FC Bayern: Julian Nagelsmann und die Talentfrage
München - Aus Sicht von Julian Nagelsmann war es endlich mal wieder eine Pressekonferenz für die Seele. Nicht nur wegen des über die gesamte Spieldauer betrachtet weitgehend souveränen 4:2-Erfolgs bei Viktoria Pilsen, sondern vor allem wegen der Aussagen seines Oberbosses Oliver Kahn bereits vor dem Anpfiff.
Diskussion um Julian Nagelsmann: Abfuhr auf Zeit
Der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern hatte mit deutlichen Worten der Diskussion um seinen Trainer - zumindest einmal - eine Abfuhr auf Zeit verpasst. Kahn sorgte in der Debatte für eine Unterbrechung oder - wenn die Ergebnisse in den nächsten Wochen auch in der Bundesliga wieder stimmen - ein Ende. Ein "Basta", das anders als im Fall des im Sommer wechselwilligen Robert Lewandowski auch eine echte Haltbarkeit aufweisen wird?
"Trainer-Talent" Nagelsmann antwortet mit zusammengekniffenen Lippen
Ob der 35-jährige Nagelsmann in seinem zweiten (Lehr-)Jahr beim FC Bayern noch als "Trainer-Talent" durchgehe, lautete die Debatte - angefeuert durch die Aussagen des früheren Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge. Der hatte Nagelsmann öffentlich als "großes Trainer-Talent" bezeichnet. Mit zusammengekniffenen Lippen antwortete dieser in Dortmund darauf mit: "Das macht ja nicht nur er." Sondern? "Zu viele".
Kahn und auch Sportvorstand Hasan Salihamidzic widersprachen dem Mann nicht, der einst den Spitznamen "Killer Kalle" trug. Zunächst. Wobei man Salihamidzic zugutehalten muss, dass er die letzten beiden Spiele krankheitsbedingt verpasste.
Kahn über Nagelsmann: "Eine unglaubliche Qualität"
In Pilsen ergriff Kahn also die Gelegenheit, sich verbal schützend vor den Trainer zu werfen. "Es gibt keine Zweifel an der Arbeit von Julian Nagelsmann", stellte der ehemalige Torhüter bei DAZN klar und argumentierte, es geht "nicht um das Alter, sondern um die Qualität. Julian Nagelsmann hat als Trainer eine unglaubliche Qualität und es gibt viele, viele ältere Trainer, wenn die jemals an dieses Qualitätslevel herankommen, dann haben sie viel erreicht."
Kahns Plädoyer für Nagelsmann: "Wir sind weiterhin total überzeugt von ihm. Ich lerne auch jeden Tag dazu. Selbst ein erfahrener Trainer lernt jeden Tag dazu. Egal, ob du 35 bist oder 65 - jeder Trainer muss sich beim FC Bayern ein bisschen einfinden. Dass Julian keine Erfahrung hat, da frage ich mich, wo so etwas überhaupt herkommt. Julian hat bei Hoffenheim gezeigt, was er draufhat, hat die Mannschaft nach oben gebracht. Er hat Leipzig nach oben gebracht."
"Jeder Trainer hat mal Phasen, wo es nicht so läuft"
Für Kahn ist "diese Diskussion fast aberwitzig". Denn: "Jeder Trainer beim FC Bayern hat mal Phasen, wo es nicht so läuft."
Aber nicht jeder übersteht diese dann ohne Entlassung. Natürlich ist Nagelsmann davon weit entfernt. Dass man jedoch "schnell in die Puschen kommen" und "schnell auf Platz eins" müsse, hatte Kahn in Dortmund unter dem Eindruck des 2:2 so formuliert.
Zurück zur eingangs erwähnten Pressekonferenz: Auf die Kahn-Aussagen in Pilsen angesprochen meinte Nagelsmann, er wolle "mal betonen, dass kein Blatt zwischen mir, Olli Kahn, Hasan, Herbert Hainer oder sonst wen passt. Wir sind alle sehr, sehr eng, tauschen uns viel aus, haben ein extrem gutes Miteinander. Ich habe mit keinem dieser Protagonisten ein Problem, ganz im Gegenteil."
Nagelsmann erwähnt Rummenigge nicht
Nagelsmann meinte, es gäbe "leider viele Interviews", nahm Rummenigges Namen aber nicht in den Mund und erklärte: "Ich habe das auch nicht so extrem böse aufgefasst. Natürlich freue ich mich, wenn Olli das richtig eingeordnet hat. Wir tun alle gut daran, diese Verbundenheit im Klub, die wir alle durch viele Gespräche leben auch nach außen immer zu transportieren, weil es so ist, weil es eine gelebte Verbundenheit ist. Ich bin froh, dass es jetzt abgehakt ist, dieses Thema. Es war auch in meinem Kopf nicht so groß wie es gemacht wurde."
Ob das Thema damit wirklich aus der Welt ist, hat Nagelsmann mit seiner Mannschaft in der Hand.