Svetislav Pesic und die Ein-Prozent-Hürde

München - Pressekonferenzen mit Svetislav Pesic sind etwas Wunderbares. Während der Gäste-Coach sich meist nach ein paar Pflichtfloskeln auf den Heimweg macht, lehnt sich der Trainer des FC Bayern in solchen Momenten gern im Stuhl zurück, wartet auf Fragen oder fängt an zu erzählen.
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Und zu erzählen hat er eine ganze Menge. Pesic ist 66, und seit ungefähr genauso vielen Jahren beschäftigt er sich mit Basketball: ab 1964 als Spieler bei Kosakarski Klub Pirot, seit 1982 als Trainer. Kein anderer Europäer hat so viele große Titel gewonnen wie der Mann aus Novi Sad, wohl kaum jemand weiß so viel über diesen Sport, garantiert niemand erzählt so gerne Anekdoten.
Ein Prozent Resthoffnung
Damit ist bald Schluss. „Zu 99 Prozent.“ Es besteht noch ein Prozent Hoffnung, dass dem Basketball-Projekt des FC Bayern einer seiner eifrigsten Verfechter noch länger als bis zum Saisonende erhalten bleibt und er nicht wie nach dem 78:76 gegen Frankfurt angekündigt, die Brocken hinschmeißt.
Was war passiert? Nun, Pesic war nach zwei Technischen Fouls aus der Halle geflogen – nicht zum ersten Mal. Diesmal hatten die Referees geahndet, dass Pesic das Spielfeld betreten hatte. Pesic regte sich auf, dass der Technische Kommissar Einfluss auf die Unparteiischen genommen habe, um es dem „großen Trainer Pesic“ zu zeigen.
"Ich habe eine schöne Frau"
Nach der Partie legte er los: „Ich glaube nicht, dass es sich lohnt, weiter in dieser Bundesliga tätig zu sein. Das ist eine definitive Entscheidung. Zu 99 Prozent.“
In der Pressekonferenz schimpfte er weiter: „Ich bin 66. Ich habe so viel erlebt, so viel erreicht. Warum soll ich das noch machen? Ich habe eine schöne Frau, Enkelkinder, bin gesund, habe alles im Leben. Da ist es besser, irgendwo in Europa Trainer zu werden. Ich war der beste Botschafter für den deutschen Basketball in der ganzen Welt. Aber ich habe keinen Spaß mehr.“
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Pardauz! Ausgerechnet vor dem Eurocup-Kracher gegen Galatasaray Istanbul (Dienstag, 20 Uhr) auch noch eine Trainer-Diskussion. Schlechtes Timing.
Schlechtes Verhältnis schadet Mannschaft
Aber was raus muss, muss raus, wird sich Pesic gedacht haben. Er weiß, dass ihn die Schiedsrichter auf dem Kieker haben. Nach dem verlorenen Finale im vergangenen Sommer gegen Bamberg wurde er wegen unsportlichen Verhaltens für ein Spiel gesperrt und musste eine Geldstrafe zahlen. „Da haben sich sicher alle gefreut“, ätzte Pesic.
Er weiß, dass sein chronisch gestörtes Verhältnis zu den Unparteiischen seiner Mannschaft schadet: „Wir hätten deswegen heute verlieren können“, sagte er. Wohl wahr: Das zweite Technische Foul traf sein Team mitten in der Aufholjagd. Pesic vermutet System hinter solchen Strafen, und in der Tat war er – wie in jedem Spiel und wie fast jeder Trainerkollege – zig mal über die Linie getreten. Pesic: „Wir sind der einzige Verein der Liga, bei dem alle drei Trainer schon ein Technisches Foul bekommen haben – das ist absoluter Rekord.“ Es sei „hoch interessant“, dass er im Europapokal in dieser Saison kein einziges Mal Probleme mit den Referees gehabt habe.
Auf die Frage, ob Bayern sein letzter Klub sein werde, fragt er zurück: „Karriereende? Sehe ich so aus?“ Und nun? Pesics Vertrag läuft bis 2017. Sohn Marko, der Geschäftsführer, sagte: „Ich habe noch nicht mit ihm darüber gesprochen, möchte aber nicht zulassen, dass er wegen dieser Sache hinschmeißt. Ich werde mich mit ihm zusammensetzen und über alles sprechen.“ Und vielleicht wird ja auch noch Uli Hoeneß auf die 1-Prozent-Hürde Einfluss nehmen.