Interview

Michael Ballack vergleicht Tuchel mit einem speziellen Trainer-Star: "Muss sich nicht alles gefallen lassen"

Der frühere Kapitän der Nationalmannschaft spricht in der AZ über das Topspiel zwischen seinen Ex-Klubs Bayer Leverkusen und dem FC Bayern und das Gewinnen-Müssen beim Rekordmeister.
Patrick Strasser |
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DAZN-Experte Michael Ballack (l.) sieht spielerisch bei den Bayern noch Luft nach oben.
DAZN-Experte Michael Ballack (l.) sieht spielerisch bei den Bayern noch Luft nach oben. © IMAGO / MIS

AZ-Interview mit Michael Ballack: Der 47-jährige frühere Kapitän der deutschen Nationalmannschaft hat in seiner Karriere für den FC Bayern (2002 - 2006) und Bayer Leverkusen (1999 - 2002 und 2010 - 2012) gespielt. Heute ist er Experte bei DAZN.

AZ: Herr Ballack, die Fußball-Fans elektrisiert das Topspiel diesen Samstag zwischen Tabellenführer Bayer Leverkusen und Meister FC Bayern. Mit wie viel Rückenwind geht Bayer nach dem spektakulären Last-Minute-3:2 im Viertelfinale des DFB-Pokals gegen den VfB Stuttgart in die Partie?
MICHAEL BALLACK: Erfolge pushen dich immer, nichts geht über Siege. Auch körperlich dürften die Leverkusener das gut weggesteckt haben, eine Verlängerung haben sie ja selbst noch abgewendet. Und wie schon zuvor in der Bundesliga in Augsburg und in Leipzig konnten sie einen späten Sieg errungen. Das heißt: Sie glauben an sich!

Wie stark ist dieses Bayer-Team mental, gerade im Vergleich zu früheren Mannschaften der Werkself, die vor und in großen Spielen gegen die Bayern die Flatter bekommen haben.
Es zeigt: Diese Mannschaft hat einen Lauf, wirkt gefestigt und unbeeindruckt. Das allerdings wichtige Spieler wie Edmond Tapsoba und Odilon Kossounou beim Afrika-Cup waren beziehungsweise sind und Torjäger Victor Boniface verletzt fehlt, merkt man schon. Trotzdem haben sie ihre Spiele gewonnen, zur spielerischen Klasse kommt jetzt dieses unbedingte Gewinnen-Wollen.

Ballack: Leverkusen "wird gegen die Bayern auf Sieg spielen"

Was doch immer das große Plus der Bayern war - und ist.
Das stimmt. Ich kenne das noch aus meiner Zeit in München: Niederlagen waren einfach nicht erlaubt. Wenn es mal passiert ist, kamen die Verantwortlichen, damals Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge, nach dem Spiel direkt in die Kabine und haben den Spielern vermittelt: Nochmal verlieren ist verboten! Dieses Gewinnen-Müssen hat man als Spieler dann verinnerlicht. Und das ist das, was eine absolute Spitzenmannschaft ausmacht: Wie geht man mit Niederlagen um?

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Xabi Alonso hat von 2014 an drei Jahre beim FC Bayern gespielt, davor fünf Jahre bei Real Madrid. Wenn einer das Sieger-Gen verinnerlicht hat, dann der heutige Bayer-Trainer.
Er strahlt das aus, absolut. Trotz des noch recht jungen Trainer-Alters mit seinen 42 Jahren besticht er durch ein Gesamtpaket als Cheftrainer. Neben dem inhaltlichen, was er vermittelt, kommt der Respekt, dem ihm die Spieler aufgrund seiner Karriere und Erfolge automatisch entgegenbringen. Dazu kommt: Er ist ein guter Typ, seine Kommunikation prima - nach innen und außen. Leverkusen ist stabil, strahlt eine gewisse Selbstverständlichkeit aus. Sie werden gegen die Bayern auf Sieg spielen.

Alonso "wäre er als Meistermacher ganz oben auf dem Wunschzettel vieler Top Klubs"

Um mit dem ersten Meistertitel der Vereinsgeschichte endlich den lästigen Spitznamen "Vizekusen" ablegen zu können? Sie waren in jener verhängnisvollen Saison 2001/02 mit der Vizemeisterschaft und den beiden verlorenen Endspielen in der Champions League und dem DFB-Pokal einer der Protagonisten.
Unter Trainer Klaus Toppmöller wollten wir auch alles gewinnen, wie schon 2000 unter Christoph Daum die Meisterschaft. Lucio hat damals gesagt: Die werden sich hier noch über zweite Plätze freuen. Durch die vielen gewonnenen Spiele ist in dieser Saison die Erwartungshaltung in Leverkusen gestiegen. In der Europa League steht man im Achtelfinale, im Pokal ist man nach dem Erfolg gegen Stuttgart nun der klare Favorit. Und die Chance auf die Meisterschaft wird wohl für lange Zeit nicht größer sein als in dieser Saison.

