Titeltaufe für Nagelsmann: So ausgelassen feierte der FC Bayern
München - Um kurz vor halb drei Uhr morgens war Schluss mit lustig für Julian Nagelsmann.
Nagelsmann: Müde, aber happy
Während es für einige Spieler, Trainer, Verantwortliche samt Anhang noch lange weiterging im "Rocca Riviera", einem zweistöckigen Nobel-Restaurant in der Maxvorstadt, verließ der Bayern-Trainer seine erste Meisterparty - müde, aber happy.
Drei Stunden hatte der 34-Jährige seinen Premieren-Titel im Profibereich im eigens von den Bayern angemieteten ersten Stock des Restaurants gefeiert, zur Begrüßung bekam er draußen vor der Tür kräftige Schulterklopfer von Präsident Herbert Hainer und dazu noch ein Bierchen in die Hand - zum Trinken.

Feiner Zwirn für die Feier
Endlich Abkühlung von innen. Die Klamotten, Nagelsmann hatte die Abteilung feiner Zwirn ausgepackt, blieben diesmal trocken. Nachdem die Münchner am frühen Abend den Titel-Matchball mit dem 3:1 gegen Borussia Dortmund verwandelt hatten, begann die Feier zum zehnten Coup hintereinander vor den eigenen Fans noch auf dem Rasen.
Müller: Rekordmeister der Rekordmeister
Mit ein paar Meisterschalen aus Pappe, den schwarzen Meistershirts und der nasskalten, klebrigen Tradition. Die Jagd mit den riesigen Weißbier-Humpen begann. Die Frage, wer wen duscht, ist ja im letzten Jahrzehnt spannender geworden als die Frage, an welchem Spieltag der FC Bayern die Meister-Ziellinie überquert. Während es für Thomas Müller der elfte Titelgewinn (siehe S. 19) ist und der 32-Jährige sich nun Deutschlands Rekordmeister der Rekordmeister nennen darf, war es für Nagelsmann am Ende seiner ersten Saison in München eine Premiere.
Schale Nummer eins für Nagelsmann
Schale Nummer eins heißt Bierdusche Nummer eins. Die Titel-Taufe erhielt er vom Franzosen Benjamin Pavard. "Benji hat den Schalk im Nacken", meinte Nagelsmann, "damit war zu rechnen, dass er einer der ersten sein würde." Später legte Sportvorstand Hasan Salihamidzic nach. Im üblichen Spielchen jeder gegen jeden bekam Frischling Nagelsmann am meisten ab.

"Feucht und kalt" ist die Boxershort
Eine Stunde später erschien er mit den Worten "Ist das kalt, ey" im Pressesaal und berichtete, dass "meine Boxershort feucht und kalt ist". Da klebte ein Trainer auf seinem Stuhl. Im ersten von fünf Jahren seines im Sommer 2021 unterschriebenen Vertrages hat er die Welt des FC Bayern aber mal so richtig kennengelernt. Vor allem die Welle der Kritik und die vereinseigene Dynamik nach Pleiten wie dem viel zu frühen Aus im DFB-Pokal bei Borussia Mönchengladbach (0:5 in der zweiten Runde) und dem zu frühen und völlig unerwarteten Ausscheiden im Viertelfinale der Champions League gegen den spanischen Underdog FC Villarreal.
Erste Meisterschaft zu Verdauen
Nun muss er all das Erlebte erst einmal verdauen. Die Reflexion hat längst begonnen. Die Meisterschaft - für andere Vereine das Nonplusultra, jedoch an der Säbener Straße als Mindestziel eingestuft - würde die Saison "in ein besseres Licht rücken", so der zweitjüngste Meistertrainer der Liga-Historie nach Matthias Sammer (2002 mit dem BVB).

Last von den Schultern gekracht
Man merkte Nagelsmann an, wie viel Last von seinen jungen Schultern krachte. Es sei "ein bedeutender Moment". Er gestand: "Es war nicht einfach. Es ist viel passiert. Ich bin immer noch zarte 34, es ging alles sehr schnell. Es gab einige Nackenschläge, die für mich als Ehrgeizling nicht so leicht waren."
Ausblick: Druck wird noch größer
Die Einsicht verband er mit einem Ausblick. Er wisse, "dass der Druck im nächsten Jahr noch einen Tick größer wird. Wir müssen Dinge besser machen, um den elften Titel zu holen und auch in den anderen Wettbewerben weiterzukommen". Ab Montag heißt es: Nach der Schale ist vor der Schale. Die (Titel-)Gier müsse beibehalten werden, um "neue Rekorde sammeln zu können", wie er ergänzte.
Meisternacht: Gin Tonic ohne Gurke
In der Meisternacht gönnte er sich einen Gin Tonic, "weil das aussieht wie Wasser", meinte er schmunzelnd: "Natürlich nehme ich vorher die Gurke raus. Denn wer trinkt schon Wasser mit Gurke?"