"Unprofessionelles Verhalten": Löw schmeißt Kruse aus DFB-Kader

Frankfurt am Main - Bundestrainer Joachim Löw hat auf die jüngsten Eskapaden von Max Kruse reagiert und den Stürmer aus dem Aufgebot der Fußball-Nationalmannschaft für die Länderspiele am Samstag in Berlin gegen England (20.45 Uhr/ZDF) und drei Tage später in München gegen Italien gestrichen.
"Schon vergangene Woche habe ich Max Kruse klar gesagt, was ich von ihm erwarte, sowohl auf als auch neben dem Platz. Ich möchte Spieler, die sich auf den Fußball und die EM konzentrieren, auch zwischen den Spielen. Der Vorfall am zurückliegenden Wochenende widerspricht meinen Erwartungen. Max hat sich zum wiederholten Male unprofessionell verhalten. Das akzeptiere ich nicht", sagte Löw.
"Die Europameisterschaft im Sommer wirft ihre Schatten voraus, dort haben wir mit der Nationalmannschaft große Ziele. Wir brauchen Spieler, die fokussiert und konzentriert und sich auch ihrer Vorbildrolle bewusst sind", sagte Löw.
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Kruse hatte sich am Samstagabend in Berlin am Rande der Feier seines 28. Geburtstags eine Auseinandersetzung mit einer Bild-Reporterin geliefert, die Bilder von ihm gemacht hatte. Laut "Bild"-Zeitung wurde der Angreifer von seinem Verein zum zweiten Mal binnen einer Woche zu einer Geldstrafe verurteilt.
"Natürlich war ich irgendwann genervt und habe dann vielleicht etwas unpassend reagiert", wird Kruse zitiert. Der ehemalige Gladbacher soll der Journalistin das Handy aus der Hand genommen und die betreffenden Bilder gelöscht haben.
Teamgedanke steht für Löw über allem
Joachim Löw hat in seiner bereits mehr als neunjährigen Zeit als Chefcoach dem Teamgedanken und dem sozialen Verhalten immer einen hohen Stellenwert eingeräumt. Am deutlichsten hatte das bisher im Oktober 2008 Kevin Kuranyi zu spüren bekommen.
Als der beim WM-Qualifikationsspiel in Dortmund gegen Russland nur auf der Tribüne saß und zur Halbzeit ungenehmigt nach Hause fuhr, war Kuranyis DFB-Karriere beendet. Vor der WM 2014 rüffelte der Bundestrainer Kevin Großkreutz, nachdem sich der Dortmunder auf der DFB-Pokal-Feier des BVB daneben benommen hatte.
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Auf einen Ausschluss hatte Löw zwar verzichtet, nach dem WM-Titel in Brasilien aber spielte Großkreutz keine Rolle mehr. Im Fall Kruse informierte sich der Bundestrainer bei seinem Wolfsburger Kollegen Dieter Hecking.
Teammanager Oliver Bierhoff sprach mit VfL-Geschäftsführer Klaus Allofs. Die Suspendierung betrifft zunächst die beiden bevorstehenden "Klassiker" am Ostersamstag in Berlin gegen England und drei Tage später in München gegen die Squadra Azzurra, teilte der DFB mit.
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Kruses Rückkehr schon zur EM aber ist derzeit schwer vorstellbar. Der DFB-Chefcoach will nach dem Treffpunkt der nun noch 26 Spieler mit Neuling Jonathan Tah von Bayer Leverkusen am Dienstagmittag in Berlin den EM-Kandidaten nochmals erläutern, "was wir erwarten in den letzten zwei Monaten vor der Nominierung".
Auch deshalb hat er sich für einen ungewöhnlichen Mammutkader entschieden. "Es ist für den Bundestrainer die letzte Möglichkeit vor der Nominierung seines EM-Kaders, den einen oder anderen Spieler intensiv zu beobachten", sagte Teammanager Oliver Bierhoff.
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Fehlverhalten wie das von Kruse wird er in den verbleibenden Wochen bis zur EM-Endrunde vom 10. Juni bis 10. Juli in Frankreich nicht dulden, machte der Bundestrainer mit der Suspendierung klar. Sportlich wird die Vorbereitung auf den Fußball-Klassiker gegen England mit dem ersten nichtöffentlichen Training am Dienstagnachmittag beginnen.
Löw wird die Belastung vor dem Anpfiff am Samstag (20.45 Uhr) im Olympiastadion dosieren. Denn viele der Spieler haben mit ihren Clubs anstrengende Wochen hinter sich. "Die Nationalspieler bekommen auch die Möglichkeit, durch einen Tapetenwechsel zu regenerieren", sagte Dortmunds Trainer Thomas Tuchel nach dem 3:1-Sieg des BVB in Augsburg.
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Dortmunder Stars wie Marco Reus oder Mats Hummels wirken überspielt und auch mental müde. "Die Spieler, die international bei den Spitzenklubs im Einsatz sind, werden noch zusätzlich gefordert. Darauf muss man als Bundestrainer auch immer ein Augenmerk legen", bemerkte Löw.
Problem wird größer, wenn Leistung nicht stimmt
Wolfsburgs Manager Klaus Allofs kritisierte das Verhalten des Angreifers energisch. "Wir haben von den Vorkommnissen erfahren, uns mit Max zusammengesetzt und mit ihm nochmal über die Gesamtsituation gesprochen. Dabei haben wir ihm klar gemacht, welches Auftreten wir in der Öffentlichkeit von unseren Spielern erwarten", sagte Allofs.
Der Manager wies gegenüber der "Bild"-Zeitung darauf hin, dass das Problem größer werde, wenn auch die Leistung nicht stimme. Das war bei Kruse am Samstag beim 1:1 gegen Darmstadt 98 erneut der Fall.
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Nach der Suspendierung vom Nationalteam wird die Luft für Angreifer Max Kruse auch in Wolfsburg dünner. "Vor dem Aus steht er unmittelbar nicht, aber er steht natürlich absolut auf dem Prüfstand", sagte Allofs am Montag.
"Irgendwann geraten wir in ein Fahrwasser, in dem es keine Grauzonen mehr gibt. Dann gibt es nur noch schwarz und weiß. Wir erwarten ganz klar, dass er einsieht, welche Fehler er gemacht hat. Er muss sich professioneller verhalten."
Allofs attestierte seinem Angreifer, von "einem Fettnäpfchen ins nächste" zu geraten: "Er deutet die Warnsignale einfach nicht richtig. Da muss es ein grundlegenden Wandel in seiner Wahrnehmung geben und in der Art und Weise, wie er seinen Beruf ausübt."