Ein Gigant im Selbstzerstörungsmodus und iberische Topfavoriten – der AZ-Check vor den Gruppenfinals
München/Herzogenaurach - Gut zehn Tage dauert diese EM schon. Müsste man ein Bild des Turniers zeichnen, wäre es ein Spieler in einem weiß-roten Trikot, halb Deutsch, halb Spanisch, der seinen Treffer vor einem Fanblock feiert, in dem die Anhänger orangefarbene Kilts tragen. Dudelsack und Dödelpack. selbst ist der Mann, der Trend geht zum völkerverbindenden Eigentor.
Mit zwei Siegen und 7:1-Toren nagelsmannte sich das DFB-Team schon vor dem dritten Gruppenspiel gegen die Schweiz vorzeitig ins Achtelfinale und in den Kreis der Top-Favoriten. Nein, kein Märchen. Ist ja auch noch (kein richtiger) Sommer.
Jede Nation hat nun zwei Partien bestritten, laut Waldemar Hartmann trennt sich jetzt langsam die Spreu vom Weizen. Wie haben die Favoriten bisher abgeschnitten? Haben sie Ihr wahres Gesicht bereits gezeigt (Frankreich zum Beispiel) oder haben sie eins auf die Nase bekommen (Frankreichs Superstar Kylian Mbappé)? Der AZ-Check nach Kategorien:
Spanien und Portugal bei der EM 2024 in Topform
Überragend: Die Spanier besiegten Kroatien, den ewigen Geheimfavoriten (pssst!), mit 3:0 und Titelverteidiger Italien mit 1:0. Rodri von Manchester City bestimmt im Mittelfeld den Takt, auf den Flügeln wirbeln Lamine Yamal (16) und Nico Williams (21). Die Spanier wirken stabil und sind nach ihrem Titel-Triple (2008 EM, 2010 WM, 2012 EM) wieder hungrig auf Trophäen.
Überzeugend: Die Portugiesen erzwangen mit ihren AH-Kicker Cristiano Ronaldo (39/der spielt jetzt vor dem Tor ab?!) und Pepe (mit 41 Jahren nun der älteste Spieler der EM-Geschichte) erst das 2:1 gegen Tschechien, dann das formschöne Eigentor der Türkei beim 3:0. Mit zwei Erfolgen ist das Team (Bayerns ewiger Wunschkicker Joao Palhinha spielte bisher 45 Minuten) als unberechenbarer Faktor ein Halbfinal-Kandidat.
Frankreich und Itlaien taumeln durch die EURO 2024
Noch mau und ohne Durchblick: Die Franzosen retteten sich gegen Österreich dank eines Eigentores mit 1:0 über die Drei-Punkte-Ziellinie. Darauf folgte ein strategisches 0:0 gegen Holland. Heißt: Noch kein selbst erzieltes Tor von Les Bleus. Am Dienstag gegen die bereits ausgeschiedenen Polen will Mbappé, die (gebrochene) Nase der Grande Nation und damit Nachfolger von Gérard Depardieu, mit Maske treffen. Um endlich in Torlaune zu kommen?
Limitiert oder abwartend: Der Titelverteidiger spielt zynischen Turnierfußball wie man das kennt von den Azzurri - nur nicht höher springen als man muss. Ein Punkt gegen die Kroaten wird fürs Achtelfinale reichen. Folgt danach die Explosion oder ist mit der neuen Generation ohne die Supernasen-Türsteher Chiellini/Bonucci einfach nicht mehr drin als das Achtelfinale?
England nicht wiederzuerkennen - Achtung vor Belgien und Niederlande
Im Selbstzerstörungsmodus: Bayerns Harry Kane, Champions-League-Sieger Jude Bellingham von Real Madrid und Phil Foden von Manchester City, Königsklassen-Champion 2023 - was für eine Offensivwucht. Doch nicht mit Trainer Gareth Southgate, der seine Stars verteidigen lässt. Nach dem mutlosen 1:1 gegen Dänemark brach ein medialer Sturm der Entrüstung auf der Insel los. Mehr als das Viertelfinale und die anschließende Entlassung von Southgate scheint nicht möglich.
Wieder in der Spur: Erst der 0:1-Schock gegen die Slowakei, danach die überzeugende Reaktion gegen Rumänien (2:0) - die Belgier, ewiger Geheimfavorit (siehe Kroatien), haben mit ihren Sturm-Schrank Romelu Lukaku den besten Retro-Stürmer des Turniers. Ohne VAR (drei erzielte Tore aberkannt) wäre er der Star. Dumm gelaufen, meist ins Abseits. Dennoch: Halbfinal-Kandidat!
Unattraktiv, aber effektiv: Ein 2:1 kurz vor Schluss gegen Polen, ein achtbares, aber langweiliges 0:0 gegen Frankreich. Die Niederländer haben die beste Stimmung, aber auf dem Platz läuft es nicht rund, weder nach links noch nach rechts. Doch in der K.o.-Runde, laut Louis van Gaal die Tod-oder-Gladiolen-Zeit, könnten Xavi Simons, an dem Bayern stark interessiert ist, und Memphis Depay (am Björn-Borg-Stirnband zu erkennen) durchstarten. Bis ins Halbfinale?