"Das hilft der Mannschaft": DFB-Team findet spät die Lücke, dann explodiert das Stadion
Frankfurt - Dortmund oder Berlin? Siegesserie oder Mini-Rückschlag? Welchen Weg, geographisch und psychologisch, würde die deutsche Nationalmannschaft bei dieser EM gehen in den nächsten Tagen und evtl. Wochen? Die Antwort nach dem Sonntagabend im Frankfurter Stadion mit dem späten Ausgleichstreffer zum 1:1 durch Joker Niclas Füllkrug gegen die Schweiz lautet: Dortmund, Samstag, 21 Uhr, der Gegner wird der Zweite der Gruppe C. Von England bis Dänemark, Slowenien und Serbien ist noch alles möglich - am Dienstagabend weiß man mehr.
Erst alles Käse, dann Erlösung: "Das hilft der Mannschaft"
Schottland, Ungarn, Schweiz - die Klasse der Gegner nahm Spiel für Spiel zu. Und so musste sich auch das DFB-Team steigern, was zunächst nicht gelang. Die Schweizer verteidigten leidenschaftlich, konterten geschickt und hatten das Glück bei VAR-Entscheidungen auf ihrer Seite. Alles Käse für Nagelsmann & Co. - bis dann in der zweiten Minute der Nachspielzeit Füllkrug nach Flanke des ebenfalls eingewechselten David Raum einköpfte. Erste Pleite abgewendet, ein erlösender Treffer, Gruppensieger.
Passt für Mittelfeld-Boss Toni Kroos: "Erstmal sind wir glücklich, dass wir es geschafft haben. Wir haben zum wiederholten Mal gezeigt, dass wir mit einem Rückstand umgehen können, dass wir an uns glauben bis zu Ende. Das hilft der Mannschaft."
Keine Veränderungen im DFB-Team um "Stabilität und Rhythmus zu gewinnen"
Die Sorgen im deutschen Lager, was den "sehr schmierigen und weichen Rasen" (O-Ton Nagelsmann am Samstag) betrifft, bestätigten sich. Der Rasen "sieht von außen schöner aus, als er ist, er ist nicht angewachsen", sagte der Bundestrainer nach eigener Begutachtung kurz vor dem Anpfiff und erklärte: "Du hast keinen Halt auf dem Platz. Bei schweren Spielern ist es, als wenn man im Winter mit Sommerreifen fährt - das ist auch nicht so gut für die Unfallprophylaxe."
Der Elferbob Deutschland I startete mit derselben Besatzung wie in den ersten beiden Durchgängen - pardon: Spielen. Dabei machte es Nagelsmann Rudi Völler nach. Wie letztmals sein aktueller Vorgesetzter als Sportdirektor bei der WM 2002 in Japan & Südkorea schickte der Bundestrainer auch im dritten Gruppenspiel dieselbe Startelf ins Rennen. Keine Rücksicht auf eventuelle Sperren - die bereits einmal verwarnten Innenverteidiger Rüdiger und Tah sowie Linksverteidiger Mittelstädt und Sechser Andrich mussten mit ihrer Bürde selbst klarkommen. "Wir haben mit der ersten Elf jetzt nicht unzählig viele Spiele in den Knochen", erklärte Nagelsmann seine Auswahl, "es geht darum Stabilität und Rhythmus zu gewinnen." Im Achtelfinale nicht. Jonathan Tah sah eine unnötige Gelbe Karte, ist gesperrt.
Erst eigenes Tor nicht anerkannt, dann Gegentor geschluckt
Die Auswahl "Never change a winning team" tat sich schwer, kam nicht recht in die Gänge. Und dennoch war plötzlich der Ball drin, weil Ex-Bayern-Torwart Yann Sommer den Weitschuss von Robert Andrich falsch eingeschätzt hatte. Sommer schickte dann ein Stoßgebet zum VAR, der Schiedsrichter Daniele Orsato zum Bildschirm an der Seitenlinie schickte. Der Italiener wertete das vorherige Einsteigen von Jamal Musiala gegen Michel Aebischer im Schweizer Strafraum als Foul (17.).
Die flinken und aggressiven Angreifer der Gäste stellte das Heimteam vor Aufgaben, die sie in der 28. Minute nicht mehr lösen konnten. Nach Flanke von Freuler - sowohl Kimmich als auch Rüdiger verteidigten nicht konsequent - drückte Ndoye den Ball wuchtig in Neuers kurzes Eck - das 0:1. Erster Rückstand bei dieser EM, der erste Härtetest.
Schon wieder Füllkrug! Der Joker kommt, sieht und trifft
Fehlte die (An-) Spannung, der unbedingte (Sieges-)Wille? Das Gewinnenmüssen? Zur Halbzeit wechselte Nagelsmann nicht, er zog seine Linie des Vertrauens durch. Dafür war mehr Engagement und Zielstrebigkeit im Angriffsspiel des DFB-Teams.
David Raum ersetzte Mittelstädt, Nico Schlotterbeck kam für den Rot-gefährdeten Tah (beide 61.) und später Maximilian Beier den vorbelasteten Andrich (65.).
Nagelsmanns letzte Joker (Niclas Füllkrug und Leroy Sané) hätte man früher als ab der 76. Minute erwartet. Im hitzigen und leidenschaftlichen Spiel glich das DFB-Team dann doch noch aus, fand die "Lücke" (Füllkrugs Spitzname). Das Stadion explodierte förmlich, was für ein Energieschub. Wie weit trägt dieser Füllkrug-Moment?