Javi Martinez: "Zweikampf ist ein schönes Wort"

Javi Martínez spricht im AZ-Interview über sein Comeback, Spaniens Ambitionen auf den EM-Titel und Buchtipps von Pep Guardiola.
von  Interview: Julian Buhl
Liest gern, grätscht gern, mag München, spricht aber lieber noch Spanisch: Bayerns Defensivspezialist Javi Martínez.
Liest gern, grätscht gern, mag München, spricht aber lieber noch Spanisch: Bayerns Defensivspezialist Javi Martínez. © imago

München - Der 27-jährige Spanier Javi Martínez wechselte 2012 von Athletic Bilbao zum FC Bayern und gewann seit dieser Zeit unter anderem dreimal die Meisterschaft und 2013 die Champions League.

AZ: Hola, Señor Martínez, se habla español? Oder können wir schon deutsch reden? Oder gar bairisch? Sie sind bereits seit 2012 in München und mit Thomas Müller, dem berühmten Radio Müller, haben Sie ja einen perfekten Bairisch-Lehrer an Ihrer Seite!

JAVI MARTINEZ: Ein paar bayerische Wörter habe ich schon gelernt. Aber wirklich nicht sehr viele: Servus etwa. Oder: Freut mich. Ein paar Ausdrücke halt. Mit dem Deutsch klappt es ganz gut mittlerweile, aber in Interviews antworte ich lieber noch auf Spanisch.

Sie waren lange verletzt, haben beim 5:1-Ligasieg gegen Dortmund wieder Ihr erstes Spiel über 90 Minuten bestritten. Wie geht es Ihnen?

Ich habe mich sehr gut gefühlt. Es war kein einfaches Spiel. Das Knie hat mir nicht zu schaffen gemacht, und ich habe mich körperlich gut gefühlt. Ich war sehr zufrieden.

War es speziell, gegen Dortmund zu spielen? Sind da Erinnerungen hochgekommen?

Es stimmt, dass es gegen Dortmund immer ganz besondere und emotionale Spiele sind. Solche, die man sich im Kalender anstreicht. Die Erinnerungen waren ein bisschen widersprüchlich. Ich hatte das Glück, die Champions League und den Pokal gegen den BVB zu gewinnen. Aber auch den schlimmsten Moment meiner Karriere habe ich gegen Dortmund erlebt, als ich mich im Supercup vor einem Jahr schwer verletzt habe.

Sind Sie wieder bei 100 Prozent und haben keine Angst mehr?

Während der Verletzungspause hatte ich Zweifel, ob ich beim Spielen Angst haben und ob ich zu viel an mein Knie denken würde. Aber das ist nicht passiert. Ich habe die Verletzung vollkommen verarbeitet und habe keine Angst, auch nicht bei Zweikämpfen. Aber ich bin ein Spieler, der viele Minuten braucht, um seine Bestform zu erreichen.

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Zweikampf ist eines Ihrer Lieblingswörter, oder?

Zweikampf ist ein schönes Wort, richtig!

Fürchteten Sie in diesem Zweikampf gegen sich selbst sogar das Karriereende?

Ich hatte nicht die Befürchtung, dass die Verletzung meine Karriere in Gefahr bringen würde. Du fühlst dich aber schon eingeschränkt, wenn du verletzt bist, kannst nicht laufen, nichts machen. Das war hart.

Woraus haben Sie in dieser Zeit Ihre Kraft und Zuversicht gezogen?

Familie und Freunde waren sehr wichtig. Aber nicht nur sie. Die Mitspieler, mit denen ich die meiste Zeit verbringe, haben mir unglaublich viel geholfen. Auch die Angestellten des Vereins. Alle haben mich darin unterstützt, den Erholungsprozess zu vereinfachen.

Zu Ihrem Landsmann Thiago haben Sie eine besondere Verbindung. Er war auch lange verletzt.

Thiago ist einer meiner besten Freunde. Ich kenne ihn seit neun Jahren, als wir das erste Mal gemeinsam für die Junioren-Nationalmannschaft spielten. Wir hatten immer einen guten Draht zueinander. Ihm ging es sehr schlecht nach seiner Verletzung. Es war hart, aber als er zurückkam, war er überglücklich. Nach dem 6:1 gegen Porto, wo er das erste Tor schoss, war das für uns beide ein emotionaler Moment.

Thiago kehrte nach 19 Monaten zur Nationalelf zurück. Wie sieht’s bei Ihnen aus?

Wieder für die Nationalmannschaft zu spielen, ist ein Ziel. Immer, wenn ich dort bin, fühle ich mich sehr stolz. Aber jetzt gerade erfordert es mein Knie, dass ich Schritt für Schritt weitermache. Ein Rückfall wäre eine Katastrophe. Vielleicht schafft es mein Knie noch nicht, zwei Spiele hintereinander 90 Minuten in einer Woche zu spielen. Das wissen wir nicht. Aber wir ziehen es vor, uns langsam heranzutasten und keinen Rückschlag zu riskieren.

