Günter Netzer über das Angebot des FC Bayern: "Bin jetzt seit vier Wochen bei Real"
München - Es ist eines der größten "Was-wäre-wenn"-Szenarien in der Geschichte des deutschen Fußballs: Günter Netzer, einer der genialsten Mittelfeld-Strategen seiner Zeit, Seite an Seite mit Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Paul Breitner und Uli Hoeneß - und zwar im Trikot des FC Bayern. Ob das wohl funktioniert hätte?
Tatsächlich war das Aufeinandertreffen der ganz großen Egos in München einst näher daran, Realität zu werden, als bislang bekannt war. Wie Netzer in der aktuellen Ausgabe des Bayern-Magazins "51" erzählt, wollte der damalige Manager Robert Schwan 1973 den gerade erst zu Real Madrid gewechselten Mittelfeldspieler zu den Bayern holen.
Real-Patron Santiago Bernabeu höchstpersönlich schob Netzer-Wechsel einen Riegel vor
"Wir wollen dich verpflichten", habe Schwan ihm bei einem Treffen in Madrid gesagt. "Ich kippte fast vom Stuhl: Seid ihr noch ganz dicht? Ihr hattet zehn Jahre Zeit, mich aus Gladbach zu holen. Ich möchte dich erinnern: Ich bin jetzt seit vier Wochen bei Real - ich kann nicht gleich wieder abhauen", lautete die Antwort des heute 80-Jährigen an Schwan.
Am Ende habe auch Real-Patron Santiago Bernabeu ein Machtwort gesprochen: "Eher sitzt der Netzer die drei Jahre seines Vertrags neben mir und schaut sich so unsere Spiele an." So blieb Netzer bei den Königlichen, mit denen er in den folgenden vier Jahren je zwei Mal spanischer Meister und Pokalsieger wurde.
Netzer hätte gerne einmal für den FC Bayern gespielt
Rückblickend bereue er nichts, sagte der heute 80-Jährige. Einmal das Trikot des FC Bayern überzustreifen, hätte ihn aber schon gereizt. "Das wäre natürlich ein Traum gewesen. In Gladbach hatte ich mein kleines Reich, ich war bestens aufgehoben, unser aller Bewunderung galt dennoch auch dem FC Bayern", sagte Netzer.
Er sei sich aber nicht sicher, so Netzer, "ob das mit mir in München funktioniert hätte. Ich habe mal gehört, der damalige Präsident Wilhelm Neudecker mochte meine langen Haare nicht. Auch in Gladbach haben sie ja oft gesagt, ich sei zu extrem - Gott sei Dank habe ich den Ball vernünftig getroffen, sonst hätten sie mich bei meinen Eskapaden zum Teufel gejagt."
Netzer: FC Bayern sucht im Weltfußball seinesgleichen
Den FC Bayern bewundert Netzer noch heute. Der Klub habe "in diesen 125 Jahren eine Entwicklung genommen, die im Weltfußball ihresgleichen sucht. Zweifellos gehört er zu den drei größten Klubs der Fußballhistorie." Vor allem das bayerische Selbstverständnis, verankert im Slogan "Mia san mia", imponiert dem einstigen Weltklasse-Spielmacher.
"'Mia san mia' ist ein Statement, das Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein ausdrückt. Und, noch wichtiger: Es ist kein beliebiger Slogan, keine leere Phrase - nein, die Bayern leben es", sagte Netzer. "Kluge Sprüche" könne "jeder raushauen, entscheidend ist, sie umzusetzen. Sonst ist alles nichtssagendes Geplauder, Schall und Rauch. Ich finde es grandios, dass es dem FC Bayern gelungen ist, sein ,Mia san mia' über so einen langen Zeitraum zu verinnerlichen. Der Charakter des FC Bayern ist: 'Mia san mia'. Ohne Wenn und Aber."
Er wünsche deshalb dem deutschen Fußball, ergänzte Netzer, "dass er weiter auf sein Flaggschiff FC Bayern stolz sein kann. Dieser Verein ist ein Geschenk für die Bundesliga und für alle Fußballfans, Rivalität hin oder her."