Führungsetage beim FC Bayern München: Wer ist hier der Boss?

Diskussionsbedarf in Bayerns Führungsetage: Hoeneß und Rummenigge sind sich uneins, wann Lahm Sportdirektor wird. Ist der Zwist um Boateng wirklich beigelegt? Und wann kommt Vidal zurück?
Samstagvormittag in Mainz, Training der Reservisten. Mittendrin Deutschlands Fußballer des Jahres: Jérôme Boateng, der am Abend zuvor nicht zum Einsatz gekommen war. Er übte mit Rafinha, Juan Bernat und Ersatztorhüter Sven Ulreich. Das könnte – mit Holger Badstuber, wenn der dann wieder gesund ist – die Abwehr im nun unwichtigen letzten Gruppenspiel der Champions League gegen Atlético Madrid am Dienstag (20.45 Uhr, Sky und AZ-Liveticker) sein. Dann dürfte der zuletzt angeschlagene, weil von muskulären Problemen geplagte, und aufmüpfige Boateng wieder den Abwehr-Boss geben. Man habe sich ausgesprochen, verriet Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge in Mainz. Ein Chefgespräch.
Nach dem 2:3 vor zwei Wochen in Rostow hatte Rummenigge sich Boateng vorgeknöpft – über die Medien. Der Attackierte konterte, er könne über die Kritik nur lachen. „Wir hatten in dieser Woche ein Gespräch“, sagte Rummenigge am Freitag, „alles ist wunderbar, es ist alles geklärt. Ich habe gelesen, ich hätte gesagt, er wäre zu viel unterwegs. Ich habe gesagt, ich würde mir wünschen, dass er wieder ein wenig back to earth (auf den Boden) kommt. Damit meinte ich nicht, dass er zu viel unterwegs ist.“ Sondern?
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Hat Bayern ein Chef-Problem in der Abwehr?
Klar ist, dass Boateng der Abwehr wieder mehr Stabilität bringen soll. Javi Martínez hatte in Mainz den frühen Rückstand durch Jhon Cordoba (4. Minute) verschuldet, das früheste Bayern-Gegentor seit 15 Monaten. Damit konnte man im achten Pflichtspiel in Folge nicht die Null halten – was es zuletzt in der Hinrunde 2011/12 gab. Ein Chef-Problem? Auch, weil in der Defensive ein Anführer wie Arturo Vidal seit seinem letzten Einsatz in der WM-Qualifikation für Chile verletzt fehlt? Der 29-Jährige sei „lebenswichtig für unser Spiel“, sagte Uli Hoeneß kürzlich. Denn: „Wenn Vidal spielt und gesund ist, sind die Chancen viel größer, dass der FC Bayern gewinnt.“ Trainer Carlo Ancelotti weiß Bescheid.
Und der eigentliche Chef? Der Kapitän? Er kickt momentan zwischen den Stühlen. Auf dem Platz seit zwei Wochen zu seiner Zufriedenheit wieder im Mittelfeld – aber wie lange noch? Bis kommenden Sommer oder bis zum Vertragsende 2018? Danach soll er Bayerns Sportdirektor werden. Der 33-Jährige fühlt sich geehrt, sagt: „Es wäre doch schlimmer, wenn sie sagen würden, ich solle doch bitte aufhören, am besten schon im Winter. Ich bin sehr entspannt. Noch ist überhaupt nichts entschieden.“ Die Zeit drängt. Und Hoeneß.
Sportchef-Posten: Bahnt sich ein Machtkampf an?
Sitzt Lahm ab Sommer auch viel am Schreibtisch? Übergangslos? Oder an der Seite von Max Eberl (43), momentan noch Sportdirektor bei Borussia Mönchengladbach und aktuell in der Verlegenheit, einen rhetorischen Eiertanz aufführen zu müssen. Es seien sich „alle Beteiligten einig“, dass der neue Manager „sicherlich bis dahin kommen wird“, weil dieser, so Hoeneß bei „BFV.TV“, gemeinsam mit dem Vorstand ein Konzept für das neue Nachwuchsleistungszentrum der Bayern (Eröffnung im Juli 2017) entwickeln müsse. „Wir trauen ihm das zu“, sagt Rummenigge im „Welt“-Interview über Lahm, „das ist eine sehr gute Option. Er ist unser Kapitän und inzwischen mehr als nur ein Fußballer.“ Doch wann entscheidet sich Lahm, den neuen Job anzufangen? Im Teamwork mit Eberl, der aus seiner aktiven Zeit (1979 bis 1994) Säbener-Stallgeruch mitbringt?
Interessant wird, ob sich die Alphatiere Rummenigge und Hoeneß in der zeitlichen Besetzung des aktuell vakanten Postens, den Matthias Sammer von 2012 bis diesen Juli ausgeführt hat, einig sind. Nicht, dass es gar einen Machtkampf der Bosse gibt.