Sind die EM 2016 und der Titel mit Spanien ein Traum?

Deutschland wird auf jeden Fall ein sehr schwieriger Rivale. Die Nationalmannschaft ist derzeit die beste Mannschaft der Welt. Um die EM zu gewinnen, müssen wir alles geben.

Ist eine ähnliche Ära wie unter Xabi Alonso und Xavi mit der neuen Spielergeneration Thiago/Martínez möglich?

Spanien hat eine super Mannschaft. Spieler wie Xabi Alonso oder Xavi sind sehr schwierig zu ersetzen. Alle Welt sieht in uns einen der Favoriten auf den EM-Titel.

Alonso gilt als Kulturliebhaber. Unterhalten Sie sich über diese Dinge?

Mich interessiert auch die Kultur einer Stadt und all das, was sie zu bieten hat. Immer, wenn ich bei einer Mannschaft spiele, schaue ich mir die Stadt an, und ob sie etwas Leben hat. München ist unglaublich. Es hat alles zu bieten: für Familien, für meine Freunde, für alle ist es toll hier.

Wodurch haben Sie sich während Ihrer Verletzung im Kopf fit gehalten?

Ich lese viel. Mein Lieblingsgenre sind historische Romane. Durch die Verletzung habe ich viel Zeit auf dem Sofa verbracht und einiges gelesen. Ich habe auch viele Filme gesehen und Playstation gespielt. Das letzte Buch, das ich gelesen habe, ist „Africanus“ von Santiago Posteguillo. Es handelt von Rom – es ist genial.

Trainer Pep Guardiola hat vor der Saison spanische Gedichte vorgelesen und gesagt, dass er sich wünscht, dass ihm seine Spieler Bücher empfehlen. Haben Sie das getan oder war es umgekehrt?

Er hat mir gesagt, dass ich die Biografie von Andre Agassi lesen soll. Und das Buch „Herr Guardiola“ möchte ich auch noch lesen.

Haben Sie durch Ihre Verletzung das Gefühl, jetzt etwas nachholen zu wollen?

Ja, nach dem einen Jahr Pause merke ich, wie viel Lust ich habe, Fußball zu spielen. Ich glaube sogar, dass ich noch nie so viel Lust auf Fußball hatte wie jetzt – und natürlich darauf, Titel zu gewinnen.

In den letzten beiden Jahren ist Bayern gegen Barcelona und Real Madrid im Halbfinale der Champions League ausgeschieden. Wollen Sie sich dafür nun revanchieren?

Dieses Jahr ist das bislang beste, seit Pep hier ist. Wir spielen unglaublich, wir sind sehr solide, in jeder Hinsicht. Wir müssen das fortsetzen. Wir müssen die verbleibende Spielzeit genauso weitermachen. Es bringt uns nichts, jetzt gut zu sein und später nicht.

Mit Schweinsteiger bildeten Sie im Triple-Jahr 2013 das vielleicht beste Sechserduo der Welt. Fehlt er Ihnen?

Basti ist ein Typ, der Spuren hinterlässt. Er ist eine unglaubliche Person. Klar vermissen wir ihn. Wir kommunizieren oft mit ihm. Aber es sind neue Spieler gekommen, die auch genial sind.

Jetzt spielen Sie neben Jérôme Boateng in der Abwehr. Fühlen Sie sich dort wohl?

Ich glaube, dass ich dem Verein auf verschiedenen Positionen helfen kann. Boateng ist der beste Innenverteidiger der Welt. Er verteidigt sicher, sein Umgang mit dem Ball ist spektakulär. Es ist sehr einfach, an seiner Seite zu spielen.

Kürzlich haben Sie Flüchtlinge in München besucht.

Es war etwas, das von mir kam. Ich konnte zumindest ein Lächeln aus den Menschen herausholen in diesen für sie so schwierigen Momenten. Zu sehen, dass alle Kinder einen Ball bekamen und alles um sich herum vergaßen, das hat sich gelohnt. Sie vergaßen, ihre Eltern weinen zu sehen oder selbst zu weinen. Sie haben gespielt, als ob nichts passiert wäre. Das war sehr berührend.

Sind Sie stolz auf München?

München ist in der Flüchtlingsfrage eine beispielhafte Stadt. Ich bin stolz darauf, in einer so großzügigen Stadt zu leben, die sich dermaßen vorbildlich verhält. Mögen alle Städte so sein wie München!

Ihr Trainer Pep Guardiola setzt sich für die Abspaltung Kataloniens von Spanien ein. Was denken Sie als Baske darüber?

Jeder kann tun und lassen, was er möchte. Jeder kann seine Meinung äußern.

Ist es für Sie vorstellbar, dass die spanische Liga irgendwann mal ohne den FC Barcelona spielt?

Ni idea. Keine Ahnung. (lacht)

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