Confed Cup: So erfindet sich Bundestrainer Joachim Löw in Russland neu
Joachim Löw hat sich mit seinem jungen Kader für den Confed Cup selbst den größten Gefallen getan. Der Bundestrainer, der in sein zwölftes Amtsjahr geht, hat sich mal wieder neu erfunden.
Sotschi - Wie sehr Joachim Löw seinem Status als reiner Fußballlehrer entwachsen ist, lässt sich dieser Tage wieder gut beobachten. Medien und Netzgemeinde diskutieren nicht nur über Aufstellung und Taktik des Bundestrainers für das Auftaktspiel beim Confed Cup am Montag (17 Uhr MESZ/ZDF) gegen Australien, sondern auch über dessen neuen Anzug.
Zwischenfazit: Irgendwas zwischen "Vollkatastrophe" und "nahe an der Perfektion". Löws dunkler Turnieranzug mit Krawatte und blauem Hemd ist ein Klassiker mit modernem Anstrich - er passt somit recht gut zu dem Mann, der in Russland in sein zwölftes Amtsjahr geht.
Löw hat sich, das darf schon vor dem Start der Mini-WM behauptet werden, mal wieder neu erfunden. Sein Perspektivkader mit vielen jungen, hungrigen Spielern, die auf ein von einigen Experten verteufeltes Turnier brennen - "das tut Jogi gut", sagt Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff im Kicker, "das macht ihm Freude und ist Stimulanz für ihn".
Seit dem WM-Triumph 2014 in Rio leitete Löw fertige Weltmeister an; eine Mannschaft, die alles erreicht hatte mit Spielern, von denen viele auf ihrem Zenit waren. Löw war eher als Verwalter gefragt denn als Coach. Jetzt "müssen wir wieder schauen, dass wir innerhalb von kurzer Zeit eine gewisse Harmonie herstellen, dass wir zurückgehen zu Grundlegendem, dass die Spieler unsere Philosophie verinnerlichen. Das finde ich auch mal wieder spannend."
16 seiner 21 Spieler in Russland sind 25 oder jünger. Die Arbeit mit diesem entwicklungsfähigen Kader halte ihn "frisch", sagt Löw, und das ist im Training spürbar. Löw eröffnet es meist mit einer kurzen Ansprache, in der er das Grundthema der Einheit darlegt.
"Wieder hungrig"
Nach dem Aufwärmen coacht er engagiert, macht von seiner schwarzen Trillerpfeife Gebrauch, wenn er Bedarf sieht, führt Gespräche. Der Bundestrainer habe wieder das Gefühl, dass er "etwas verändern kann", sagt Bierhoff. Löw (57) fühlt sich an die WM 2010 erinnert, als er seine Mannschaft nach dem Ausfall von Kapitän Michael Ballack um die U21-Europameister von 2009 fußballerisch, vor allem aber hierarchisch neu aufstellte.
Damals begab er sich mit seinen Spielern auf einen Weg, der vier Jahre später im Maracana auf dem Gipfel endete. Jetzt, sagt Löw, gehe es darum, dass seine Weltmeister "wieder hungrig" werden - auch mittels einer "Blutauffrischung", für die Löw den Confed Cup nutzen möchte.
Spielerisch, betont er, sei die Messlatte "die absolute Weltklasse, Messi und Ronaldo". Dort seien seine hoch veranlagten Nachwuchskräfte "noch lange nicht" angelangt. Doch beim Casting für die WM 2018 beobachtet er seine Kandidaten auch abseits des Rasens, sucht nach Typen.
Es sei "spannend und schön zu beobachten, wer von den Jungen Führungsaufgaben übernimmt", sagt er. Die Neuen begegnen ihm dabei mit dem Respekt, der dem "Weltmeister-Trainer" gebührt. Löw habe ihn "echt beeindruckt", sagt Stürmer Sandro Wagner, mit 29 Jahren ältester Spieler im Kader. Wenn Löw den Saal betrete, fülle er diesen mit seiner Aura, seiner Persönlichkeit sofort aus. "Ich mag sowas gerne", sagt Wagner, "das hat man ja nicht so oft."