FC Bayern München: AZ-Interview mit Guardiola-Biograph Martí Perarnau

Martí Perarnau kennt Pep Guardiola so gut wie kaum ein anderer. In seinem neuesten Buch beschreibt er die Zeit bei Bayern und sagt im AZ-Interview: "Er hat noch mit vielen Kontakt, wollte auch aufs Oktoberfest."
von  Thomas Becker
Autor Martí Perarnau (rechts) und Pep Guardiola im Februar auf dem Bayern-Trainingsgelände an der Säbener Straße.
Autor Martí Perarnau (rechts) und Pep Guardiola im Februar auf dem Bayern-Trainingsgelände an der Säbener Straße. © Imago

München - Der katalanische Sportjournalist Martí Perarnau gilt als enger Vertrauter von Pep Guardiola. Der ehemalige Hochspringer verfasste bereits mehrere Bücher über den Fußballtrainer, der drei Jahre lang den FC Bayern coachte und aktuell Manchester City betreut.

AZ: Herr Perarnau, dank Guardiola waren Sie oft in München und haben ein wenig Deutsch gelernt. Werden Sie seinen Weg auch in Manchester verfolgen? Wie gut ist Ihr Englisch?
Martí Perarnau: Nicht gut. In der Schule habe ich Französisch gelernt. Ob ich Pep auch in Manchester verfolge: mal sehen. Zwei Mal war ich schon dort. Aber derzeit arbeite ich an einem anderen Buch: über die Entwicklung der Taktik im Fußball seit 1860. Das kommt davon, wenn man ständig mit Guardiola spricht.

In "Pep Guardiola - Das Deutschland-Tagebuch" machen Sie klar, dass Guardiola mit Bedacht für drei Jahre bei Bayern unterschrieb und sich auch aus grundsätzlichen Gründen daran hielt. Bei ManCity hat er erneut für drei Jahre unterschrieben. Wird er also 2019 die nächste Herausforderung suchen? Und: Welche könnte das sein?
Schwierig. Real oder Atlético Madrid wird es nicht sein, Dortmund und ManUnited auch nicht. Aber über so was denkt er nicht nach. Zu Beginn der dritten Saison bei ManCity wird er mit seiner Frau sprechen, die Situation analysieren. Manchester ist für ihn eine noch größere Herausforderung als Bayern. Die Ausgangslage ist anders. Bayern war international erfolgreich, Manchester schon ewig nicht mehr. Bayern ist wohl der am besten organisierte Klub der Welt - auch wenn die Nachwuchsakademie von Barca und die Trainingsanlagen von Real und ManCity besser sind.

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Einmal bezeichnen Sie den FC Bayern als "wirklich merkwürdigen Klub".
Der FC Bayern ist ein Familien-Klub: sehr warmherzig, freundlich, geprägt von guten Beziehungen untereinander. Aber es ist wahrscheinlich nicht so einfach, Teil dieser Familie zu werden.

Wie war Guardiolas Verhältnis zur Klubspitze? Der Name Sammer fällt im Buch nie.
Pep hatte ein sehr gutes Verhältnis zu Sammer, auch zu Rummenigge. Rummenigge ist nicht so ein warmherziger Typ wie Hoeneß, hat kein besonders gutes Image, aber er hatte ein gewaltiges Problem, als Hoeneß verurteilt wurde. Aus dessen Schatten musste er treten, was nicht einfach war für ihn.

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Hätte Guardiola verlängert, wenn Hoeneß da gewesen wäre?
Ich glaube nicht. Pep hat gut mit Rummenigge und Sammer gearbeitet, auch mit Michael Reschke. Pep ist ein seltsamer Kerl, unkonventionell, nicht normal. Im Buch sagt ein Maler: "Das ist die künstlerische Herangehensweise: Bild malen, fertig, nächstes Bild." Kein Blick zurück. Das ist nicht normal. Ein Freund empfahl Pep vor der dritten Saison: "Du musst sechs Jahre bei Bayern bleiben! Du wirst fünf, sechs Mal Meister werden, den Pokal und ein, zwei Champions-League-Siege holen." Aber Pep sagte: "Das Bild ist fertig."

