Hoeneß: Selbstanzeige und Aufsichtrat - Es wird eng

Der Audi-Chef setzt sich schon ein wenig ab, der Aufsichtsrat denkt nach – und vielleicht wirkt auch die Selbstanzeige nicht so wie gedacht.
München - Der Druck auf Uli Hoeneß wächst – weil immer neue Verdachtsmomente ans Licht kommen, etwa zu den Umständen seiner Selbstanzeige. Und auch, weil die Frage immer wichtiger wird, wie sich der Aufsichtsrat bei seiner nächsten Sitzung zu Uli Hoeneß stellt: Die ersten gehen schon auf Distanz.
Für die Wirtschaftsführer in diesem Gremium ist jeder Hauch eines Hinweises, dass etwas nicht sauber gelaufen sein könnte, ein Alarmsignal: In ihren Firmen wachen ganze Compliance-Abteilungen zum Teil über jeden geschenkten Blumenstrauß. Am deutlichsten setzte sich Audi-Vorstandschef Rupert Stadler von Hoeneß ab. „Audi ist der Überzeugung, dass nachhaltiger wirtschaftlicher Erfolg nur sichergestellt werden kann, wenn Regeln und Normen konsequent befolgt werden“, ließ er der „Bild am Sonntag“ ausrichten. „Wir stehen für ein achtbares, ehrliches und regelkonformes Verhalten im Geschäftsalltag.“ Audi ist mit 9,1 Prozent an der FC Bayern München AG beteiligt.
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Eine wichtige Rolle im Aufsichtsrat spielt auch VW-Chef Martin Winterkorn. „Ob das Thema Hoeneß im Aufsichtsrat am Montag diskutiert werden wird, weiß ich nicht. Ich gehe davon aus, eher nicht“, sagte Winterkorn im österreichischen Fernsehen ORF.
Während der VW-Chef damit andeutete, dass es am heutigen Montag ein Treffen geben wird, soll nach AZ-Informationen die nächste Sitzung vermutlich erst Anfang Mai stattfinden. In der Tat wäre denkbar, dass die Aufsichtsratsmitglieder Hoeneß nicht heute vor versammelter Mannschaft bearbeiten wollen, sondern dass es erst Einzelgespräche geben soll. Laut „Spiegel“ haben sich einzelne Mitglieder des Aufsichtsrats (siehe Kasten) schon am Samstag inoffiziell getroffen. Sie streben an, so das Magazin, dass Hoeneß seinen Posten als Aufsichtsratschef zumindest ruhen lassen soll, während die Ermittlungen laufen. „Er ist nicht zu halten“, zitiert der „Spiegel“ aus dem Umfeld von Winterkorn und Stadler. Der VW-Chef war am Samstag im Stadion – aber nicht daheim beim VfL Wolfsburg, sondern in der Allianz Arena.
Auch die „FAS“ schreibt, dass Winterkorn das Thema Hoeneß bald vom Tisch haben wolle. „Auch der Papst ist zurückgetreten, und die katholische Kirche hat es verkraftet“, zitiert die Zeitung aus Aufsichtsratskreisen. Sie verweist darauf, dass die Mitglieder zwar zum Teil durchaus befreundet mit Hoeneß sind – aber dass sie auch Vorstandsvorsitzende von börsennotierten Unternehmen sind. Da haben sich die Sitten deutlich gewandelt: Die Firmen sind peinlich darauf bedacht, sauber zu bleiben – schon wegen der strengen US-Börsenaufsicht. In ihren Unternehmen, so zitieren „Spiegel“ und „FAS“ aus dem Umfeld von Aufsichtsratsmitgliedern, wären Manager längst gefeuert, die mehr als eine Million Euro Steuern hinterzogen haben.
Dazu hatte sich Hoeneß in seiner Selbstanzeige bekannt. Doch auch darum gibt es neue Spekulationen. Der „Spiegel“ berichtet, dass Anfang Januar die Bank Vontobel – bei der das Konto 4028BEA lief – bei Hoeneß angerufen habe. Jemand vom „stern“ recherchiere nach einem Prominenten aus dem Sportbereich. „Da stellt einer blöde Fragen, nur dass Sie es wissen.“ Hoeneß, so der „Spiegel“, sei explodiert. Danach habe er seinen Steuerberater mit der Selbstanzeige beauftragt.
Auch die „Schweiz am Sonntag“ berichtet, dass die Initiative für die Selbstanzeige von der Bank ausgegangen sein soll. Es sei das Institut Vontobel gewesen, das Hoeneß gedrängt habe, sein Konto zu „regularisieren“.
Und noch ein interessantes Detail zur Selbstanzeige: Laut „Spiegel“ soll die erste Fassung vom Januar nicht vollständig gewesen seinl. Bei Aktienspekulationen müssen alle Käufe und Verkäufe aufgelistet sein. Hoeneß soll im März eine Version nachgereicht haben – dann ist aber die große Frage, ob die Selbstanzeige noch tatsächlich Straffreiheit bewirkt: Dafür müsste gleich die erste Fassung hundertprozentig sitzen. Und in diesem Fall geht es um viel: Ab einer Million Euro hinterzogener Steuern gibt es üblicherweise keine Bewährung mehr.
Eine andere Nachricht vom Wochenende beschäftigt sich mit der Rolle der bayerischen Justiz: Laut „Focus“ sollen die Behörden im Freistaat schon im Sommer 2012 von einem Hoeneß-Konto in der Schweiz gewusst haben. Sein Name sei auf der CD aufgetaucht, die das Land NRW im August erworben hatte. Die Staatsanwaltschaft Bochum habe die Daten an die Münchner Kollegen weitergereicht, so das Magazin. Die Staatsanwaltschaft München II dementierte gestern entschieden: „Diese Meldung trifft nicht zu. Die Staatsanwaltschaft wurde erst im Januar 2013 unterrichtet.“
CSU-Chef Horst Seehofer warb in all dem für Zurückhaltung. „Es darf nichts unter den Tisch gekehrt werden, aber wir dürfen auch niemanden vorschnell als Menschen fertigmachen.“ Für 62 Prozent der Deutschen ist aber nach einer Umfrage auch klar: Hoeneß ist kein Vorbild mehr.
Der Aufsichtsrat: Sie haben es in der Hand
Die FC Bayern München AG hat wie jede deutsche Aktiengesellschaft einen Aufsichtsrat. Das Gremium hat neun Mitglieder: Vorsitzender ist eben Uli Hoeneß. Seine Stellvertreter (und damit kommissarische Nachfolger im Fall einer Amtsniederlegung) sind Audi-Chef Rupert Stadler und Adidas-Chef Herbert Hainer. Die weiteren Mitglieder sind VW-Vorstandsvorsitzender Martin Winterkorn, Telekom-Finanzvorstand (und bald Vorstandschef) Timotheus Höttges, Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber, „Focus“-Herausgeber Helmut Markwort, Ex-Bayern-Vorstandsmitglied Karl Hopfner und Bank-Manager Dieter Rampl (Hypo, UniCredit).