom Verein, sportlicher Niedergang und Dauer-Skandale des Chaos-Klubs – die Erklärungen sind vielschichtig.

Knapp einen Monat später folgte das nächste Aus: Die Giasinga Buam wurden durch den Verlust zweier Zaunfahnen, die Ultras des FC Bayern unter fragwürdigen Bedingungen gestohlen hatten, nach den Gesetzen der Szene dazu gezwungen. Und schrieben auf ihrer Homepage: „Wir möchten zugleich betonen, dass wir dem TSV München von 1860, dessen Kurve wir in den letzten acht Jahren belebt haben, auch in Zukunft verbunden bleiben und für unsere Überzeugungen einstehen werden.“

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Inwieweit die Überzeugungen der Fans mit der gegenwärtigen Konstellation bei den Sechzgern kollidieren? Während die Arena schlicht alternativlos ist und ins Löwen-Chaos spürbar Ruhe einkehrt, werden manche Traditionalisten unter den Anhängern nie glücklich werden mit einem milliardenschweren arabischen Geldgeber. Andere mögen honorieren, dass Ismaik mittlerweile besser beraten ist und nicht mehr mit öffentlichen Rundumschlägen, sondern mit konstruktiven Kommentaren seiner Berliner PR-Agentur aufwartet. Der Finanzier hatte den Ultras kürzlich im Rahmen seiner Treffen mit Mannschaft, Management, Meisterlöwen und Vertretern des Fanklubdachverbands ARGE auch eine Aussprache angeboten. Dazu kam es bisher nicht. Fest steht: Ein Traditionsklub wie 1860 braucht trotz aller Strafen eine aktive Szene. Die ist das Herz der Kurve und hält diese erst am Leben – daheim wie auswärts.

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