EM-Start in Polen: Deutsche U21 will siegen wie die Weltmeister
Jetzt erst recht: Die deutsche U21 peilt trotz fehlender Stammspieler den EM-Titel an. Als Vorbild für Serge Gnabry, Davie Selke und Co. dient die Mannschaft von 2009.
Krakau - Der EM-Auftrag der deutschen U21 ist in der Lobby des Hotels Turowka nicht zu übersehen. "Schreibt Geschichte. Eure eigene Geschichte", steht in großen Buchstaben auf dem grünen Teppich, über den die Mannschaft von Trainer Stefan Kuntz täglich schlendert.
Von dort sind es nur wenige Schritte bis zum blauen Teambus, auf dem ein weiterer markiger Spruch zu lesen ist: "Stars von heute, Superstars von morgen." Keine Frage: Die deutsche U21 hat bei der am Freitag beginnenden EM in Polen Großes vor. "Gewinnen. Wir wollen jedes Spiel gewinnen", sagt Kuntz, wenn er nach seinem Ziel gefragt wird.
Zwar seien auch Spanien und Italien "mit voller Kapelle" angereist, aber das DFB-Team gehört nach zehn Siegen in zehn Qualifikationsspielen zweifellos zu den Favoriten. Der erste Beweis soll am Sonntag (18 Uhr/ZDF) in Tychy gegen Tschechien folgen.
"Kein Kinderturnier"
Als großes Vorbild dient dabei die "Klasse von 2009", die vor acht Jahren den bis heute einzigen EM-Titel einer deutschen U21 holte. Sechs Spieler aus jenem Team wurden später in Brasilien Weltmeister: Manuel Neuer, Jerome Boateng, Benedikt Höwedes, Mats Hummels, Sami Khedira und Mesut Özil.
"Klar sprechen wir in der Mannschaft über die. Sie haben Historisches geleistet, das ist Ansporn genug", sagt Davie Selke. Seit jenem Triumph in Schweden ist der Stellenwert der U21-EM rapide gestiegen, DFB-Präsident Reinhard Grindel sprach zuletzt sogar vom "wichtigeren Turnier" des Sommers im Vergleich zum Confed Cup.
Entsprechend motiviert ist die Mannschaft. "Wenn man bei der U21 den Titel holt, ist das schon aussagekräftig. Das ist kein Kinderturnier, das ist ein Männerturnier", sagt Selke, der 2014 schon einmal mit der U19 Europameister wurde. Die Chancen auf den Titel könnten allerdings noch besser stehen.
Zwar liest sich das Aufgebot mit gestandenen Bundesliga-Profis wie Max Meyer (FC Schalke 04), Maximilian Arnold (VfL Wolfsburg) oder den künftigen Dortmundern Mahmoud Dahoud (Borussia Mönchengladbach) und Maximilian Philipp (SC Freiburg) noch immer ausgesprochen gut, einige prominente Namen fehlen aber.
Allein im deutschen Confed-Cup-Aufgebot stehen acht Spieler, die in Polen hätten auflaufen dürfen, darunter Joshua Kimmich, Julian Brandt, Matthias Ginter und Leon Goretzka. Kuntz spricht von einer "Herausforderung", wenn wichtige Stützen, die man "als Hauptpuzzleteil gesehen hat, plötzlich in einem anderen Puzzle spielen".
Renato Sanches für Portugal
Personell gibt es nach dem Ausfall von Jonathan Tah immerhin wieder bergauf: Mittelfeldspieler Meyer pausiert in Polen zwar weiter wegen einer Sommergrippe, soll am Sonntag aber wie auch der zuletzt angeschlagene Abwehrspieler Niklas Stark (Hertha BSC) zur Verfügung stehen.
Einfach wird es dennoch nicht, zumal andere EM-Teilnehmer anders als Kuntz aus dem Vollen schöpfen können. In Polen mit dabei sind unter anderem Portugals Jungstar Renato Sanches vom FC Bayern, der auf einen Marktwert von 40 Millionen Euro taxierte Spanier Saul Niguez von Atletico Madrid oder Italiens Torhüter-Wunderkind Gianluigi Donnarumma vom AC Mailand.
"Trotzdem wollen wir jedes Spiel gewinnen", sagt Kuntz. Horst Hrubesch jedenfalls, der "Vater" der Klasse von 2009 und derzeitige DFB-Sportdirektor, hält einen ähnlichen Coup wie vor acht Jahren für möglich. "Die Mannschaft hat wirklich eine Chance, sie ist in allen Bereichen gut aufgestellt", sagt der 66-Jährige. "Typen wie 2009", so Hrubesch, seien jedenfalls im Team dabei.
U21 besucht Auschwitz
Am Donnerstag beuschte die deutsche U21-Nationalmannschaft das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Das Team mit DFB-Trainer Stefan Kuntz an der Spitze legte in Gedenken an die Opfer des Holocausts an Block 11 einen Kranz und Blumen nieder. Am früheren Krematorium in Birkenau hielten die Spieler zudem eine Schweigeminute ab.
"Bei dem Besuch sind ganz viele Gefühle hochgekommen. Unverständnis, Mitleid, Wut - alles, was so im Körper drin ist. Die Führung war unwahrscheinlich informativ. Wichtig ist, dass man auf keinen Fall vergisst, was da passiert ist", sagte Kuntz.
In einem von allen Spielern unterschriebenen Eintrag im Besucherbuch der Gedenkstätte ist von der "Fassungslosigkeit über das Grauen, das Menschen hier anderen Menschen angetan haben", die Rede. Weiter heißt es: "Aus der Geschichte entstehen Verantwortung und Verpflichtung, sich für Toleranz, Respekt, Offenheit und Menschlichkeit einzusetzen. Heute, morgen, übermorgen. Für immer. Auf dem Platz und überall."
Die deutsche U21 wohnt während der EM im nur 80 Kilometer entfernten Wieliczka, der Besuch in Auschwitz war fest eingeplant. Der Präsident des Zentralrats der Juden hatte den Besuch zuvor als "wichtige Geste der Versöhnung" bezeichnet.
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