Sie beschreiben ihn als Pessimisten.
Er ist nie optimistisch im Sinne von "Nächste Woche spielen wir gegen Darmstadt: easy.". Im Gegenteil: "Darmstadt ist stark, vor allem der schnelle Linksaußen..." So ist Pep.

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Wissen Sie, ob Guardiola es zuhause mal schafft, nicht an Fußball zu denken?
Das kann er - auch wenn man sich das bei ihm nicht vorstellen kann. Obwohl: Es kommt auf die Woche an. Wenn er am nächsten Tag gegen Barcelona spielt, will man wahrscheinlich eher nicht mit ihm zuhause sein. Eine Länderspielpause ist dagegen fast Urlaub für ihn. Da hat der Fußball nach dem Vormittagstraining ab 14 Uhr Pause.

Sie beschreiben ihn als introvertierten, schüchternen Typen.
Nur wenn es nicht um Fußball geht. Dann hört er zuerst lieber zu als zu reden, versucht sein Gegenüber kennenzulernen. Beim Abendessen mit Freunden spricht er nicht viel - zunächst. Aber sobald es um Fußball geht, legt er los.

Als seine Hauptmotivation sehen Sie das Lernen. Selbst in Gesprächen mit Extrem-Bergsteigern, Rugby-Trainern oder Schach-Weltmeistern sucht er nach Verwertbarem für sein Tun.
In München hat er vor allem nach der ersten Saison viel gelernt. Als er hier ankam, wollte er das Spiel von Barcelona dem FC Bayern einverleiben, einem Klub, der gerade das Triple gewonnen hatte. Die Spieler waren begeistert: Lahm, Neuer, Kroos. Aber von seiner dogmatischen Barcelona-Position rückte er bald ab - weil er Elemente des deutschen Fußballs einbauen wollte, zu einem Mix aus dem Fußball von Cruyff und dem von Beckenbauer. Eine sehr smarte Entscheidung! Auch in England wird er eine solche Evolution brauchen.

In seiner Zeit bei Bayern kreiden Sie Guardiola zwei Fehler an: den Umgang mit Müller-Wohlfahrt und die Causa Kroos.
Der größte Fehler war sicher die Taktik im Halbfinale der Champions League gegen Real Madrid. Das Problem mit Müller-Wohlfahrt war nicht, dass Pep in Frage stellte, dass er ein guter Doktor ist. Er war es nur aus Barcelona gewöhnt, dass der Doktor immer beim Team war und nicht irgendwo in der City. Peps Fehler war, dies von Beginn an zu akzeptieren. Ähnlich war es bei Kroos. Er hätte darauf bestehen müssen, dass sein wichtigster Spieler bleibt. Aber ich kann Pep verstehen. Bayern hat eine starke Führung, viele Leute, die bei Transfers und Verträgen mitreden. Der Mehrheit dieses Gremiums beugte sich Pep. Das ist ihm in Barcelona schon passiert, bei einem ukrainischen Innenverteidiger, den der Präsident verkaufen wollte. Diese Lektion hat Pep nicht gelernt.

Sollte Guardiola ManCity verlassen und keine neue Herausforderung finden, ist es dann denkbar, dass er den Trainer-Job komplett an den Nagel hängt?
Unwahrscheinlich, aber möglich. Sein Antrieb sind Herausforderungen, auch emotionaler Art. Jedenfalls kann ich mir Pep nicht mit 60 an der Seitenlinie vorstellen. Genauso wenig wie als Sportdirektor von Juve oder Präsident von Barcelona.

Was würde er ohne Fußball tun?
Reisen. Mal ein paar Monate in New York, München oder Barcelona leben. Und alles Mögliche lernen, nur aus Freude am lernen.

Wissen Sie, ob er noch Kontakt zum FC Bayern hat?
Hat er, mit vielen, über WhatsApp. Er hatte sogar schon Flugtickets nach München gebucht, um mit seiner Frau und seinem Co-Trainer aufs Oktoberfest zu gehen. Aber dann verlor er mit ManCity gegen Tottenham - und cancelte die Flüge wieder.

"Pep Guardiola – Das Deutschland-Tagebuch" von Martí Perarnau erscheint am heutigen Mittwoch im Ecowin-Verlag; Preis: 20 Euro

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