Allesfahrer Wöll und Hell: "Ohne Corona wäre Sechzig aufgestiegen"
München - Geisterspiele, strikte Hygiene-Auflagen und wachsende Finanz-Sorgen - seit Monaten hat die Corona-Krise den TSV 1860 genauso wie die anderen deutschen Profivereine fest im Griff. Darunter leiden natürlich auch die Anhänger - und ganz besonders die, für die ihr Klub mehr ist als eine reine Freizeitbeschäftigung:
Hardcore-Fans wie die Sechzig-Allesfahrer Roman Wöll und Franz Hell, für die der Löwe seit Jahrzehnten sinnstiftender Lebensinhalt ist. Ursprünglich sollte Sechzig das erste Heimspiel der Saison im altehrwürdigen Grünwalder am Samstag gegen den 1. FC Magdeburg (14 Uhr, Magenta Sport, AZ-Liveticker) endlich wieder vor Zuschauern austragen dürfen.
Keine Zuschauer beim ersten Heimspiel der Saison
Aber dann schnellte der 7-Tage-Inzidenzwert in München auf mittlerweile über 50 - und zack, vorbei war's mit dem weiß-blauen Traum vom Fan-Comeback. Ein harter Schlag für Hell: "Ich bin schon ein bisserl verärgert, dass es so kommt. Aber eher traurig. Ich habe schon gehofft, dass es zu unserer Heimpremiere mit ein paar tausend Fans hinhaut, die ausgelost werden", grantelt der 65-Jährige ins Telefon, als ihn die AZ am Donnerstag erreicht.
Wöll: "Du kannst dich leider auf gar nix mehr verlassen"
Kumpel Wöll, nach Monaten im kalten Löwen-Entzug schon ein wenig vom Corona-Blues befallen, hatte sich eh kaum Hoffnungen gemacht, seinen Herzensverein gegen Magdeburg live im Stadion anfeuern zu können ("Schade für jeden Löwenfan, der nicht ins Grünwalder rein kann").
Aber natürlich findet auch er: "Es ist schon traurig: Da haben so viele Anhänger eine Jahreskarte gekauft und keine Sau kann rein. Du kannst dich wegen der Corona-Krise leider auf gar nix mehr verlassen."
Das stimmt leider nicht so ganz. Denn ziemlich sicher können sich Wöll und Co. darauf verlassen, dass während der Pandemie im Zweifelsfall alles immer noch ein wenig verrückter und komplizierter wird.
Während also am Samstag in Giesing erneut keine Zuschauer ins Stadion dürfen, kommt es tags zuvor nur wenige Kilometer entfernt in Unterhaching beim Heimspiel gegen den VfB Lübeck (19 Uhr, Magenta Sport) zum langersehnten Fan-Comeback im Sportpark. Der Grund: Die Vorstadt gehört nicht zu München, weshalb dort der Inzidenzwert des Landkreises zählt - und der liegt nun mal unter der entscheidenden Grenze von 35.
Hell: "Maßnahmen sind für den Laien alles andere als verständlich"
Schwierig nachzuvollziehen - auch für die Löwen. "Wir respektieren die Entscheidung der Behörden. Dennoch sehen wir dies im Sinne eines fairen Wettbewerbs und im Sinne unserer vielen treuen Fans sehr kritisch", stellten die Sechzger in einer Pressemitteilung klar. Für Wöll und Hell ist diese Regelung ebenfalls ein klarer Fall von Wettbewerbsverzerrung.
"Klar geht Gesundheit vor. Aber es ist schon sehr unverständlich, dass in Haching was geht und bei 1860 nicht. Soweit ich weiß, ist Haching an die zehn Kilometer weg von Giesing. Da sind die Maßnahmen für den Laien alles andere als verständlich. Es ist einfach eine Ungleichbehandlung, die nicht fair ist. Wenn die Behörden es nicht zulassen, kannst du dich auf den Kopf stellen und nichts daran ändern", schimpft Hell.
Und Wöll assistiert laut und direkt: "Die Politik scheißt sich nichts, wenn es um Wettbewerbsverzerrung geht. Die machen das nach ihren Richtlinien und den Inzidenzwerten."
Zumal es den beiden auch um die sportliche Perspektive ihres Vereins geht. Schließlich ist kaum ein Klub in der Dritten Liga von der Unterstützung seiner Fans so abhängig wie ihr geliebter TSV 1860. Wöll geht sogar so weit zu behaupten: "Ohne Corona wären wir letzte Saison aufgestiegen."
Na ja.