Löw unterschreibt und sitzt dann in der Titel-Falle
Nach der Rückkehr aus Schweden werden Joachim Löw und seine engsten Mitarbeiter in Kürze eine neuen Vertrag beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) unterschreiben. Sollte der 53-Jährige aber in Brasilien erneut den Titel verpassen, sind alle Unterschriften Makulatur.
Stockholm – Donnerstag oder Freitag werden sich Bundestrainer Joachim Löw, sein Berater Harun Arslan auf der einen und DFB-Präsident Wolfgang Niersbach und Verbands-Generalsekretär Helmut Sandrock auf der anderen Seite wieder an einen Tisch setzen. In der DFB-Zentrale in Frankfurt/Main werden dann die letzten Details geklärt, ehe Löw und seine Arbeitgeber den neuen Vertrag bis 2016 unterschreiben. Doch mit dieser Unterschrift sitzt Löw, seit 2006 Cheftrainer der Nationalmannschaft, in der Titelfalle.
Denn alles andere als der vierte WM-Titel wäre in Brasilien aus deutscher Sicht eine mittlere Katastrophe, auch wenn dies öffentlich keiner der Verantwortlichen beim Verband einräumen will. Löw selbst weiß aber genau, dass er bei seinem vierten Turnier als Chefcoach nur an einem Titel gemessen wird, nachdem die DFB-Auswahl unter seiner Regie bislang immer bei dem Vorhaben, den ersten großen Titel seit 1996 zu gewinnen, gescheitert ist.
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"Wenn man so ausscheidet wie Holland bei der letzten EM und nach der Vorrunde ohne Sieg nach Hause fährt, dann sind wir uns wohl alle im Klaren darüber, dass es dann eine Veränderung geben muss – von meiner Seite aus oder von Verbandsseite. Da sind wir nicht blauäugig", sagte der Bundestrainer mit Blick auf der WM-Turnier am Zuckerhut und die möglichen Folgen bei einem frühzeitigen Scheitern in Brasilien: "Aber an solche Dinge denke ich derzeit nicht."
Zudem hänge ein "erfolgreiches Abschneiden nicht nur vom Ergebnis ab. Sondern auch davon, wie man gespielt hat und wie das Verhältnis zur Mannschaft ist", sagt der Bundestrainer und baut für ein mögliches Aus in der K.o.-Runde schon einmal vor.
Sollte er aber vielleicht, denn selbst bei einem unglücklichen Aus im Halbfinale oder Finale bei seinem vierten Turnier als Chefcoach würde ihm der Makel des ewigen Zweiten, Dritten oder Vierten anhaften. Bei der EM 2008 wurde die Finalteilnahme nach einem äußerst holprigen Turnierverlauf noch als Erfolg gewertet, auch wenn Spanien im Finale der deutschen Mannschaft beim 1:0 die Grenzen aufzeigte.
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Bei der WM 2010 in Südafrika stürmte Deutschland mit berauschenden Siegen gegen England (4:1) und Argentinien (4:0) ins Halbfinale, schied dann aber nach einer mutlosen Vorstellung ebenfalls mit 0:1 aus. Und im vergangenen Jahr bedeutete Italien (1:2) bei der EM 2012 in Polen und der Ukraine Endstation, als man den Azzurri fast kampflos das Feld überließ.
Anschließend sah es ein paar Wochen so aus, als würde sich Löw von diesem K.o. nicht mehr erholen und hinschmeißen, ehe er dann doch verkündete, mit neuem Eland in die Mission WM-Titel 2014 zu starten. Nachdem die Qualifikation unter dem Strich souverän geschafft wurde, steht Löw nun an der Copacabana erneut vor einer riesigen Hürde. "Die Verantwortung und der Druck sind bei großen Turnieren immer gleich. Wenn Deutschland in ein Turnier geht, will man immer den maximalen Erfolg", betonte Löw, der am 15. November in Mailand gegen Italien zum 100. Mal als Chef auf der deutschen Bank sitzt.
Der 53-Jährige weist zwar von den bisherigen zehn Trainern/Teamchefs, die seit 1908 die deutsche Nationalmannschaft betreuten, zwar den mit Abstand besten Punkteschnitt auf, aber er ist eben noch ohne Titel. Und da sind ihm in den Fußball-Geschichtsbüchern Sepp Herberger (Weltmeister 1954), Helmut Schön (Europameister 1972/Weltmeister 1974), Jupp Derwall (Europameister 1980), Franz Beckenbauer (Weltmeister 1990) und Berti Vogts (Europameister 1996) den entscheidenden Schritt voraus.
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Das Dilemma wäre für Löw aber auch im Fall eines WM-Titelgewinns 2014. Denn dann müsste er überlegen, ob er zu seinem zehnjährigen Dienstjubiläum beim DFB auf dem absoluten Höhepunkt seiner Karriere mit der goldenen Generation um Philipp Lahm seinen Hut nimmt und als Weltmeister freiwillig abdankt. Für beide Fälle soll in dem neuen Vertrag Vorsorge getragen werden. So soll Löw ein vorzeitiger Abschied als Bundestrainer mit einer stattlichen Abfindung versüßt werden.
Zunächst einmal muss die Tinte unter das neue Arbeitspapier, das dann bis zur EM-Endrunde 2016 in Frankreich gilt. "Wir werden uns in Bälde zu den spannenden Personalien klar äußern", kündigte DFB-Boss Wolfgang Niersbach an. Sein Generalsekretär Helmut Sandrock sagte dem SID, dass spätestens bis zum Verbandstag am 24./25. Oktober in Nürnberg alle Personalfragen geklärt sein werden. Alle aktuellen Verträge der Nationalmannschafts-Führung laufen mit WM-Ende 2014 aus.
Ebenso wie Löw, der 2006 seinen ehemaligen Chef Jürgen Klinsmann als Bundestrainer beerbt hat, sollen auch Torwart-Trainer Andreas Köpke (51) und Teammanager Oliver Bierhoff (45) bis 2016 verlängern. Löws bisheriger Co-Trainer Hansi Flick (48) wird mit ziemlicher Sicherheit im Anschluss an die WM neuer Sportdirektor des DFB, sodass sich Löw einen neuen Assistenten suchen muss.