Leon Goretzka im AZ-Interview: "Jeder von uns möchte von Beginn an spielen, auch ich"
AZ-Interview mit Leon Goretzka: Der 27-jährige Mittelfeld-Star des FC Bayern bestreitet in Katar seine zweite WM. In 45 Länderspielen hat er bislang 14 Tore erzielt.
AZ: Herr Goretzka, nun geht die WM auch für die deutsche Mannschaft los. Wie schätzen Sie den ersten Gegner Japan (14 Uhr/ARD , MagentaTV und im AZ-Liveticker) und generell die Gruppe mit Spanien und Costa Rica ein?
LEON GORETZKA: Auch Japan, Spanien und Costa Rica haben ihre Qualifikation erfolgreich bestritten. Wir haben Respekt, aber keine Angst davor und wissen, wie wichtig ein erfolgreicher Start in das Turnier sein kann. 1990 und 2014 startete die Nationalmannschaft jeweils mit klaren Auftaktsiegen, daran wollen wir anknüpfen.
Wie würden Sie den Geist und die Motivation im deutschen Team beschreiben, nachdem es 2018 bereits das WM-Aus in der Vorrunde gab?
Es ist ein guter Geist, der Vorfreude auf die Spiele mit der Mannschaft weckt und Zuversicht und Selbstvertrauen ausstrahlt. Wir hoffen wie – glaube ich – alle, dass wir möglichst noch viele Wochen in diesem Jahr mit dem Team zusammen sind. (schmunzelt).
"Nagelsmann und Flick eint der unglaubliche Siegeswille"
Was hat Hansi Flick seit seinem Antritt als Bundestrainer positiv bewirkt?
Mit Hansi Flick verbindet uns Bayern-Spieler eine extrem erfolgreiche Zeit. Gemeinsam haben wir das historische Sextuple gewonnen. An diesen Erfolg wollen wir bei der WM für Deutschland anknüpfen.
Sehen Sie bei Flick Parallelen zu Julian Nagelsmann?
Julian hat als junger Trainer schon jetzt gezeigt, was er drauf hat. Was beide Trainer eint, ist der unglaubliche Siegeswille, die akribische Arbeit und die absolute Professionalität.
Wer gehört zum Favoritenkreis bei dieser Weltmeisterschaft jetzt in Katar?
Brasilien und Argentinien werden derzeit am häufigsten genannt. Dem wollen wir gar nicht widersprechen. Aber auch Spanien, Frankreich und wir werden gerne genannt. Ab der K.o.-Runde ist alles möglich, und oft entscheidet die Tagesform, wer eine Runde weiterkommt.
Das Stürmerthema wird seit Jahren heiß diskutiert. Wie sehen Sie diese Debatte und wie kann Deutschland bei der WM für viele Tore sorgen – auch ohne echten Neuner?
Es geht ja nicht nur darum, viele Tore zu erzielen, sondern darum, Spiele zu gewinnen. Eine WM gewinnt man auch, wenn man nur jedes Spiel 1:0 gewinnt. Für mich ist das eine mediale, eine theoretische Diskussion.
"Jeder von uns möchte von Beginn an spielen, auch ich"
Im Mittelfeldzentrum herrscht ein großer Konkurrenzkampf mit Ihnen, Joshua Kimmich, Ilkay Gündogan und Jamal Musiala. Was macht Sie zuversichtlich, dass Sie beim ersten Spiel in der Startelf stehen und dann auch im weiteren Turnierverlauf?
Es macht mich zuversichtlich, dass wir Top-Spieler in unseren Reihen haben, die unterschiedliche Positionen spielen können. Wir alle sind gefordert, dass wir es Hansi Flick so schwer wie möglich machen, nur einen von uns nicht in der Startelf zu berücksichtigen. Und klar, jeder von uns möchte von Beginn an spielen, auch ich.
Die Diskussion um Katar und die schwierige Menschenrechtslage vor Ort dominiert bei dieser WM. Wie wichtig ist Ihnen persönlich dieses Thema und welche Zeichen kann die Nationalmannschaft setzen, um auf die Einhaltung der Menschenrechte aufmerksam zu machen?
Mit der Stiftung der Nationalmannschaft haben wir in der vergangenen Woche angekündigt, insgesamt eine Million Euro für die SOS-Kinderdörfer in Nepal, einem der Ursprungsländer der Gastarbeiter in Katar, zu spenden. Darüber hinaus gibt es klare Statements von Mannschaft und DFB.
Während in Katar bei sommerlichen Temperaturen die WM gespielt wird, steht hier der nächste Corona-Winter bevor. Was sind die Ziele mit Ihrer Initiative "We kick Corona"?
"We kick Corona" war mit einer Spendensumme von über 6,5 Millionen Euro, die zu 100 Prozent an knapp 700 karitative Vereine und soziale Einrichtungen ging, ein überwältigender Erfolg. Dafür sind Joshua Kimmich und ich jedem Einzelnen dankbar, der sich an der Aktion beteiligt hat. Es macht uns Mut, in Zukunft vergleichbare Initiativen zu starten.
Zum Abschluss noch ein Rückblick auf die bisherige Hinrunde mit dem FC Bayern: Wie fällt Ihr Fazit aus – mit Blick auf Liga, Pokal und Champions League?
Absolut positiv. In allen drei Bewerben sind wir erfolgreich. Gerade in den letzten Wochen konnten wir auch in der Bundesliga überzeugen, so dass wir auf Platz eins überwintern.
"Wir werden alles dafür tun, den Henkelpott wieder nach München zu holen"
Union Berlin hat sich als Überraschungsteam gezeigt. Rechnen Sie damit, dass die Berliner bis zum Ende um die Meisterschaft mitspielen können?
WM-Jahre gelten ja generell auch als Überraschungs-Jahre. Grundsätzlich ist es toll, zu sehen, dass man mit kontinuierlicher Arbeit in einem positiven Umfeld viel erreichen kann. Gleiches gilt auch für Freiburg.
Wer sind aus Ihrer Sicht die größten Rivalen in der Champions League?
Es sind eigentlich Jahr für Jahr die gleichen Mannschaften – die Spitzenklubs aus Spanien, England sowie Paris Saint-Germain und wir, die sehr gute Chancen haben. Wir werden alles dafür tun, dass wir den Henkelpott wieder nach München holen.