Kritik von Schweinsteiger: Aus der Pep-Guardiola-Ära beim FC Bayern wurden die falschen Schlüsse gezogen
München - Ex-Bayern-Trainer Pep Guardiola trägt einen Anteil an der Krise des deutschen Fußballs. Davon ist Bastian Schweinsteiger jedenfalls überzeugt.
"Ich denke, dass es viele Veränderungen gegeben hat. Als Pep Guardiola zu Bayern München kam, glaubten alle, wir müssten diese Art von Fußball spielen, mit kurzen Pässen und allem", erzählte der ehemalige Mittelfeldspieler bei "talkSPORT".
Spanien, Deutschland, England: Wo Pep Guardiola ist, ist auch der Erfolg
Das nicht ganz zu Unrecht. 2014 wurde das DFB-Team in Brasilien Weltmeister. Das Grundgerüst bildete dabei jene Mannschaft des FC Bayern, die zuvor unter Pep Guardiola das Double gewann. Auch vier Jahre zuvor trugen Guardiolas Stammspieler des FC Barcelona Spanien zum ersten WM-Titel.
Dasselbe Phänomen lässt sich nun auch bei der englischen Nationalmannschaft beobachten. Als der Katalane 2016 noch in München tätig war, setzte es für die "Three Lions" bei der Europameisterschaft ein peinliches 1:2-Achtelfinalaus gegen Island. Englands Bilanz seitdem: 4. Platz bei der WM 2018, Heimfinale bei der EM 2020.
Vergangenen Winter musste man sich Frankreich im WM-Viertelfinale knapp 1:2 geschlagen geben. Dennoch performt das ewige Sorgenkind der Briten auf höchstem Niveau so stabil wie seit vielen Jahrzehnten nicht.
97 Punkte – und trotzdem titellos: Guardiola fordert seinen eigenen Teams und den Rivalen Perfektion ab
Dafür ist nicht zuletzt Guardiola verantwortlich, der seinen eigenen Spielern. aber auch Rivalen ein unglaublich hohes Niveau und extreme Konstanz abverlangt. Will man im Titelrennen mit Pep-Teams mithalten, zählen nur Siege. Selbst dann gibt es keine Garantie, dass man tatsächlich gewinnt.
Real Madrid holte 2010 96 Punkte, Liverpool 2019 deren 97. Meister wurde keiner von beiden. 2016 landete Thomas Tuchel mit dem BVB, trotz 78 Zählern, zehn Punkte hinter Guardiolas FC Bayern.
Deutschland zog aus Guardiolas Amtszeit beim FC Bayern die falschen Schlüsse
Dass der deutsche Fußball, wie es Schweinsteiger formulierte "an Werten verloren" habe und dabei explizit den Kampfgeist anspricht, ist vielmehr eine Entwicklung dessen, dass man versuchte, nur einen Aspekt von Guardiolas Fußball, den Ballbesitz, zu implementieren und dabei alles andere, wie individuelle Qualität oder Eigennützigkeit im Abschluss über Jahre vernachlässigte – wie auch im jüngsten Länderspiel gegen Kolumbien (0:2) zu sehen war.
Dabei ist gerade Kreativität und individuelle Qualität für Guardiolas Spiel essentiell. Das haben vor allem die Engländer schnell verinnerlicht. "In den englischen Jugendteams lernst du andere Dinge als in Deutschland", betonte Jamal Musiala, der Beides miterlebt hat auf einer DFB-Pressekonferenz während der Weltmeisterschaft. "Ich konnte von dort viel mitnehmen und habe mich dort stark verbessert. 'Playing with freedom', war immer mein Motto. Das habe ich für meine Karriere mitgenommen und das wird auch immer bei mir bleiben."
"Musiala ist der Einzige, der frei und kreativ seinen Instinkten freien Lauf lässt. Wieso? Weil er sportlich nicht in Deutschland groß geworden ist", polterte Felix Magath Anfang des Jahres bei "Sky". Man kann es also auf den Punkt bringen, dass Guardiola weniger eine Mitschuld an der Krise im deutschen Fußball trägt. Der deutsche Fußball hat aus seiner Amtszeit schlicht und ergreifend die falschen Schlüsse gezogen.