Interview

Simone Laudehr mit großem Lob für Popp – und eindringlicher Forderung nach Gleichberechtigung

Das deutsche Team hat den WM Auftakt bravourös gemeistert. In der AZ spricht Simone Laudehr, Weltmeisterin von 2007, über Alexandra Popp, gleiche Prämien - und eine politische Diskussion.
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Ein letztes Karrierehighlight: 2021 gewann Simone Laudehr mit den Frauen des FC Bayern die Meisterschaft.
Ein letztes Karrierehighlight: 2021 gewann Simone Laudehr mit den Frauen des FC Bayern die Meisterschaft. © IMAGO / Passion2Press

München - 6:0 gewannen die DFB-Frauen den WM-Auftakt gegen Marokko. Im exklusiven AZ-Interview spricht die ehemalige Bayern- und Nationalspielerin Simone Laudehr ausführlich über Stürmerin Alexandra Popp – vor allem aber 

AZ: Frau Laudehr, die DFB-Frauen haben das erste Spiel bei dieser WM in Australien und Neuseeland klar mit 6:0 gegen Marokko gewonnen. Wie viel Aussagekraft hat der Sieg?
SIMONE LAUDEHR: Der Sieg gibt ihnen ein gutes Gefühl für die nächsten Spiele, das war in Ordnung. Allerdings war Marokko nicht der stärkste Gegner. Gegen Kolumbien wird es schwer, erst recht gegen Südkorea. Sie haben einen englischen Trainer, Colin Bell, unter ihm habe ich in Frankfurt schon trainiert und Erfolge gefeiert. Er bringt den englischen Stil rein. Kolumbiens Spiel gegen Irland wurde wegen der Härte abgebrochen, das wird nicht einfach.

Vor der WM waren viele skeptisch, ob die Abwehr stabil genug sei und die Offensivspielerinnen in der Lage wären, genügend Tore zu erzielen. Hat die Bundestrainerin die richtigen Schlüsse gezogen?

Vieles hat schon funktioniert. Das sieht man ja am Ergebnis. Ich habe mich sehr für Alexandra Popp gefreut, die zwei Tore gemacht hat. Aber ich finde es schwierig, nach dem ersten Spiel Schlüsse zu ziehen. Da sollten wir mindestens mal noch das zweite abwarten.

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Großes Lob für Popp: "Manche Männer kriegen nicht so gute Kopfbälle hin"

Sie haben Popp angesprochen. Was macht sie so stark?
Ihre Erfahrung vor allem, ihre Kopfballstärke, manche Männer kriegen nicht so gute Kopfbälle hin. Aber darauf will ich sie nicht reduzieren. Sie hat eine unglaubliche Präsenz auf dem Platz, hat ein gutes Auge und ein gutes Gefühl dafür, wann man sich noch mal reinhängt. Natürlich sieht man bei älteren Spielerinnen, dass sie älter werden. Aber die Erfahrung kann ihr niemand nehmen, auch die Gewitztheit tut der Mannschaft gut.

All doors in flight: Alexandra Popp setzt gegen Marokko zum artistischen Flugkopfball an.
All doors in flight: Alexandra Popp setzt gegen Marokko zum artistischen Flugkopfball an. © IMAGO / Xinhua

Ähnlich wie beim DFB-Team jetzt war bei Ihnen vor der WM 2007 die Vorbereitung auch nicht optimal. Mit welcher Stimmung sind Sie nach China gereist?
Ich war gleich in der ersten Elf. Das habe ich mir damals erarbeitet. Es war immer mein Traum, eine WM zu spielen und deshalb ein unglaublich tolles Gefühl. Dabei wusste ich nicht, wie es abläuft bei einer WM: Wie ist es in China? Wie bei einem WM-Spiel? Ich war unerfahren und bin dann in ein kleines Leistungstief gefallen, das ist normal. Im Nachhinein war es eine Mega-Erfahrung - vor allem, wenn man das Turnier gewinnt und auch noch mit einem Tor im Finale. Da stürzen viele Gefühle auf einen ein. Deshalb kann ich verstehen, wenn bei manchen Spielerinnen Tränen kommen bei einem WM-Spiel.

