Interview

Ex-Bundesliga-Star: Bayern? "Die neuen Ideen im Fußball sprudeln gerade woanders"

Thomas Broich spricht über die Unterschiede zwischen Bayer Leverkusen und dem FC Bayern, entscheidende Duelle im Topspiel sowie überraschende Taktiken.
Krischan Kaufmann
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Jeremie Frimpong (r.) im Duell mit Leroy Sané - den Leverkusener Wirbelwind müssen die Bayern laut Broich in den Griff bekommen.
Jeremie Frimpong (r.) im Duell mit Leroy Sané - den Leverkusener Wirbelwind müssen die Bayern laut Broich in den Griff bekommen. © IMAGO/Ulmer/Teamfoto

AZ-Interview mit Thomas Broich: Der 43-jährige Münchner spielte unter anderem für Mönchengladbach, Köln und Nürnberg und ist seit Jahren als TV-Experte aktiv.

Thomas Broich
Thomas Broich © IMAGO/Sportfoto Rudel

AZ: Herr Broich, beim letzten Spitzenspiel der laufenden Saison, dem 3:0-Erfolg des FC Bayern gegen den VfB Stuttgart, überraschte Thomas Tuchel seinen Kollegen Sebastian Hoeneß und dessen Team mit einer ungewöhnlichen, aber dafür umso erfolgreicheren Kontertaktik. Erwarten Sie die Münchner beim spielstarken Tabellenführer Bayer Leverkusen mit einer ähnlichen Ausrichtung?
THOMAS BROICH: Damit hat damals wirklich keiner gerechnet. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Bayern diese Taktik zumindest situativ auch in Leverkusen wieder anwenden werden, weil Bayer eine Mannschaft ist, die den Ball haben will - und phasenweise auch haben wird. Es ist eigentlich nur eine Frage des Grades der Leverkusener Dominanz.

Dabei ist Dominanz ja eigentlich eine ureigene Spezialität des FC Bayern...
Ja, man darf auch nicht vergessen, dass die Bayern im Hinspiel (2:2, d. Red.) echt gut waren, vor allem auf der Energie- und individuellen Ebene. Eigentlich sind in dieser Partie alle sämtliche Spielarten denkbar. Dass Bayern den Ball abschenkt, kann ich mir nicht vorstellen. Aber das Leverkusen den Anspruch hat, gerade zuhause und bei dieser Form das eigene Spiel durchzudrücken - das wollen sie nun nicht mehr verhehlen.

Dem FC Bayern fehlt aktuell die Überlegenheit früherer Jahre

Fürs Spektakel sind in der Bundesliga aktuell andere Klubs zuständig. Bayern unter Tuchel spielt dagegen stark ergebnisorientiert.
Bayern interpretiert den Fußball aktuell sicher ein wenig traditioneller, aber ergebnistechnisch und in Sachen Resilienz ist das ja trotzdem schwer in Ordnung, was sie gerade abliefern. Es stimmt aber, dass diese in der Vergangenheit wirklich oft maßlose Überlegenheit für den Moment nicht gegeben ist. Aktuell spielt Bayern eher so, wie es früher war, also sie haben den besten Kader und die besten Einzelspieler, aber das Avantgardistische wie unter Pep Guardiola und auch Hansi Flick ist jetzt weg. Im Prinzip fühlt es sich so an, als würde der "State-of-the-Art-Fußball" gerade in Stuttgart und Leverkusen und vor allem in der Premier League gespielt, während die Bayern sich eher zu einer Ergebnis-Maschine entwickeln. Die neuen Ideen im Fußball sprudeln gerade woanders. Wobei man auch betonen muss: Wenn Bayern den Gipfel am Samstag gewinnt, dann reden zwar alle darüber, wie modern Leverkusen spielt, - aber Bayern steht dann trotzdem wieder auf Platz eins.

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War diese Entwicklung unter Tuchel zu erwarten?
Jein, wer seine Zeit beim FC Chelsea noch im Kopf hat, kann schon Parallelen erkennen. Allerdings hatte ich mir schon gedacht, dass Bayern unter Tuchel viel dominanter spielen würde.

Broich: Wenn Leverkusen gegen Bayern gewinnt, holen sie sich den Titel

Was macht den Alonso-Fußball in dieser Saison so erfolgreich?
Leverkusen spielt megaoffensiv und auch ziemlich riskant, hat aber trotzdem nur 14 Gegentore. Die Mannschaft nutzt hervorragend die Räume zwischen den Mannschaftsteilen, sie locken den Gegner und dadurch entstehen für Spieler wie einen Florian Wirtz plötzlich Möglichkeiten, die er zu nutzen versteht. Das ganze Spiel wirkt absolut kontrolliert und am Ende fühlt es sich doch an wie ein Überfall. Bei Leverkusen ist die Struktur der Spielmacher, die haben gar keine Blaupause, ihre Angriffe, die wie gemalt aussehen, entwickeln sich organisch.

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Welche Duelle auf dem Platz werden am Samstag womöglich das Spiel entscheiden?
Schon auf dem linken Flügel Frimpong gegen Guerreiro, wenn er wirklich als Ersatz für Alphonso Davies spielen sollte. Frimpong ist so quirlig und antrittsschnell, er ist der Tiefenspieler auf seiner Seite. Und natürlich Wirtz gegen Musiala. Auch wenn sie wohl nicht direkt aufeinandertreffen, haben sie die gleiche Rolle für ihre Mannschaft. Es geht bei ihnen darum, wer von beiden das Spiel an sich zieht.

Kann diese Partie vorzeitig die Meisterschaft entscheiden?
Ein Unentschieden ist aktuell am wahrscheinlichsten. Aber wenn Leverkusen gewinnt, könnte es im Nachhinein schon entscheidend gewesen sein. Wenn das Bayer-Team merkt, dass sie Bayern sogar schlagen können, das macht etwas mit einer Mannschaft, dann lassen sie sich den Titel wohl nicht mehr nehmen.

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2 Kommentare
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  • Flansi Hick am 10.02.2024 00:21 Uhr / Bewertung:

    Broich war für mich immer schon der Beste und der Sympathischte unter den ganzen 'Experten'. Immer sachlich, keine Polemik, Analysen fair und auf den Punkt ! ...vielleicht könnten sich Didi, Loddar und der Rest der Bande mal ne Scheibe davon abschneiden !

  • muc_original_nicht_Plagiat! am 09.02.2024 23:02 Uhr / Bewertung:

    "(...) das Avantgardistische wie unter Pep Guardiola und auch Hansi Flick ist jetzt weg (...)"

    Ich halte sehr viel von Broich, aber hier glorifiziert er den Fußball unter Pep und Flick, und/oder verbindet den Fußball unter Flick zu sehr mit dem Trainer, denn:
    Unter Pep haben wir oft handball um den Strafraum herum gespielt, sah es aus, als wären Weitschüsse verboten .. mir hat dieser Fußball nicht gefallen .. und unter Flick hat sich die Mannschaft selbst gecoacht, auf dem Feld das gemacht, was gemeinsam zuvor im Mannschafts-Führungskreis besprochen wurde ... Flick hat seinen Teil dazu beigetragen, dass sich Individuen so wohl gefühlt haben, dass sich das auf das Mannschaftsgefüge und das Miteinander positiv aisgewirkt hat. Als Trainer, der taktische, spielerische- und Systemvorgaben gibt/einstudiert, ist Flick nicht in erster Linie aufgefallen. Er hatte andere hauptaufgaben und Kompetenzgebiete.
    Also: nicht glorifizieren, sondern bitte differenziert betrachten.

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