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Wenn es tatsächlich gelingt, wäre Alonso als Meistermacher trotz seines Vertrags bis 2026 kaum zu halten - zumal mindestens einer seiner drei Ex-Klubs Liverpool, Bayern und Real Madrid wohl schon diesen Sommer lockt.
Xabi Alonso hat bei Bayer Leverkusen alle Voraussetzungen, um erfolgreich zu arbeiten, aber natürlich wäre er als Meistermacher ganz oben auf dem Wunschzettel vieler Top Klubs.

Ballack: "Den wahren Tuchel-Fußball hat man noch nicht gesehen"

Ganz anders die Situation um Bayern-Trainer Thomas Tuchel. Die Spiele bieten wenig Spektakel, alles wirkt unrund, er selbst im Disput mit Sky-Experte Didi Hamann dünnhäutig.
Wenn du als Bayern-Trainer in der Liga nicht vorneweg marschierst, gerätst du unter Druck. Tuchel weiß das, kennt das von früheren Stationen wie Paris St.-Germain. Ich finde, dass er auf Kritik von außen - die ganz normal und legitim ist - souverän reagiert. Ich mag den Didi, seine Arbeit und seine kritische Sicht, aber man muss einem Trainer bei Bayern zugestehen, sich nicht alles gefallen zu lassen. Das ist sein gutes Recht. Außerdem kommt es bei der Mannschaft in der Kabine gut an, wenn die Spieler nach Attacken von außen registrieren: Der Trainer wehrt sich. Ich kenne das von José Mourinho, der oft bewusst polarisiert und Nebenkriegsschauplätze kreiert hat, um die Spieler zu entlasten. Was ich Tuchel hoch anrechne: Er ist in seinen Aussagen sehr klar, wirkt authentisch gegenüber den Medien.

Und der Fußball unter Tuchel?
Das sind noch nicht die Tuchel-Bayern, da ist noch Luft nach oben, viel Steigerungspotenzial. Die Ergebnisse stimmen meist, die Punkteausbeute in der Liga ist sehr gut, aber spielerisch ist es zu dürftig. Den wahren Tuchel-Fußball hat man noch nicht gesehen. Mit dem Einstieg im letzten Drittel der Saison (Ende März 2023, d.Red.) hatte er es schwer. Klar ist aber auch: Er braucht einen Titel, die Meisterschaft letzte Saison haben ja die Dortmunder den Bayern geschenkt.

Ballack: Neuer hebt das Niveau der gesamten Bayern-Mannschaft

Wer sind für Sie die Schlüsselspieler in diesem Duell?
Mittelstürmer Boniface fehlt den Leverkusenern. Neben Mittelfeld-Chef Granit Xhaka ist für mich Florian Wirtz trotz seiner erst 20 Jahre der entscheidende Mann. Ein Spielmachertyp, der die anderen geschickt in Szene setzt. Von seiner Kreativität profitiert Bayer, ist aber dadurch von Wirtz abhängiger. Bei Bayern ragt Jamal Musiala heraus. Durch seine Einzelaktionen und Dribblings im Eins-gegen-Eins kann er Spiele entscheiden. Aber man hat auch Leroy Sané und andere Topspieler.

Wie eklatant wäre es für die Bayern, sollte Kapitän und Torhüter Manuel Neuer wegen seiner Knieprobleme tatsächlich ausfallen?
Das wäre eine klare Schwächung, denn durch seine Leistungen zuletzt, aber vor allem seine Ausstrahlung, gibt er den Vorderleuten Sicherheit und macht damit seine Mitspieler besser. Und das hebt dann das gesamte Niveau der Mannschaft.

Von den Bayern-Bossen kommen forsche Töne vor dem Kracher bei Bayer. Wie zu erwarten war, oder?
Na klar, sie sind wieder auf Tuchfühlung, nur zwei Punkte hinten dran. Also haben sie den Titel in der eigenen Hand - und das, obwohl Luft nach oben ist. Das spüren natürlich auch die Leverkusener, nun kommt die ultimative Prüfung. Bayern hat für mich weiterhin den besten Kader, die besten Spieler. Vielleicht aber brauchen einige Spieler nach elf Meisterschaften in Serie den besonderen Reiz. Am Samstag wollen sie es allen beweisen - und das macht die Bayern so gefährlich.

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4 Kommentare
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  • Philipp John am 09.02.2024 13:59 Uhr / Bewertung:

    Ich erinnere an das 0:4 in Dortmund. Mein Tipp: 1:3 geht das Spiel aus.
    Bayern gewinnt und übernimmt die Tabellenspitze.

    Bayern hatte Startprobleme, etliche Verletzte, eine dünne Bank; dann der Afrika und Asien Cup.
    Mittlerweile sind die besser besetzt und es läuft so langsam. Mit Tuchel wir es langsam richtig Spitze.

  • Wolff am 10.02.2024 20:36 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Philipp John

    Tuchel muss weg, nach dem heutigen Spiel erst recht.

    Das war ja wohl ein deutliches Zeichen.

  • Analyst am 09.02.2024 13:53 Uhr / Bewertung:

    Leverkusen spielt zuhause,dazu braucht’s keinen Ballack um zu Wissen das sie auf Sieg spielen.Das schafft Platz und kommt unserem Spiel entgegen.

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