Laudehr fordert Gleichberechtigung: "Spielen alle für dasselbe Ziel"

Für den WM-Titel 2007 haben Sie 50 000 Euro bekommen. Haben Sie damals nachgedacht, ob diese Summe gerecht ist?
Hingenommen haben wir es nicht. Wir hatten mit Nadine Angerer jemanden in der Mannschaft, der viel dafür gekämpft hat. Klubübergreifend kann ich das noch verstehen, obwohl ich finde, dass es auch da aufwärts gehen sollte. Aber verbandsübergreifend finde ich das nicht okay. Das Argument Wirtschaftlichkeit zählt für mich nicht, denn wir spielen alle für dasselbe Ziel, für Deutschland. Wenn wir nach unseren Erfolgen mehr eingebracht hätten als die Männer, was wäre dann passiert? Dann hätte man es sicher angeglichen. Das ist nicht nur im Fußball so, sondern auch in vielen anderen Sportarten. Frauen haben es genauso verdient, 400 000 Euro zu bekommen (die WM-Prämie bei den Männern, d. Red.).

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Viele Fußballverbände in Europa haben die Prämien angeglichen. Könnte das demotivierend sein für die DFB-Frauen?
Ja, klar. Wir haben damals immerhin mehr bekommen als ein Kaffeeservice - denn das ist wirklich respektlos.

Das war die Prämie nach dem EM-Sieg 1989.
Es waren 2007 brutto 90 000, heute sind es 250 000. Warum nur 250 000 - nach allem, was wir erreicht haben? Wir sind Weltmeister, vielfacher Europameister, Olympiasieger. Zusätzlich spenden die Mädels ein Prozent für gemeinnützige Zwecke. Haben das die Männer getan?

Laudehr will sich beim Frauenfußball am amerikanischen Modell orientieren

Wo liegen noch die Probleme bei der Gleichberechtigung?
In den USA werden zum Beispiel die älteren Spielerinnen eingebunden und für Trainerämter übernommen. Bei uns findet das viel zu wenig statt. Viel ist schon passiert, die Stadien sind häufig voll, aber die Bezahlung stimmt noch nicht.

Ein Argument ist oft, dass der Frauenfußball nicht wirtschaftlich genug ist.
Haben es die Frauen nicht verdient, auch eine Prämie von 400 000 Euro zu bekommen? Dasselbe Problem sieht man in vielen Branchen. Warum bekommen Frauen weniger Gehalt? Weil sie vielleicht Kinder kriegen. Ich verstehe diese Denkweise nicht. Wenn eine Frau auf einem Gebiet besser ist, soll sie die Position bekommen, unabhängig von ihrem Geschlecht.

Wenn eine Frau genauso gut ist wie ein Mann, warum soll sie dann nicht gleichwertig entlohnt werden – so das Motto von Simone Laudehr.
Wenn eine Frau genauso gut ist wie ein Mann, warum soll sie dann nicht gleichwertig entlohnt werden – so das Motto von Simone Laudehr. © IMAGO / Hartenfelser

Wo steht der Frauenfußball in zehn Jahren?
Vereinsbezogen hoffe ich, dass keine Fußballerin mehr nebenher arbeiten muss, um ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können. Ich wünsche mir, dass die Frauen- und Männerabteilungen der Vereine viel mehr zusammenarbeiten. Vermutlich werden die Männer immer mehr Zuschauer und eine höhere Einschaltquote haben. In den US-Profiligen bauen Frauen- und Männerabteilungen aber zum Beispiel gemeinsam eine Struktur auf.

Laudehr: Bayern-Frauen "müssten am Platz neben dem der Männer trainieren"

Woran hapert es bei uns?
Beim FC Bayern trainieren die Frauen am Campus. Dabei müssten sie an die Säbener Straße und von der Reha profitieren, am Platz neben dem der Männer trainieren, dasselbe Frühstück oder Mittagessen bekommen. Das mediale Interesse wäre viel größer, die Fans würden aufmerksamer. Die Kommunikationswege würden geringer. Dann würde das Stadion auf dem Campus zu klein werden für die Frauenspiele.

Die Bayern-Frauen gehören zu den privilegiertesten in der Liga.
Es gibt Vereine in der Frauen-Bundesliga, bei denen gibt es nicht mal ein Mittagessen. Da verdienen die Mädels so wenig, dass sie auf die Arbeit nebenbei angewiesen sind. Es sollte endlich ein Umdenken stattfinden.

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