Michael Reschke: Klartext über Joshua Kimmich – Wen braucht der Star des FC Bayern jetzt
AZ: Herr Reschke, Bayer Leverkusen hat im Sommer sehr gute Transfers getätigt, unter anderem wurde Josip Stanisic vom FC Bayern, dem Gegner im Topspiel am Samstag, ausgeliehen. Eine sinnvolle Entscheidung?
MICHAEL RESCHKE: Absolut, Hut ab! Stanisic hat sich zuletzt gut entwickelt und auch von Beginn an gespielt. Sehr gutes Scouting hat in Leverkusen Tradition, der Kader hat dadurch auch eine sehr gute Tiefe: Mit Odilon Kossounou und Edmond Tapsoba sind zwei überragende Abwehrspieler wegen des Afrika-Cups wochenlang ausgefallen. In Leverkusen wird nicht gejammert, sondern es springen andere Spieler wie eben Stanisic ein und machen Ihren Job sehr gut. Wenn fünf Spieler ausfallen, spielen eben fünf andere. Einzig der Ausfall von Victor Boniface ist brutal, weil er für Bayer 04 ähnlich wichtig ist wie Harry Kane für die Bayern.
FC Bayern: Michael Reschke nimmt Joshua Kimmich in Schutz – "Wird zu negativ beurteilt"
Der FC Bayern hat seinen Kader im Winter verstärkt, unter anderem mit Sacha Boey von der Agentur Stellar, für die Sie als Head of International Football tätig sind. Was dürfen die Bayern-Fans von Boey erwarten?
Sacha Boey wird viel Energie reinbringen. Er ist leidenschaftlich und extrem hungrig, weil er noch keine Titelsammlung gewonnen hat. Er will sich in München beweisen und tiefe Spuren hinterlassen. Man darf nicht direkt Wunderdinge erwarten, aber Boey ist ein offensivstarker Spieler, der die rechte Seite hoch und runter marschiert. Sacha wird ein Spaßfaktor sein.
Das Sechser-Thema beschäftigt den FC Bayern schon die ganze Saison, nachdem Trainer Tuchel mehrmals eine "holding six" gefordert hat. Wie bewerten Sie die Perspektive für Joshua Kimmich, der noch einen Vertrag bis 2025 besitzt?
Mir wird Joshua Kimmich in den letzten 12 Monaten viel zu negativ beurteilt. Er spielt eine gute Saison. Meine Überzeugung – auch wenn er das nicht so gerne hört – ist die: Joshua ist am besten und wertvollsten auf der Achterposition, wenn er einen aggressiven Balleroberer an seiner Seite hat. Wenn er die holding six spielt, kann er seine offensiven Qualitäten, die ihn zu einem ganz besonderen Spieler machen, nicht komplett zur Geltung bringen. Deshalb kann ich Tuchel in dieser Frage verstehen. Jo einen Javi-Martínez-Typ an die Seite zu stellen, wäre ideal – für Bayern und für Jo, der dann wieder deutlicher zeigen würde, dass er ein internationaler Spitzenspieler ist.
Konkurrenzkampf beim FC Bayern: "Gefahr von zu viel Unzufriedenheit im Kader zu groß"
Aber wären es dann mit Kimmich, Leon Goretzka, Konrad Laimer, Aleks Pavlovic, Raphael Guerreiro und einem weiteren neuen Sechser nicht zu viele Mittelfeldspieler im Kader des FC Bayern?
Es wäre eine sehr herausfordernde Situation für die Kaderplaner der Bayern. Neben sportlichen Faktoren spielen da auch die wirtschaftlichen Faktoren eine große Rolle. Wenn ein Sechser kommt, müsste man fast zwangsläufig einen, vielleicht sogar zwei Achter abgeben. Sonst ist die Gefahr von zu viel Unzufriedenheit im Kader zu groß. Man könnte durch Verkäufe zudem wichtige Transfereinnahmen verbuchen und gleichzeitig Gehaltsvolumen freischaufeln.