Ex-Löwe Richard Neudecker: "Gibt wenig Interessanteres als dem FC Bayern beim Training zuzuschauen"
München - Insgesamt acht Jahre trug Richard Neudeucker das Trikot des TSV 1860, wurde bei den Löwen zum Profi. Dabei wäre der gebürtige Altöttinger in seiner Jugend fast beim FC Bayern gelandet.
Nun geht es für den 27-Jährigen, der mittlerweile beim 1. FC Saarbrücken kickt, innerhalb von elf Tagen gegen beide Münchner Vereine: Erst am Mittwoch (1. November) im DFB-Pokal gegen die Bayern, dann in der Dritten Liga (11. November) gegen Sechzig. Die AZ hat Neudecker vor dem bayerischen Doppelpack zum Interview getroffen.
AZ: Herr Neudecker, während ihrer Jugendzeit bei 1860 gingen sie auf das Theodolinden-Gymnasium in München-Harlaching – das liegt nur 250 Meter vom Trainingsgelände des FC Bayern entfernt. Haben sie da in der Vergangenheit den ein oder anderen Blick riskiert oder sind sie eher einen Umweg gefahren bzw. gelaufen, um die Säbener Straße nicht zu tangieren?
RICHARD NEUDECKER: Da ich leidenschaftlicher Fußball-Fan bin, hat man sich bei einem Bayern-Training da so lange hingestellt, wie es einem zeitlich möglich war. Man will die Spieler sehen, wie sie trainieren. Es gibt wenig Interessanteres als dem FC Bayern beim Training zuzuschauen. Das ist ein Highlight wie die sich auf dem Platz bewegen, was für eine Mentalität im Training vorhanden ist, davon kann man nur lernen. Da wird jede Rivalität zur Seite geschoben und man lernt einfach dabei. Zu meiner Zeit hat da Thiago Alcantara gespielt – der hatte einfach Spaß. Seine Moves und seine Ballbehandlung waren der Wahnsinn. Das zu sehen war unglaublich. Er hat mir gezeigt, dass das Wichtigste der Spaß am Fußball ist – egal, wo Du trainierst und wie groß der Konkurrenzkampf ist. Wenn Du den für Dich behältst, wirst Du die beste Leistung bringen. Er hatte die perfekte Mischung.
Ex-Löwe Richard Neudecker vor dem Duell gegen den FC Bayern: Reicht es für einen Einsatz?
Für Sie als Ex-Löwe, der bei 1860 zum Profi wurde und insgesamt acht Jahre das weiß-blaue Trikot getragen hat, ist das Pokal-Los FC Bayern sicher kein gewöhnliches. Wie haben Sie es aufgenommen?
Ich musste natürlich schon etwas schmunzeln, als ich das gesehen habe. Nichtsdestotrotz wäre mir ein anderer Gegner ehrlich gesagt lieber gewesen, weil die Chance so natürlich etwas gesunken ist, um nochmal eine Runde weiterzukommen.
Aktuell sind Sie angeschlagen – reicht es für Sie für das Pokal-Spiel?
Ich habe eine Adduktorenverletzung und gehe stark davon aus, dass ich nicht im Kader sein werde. Ich werde das Spiel recht gemütlich von der Tribüne betrachten. Es wäre auch nicht angebracht, wenn verletzte Spieler auf der Bank sitzen. Das gehört sich auch so, dass sich die Spieler, die auf der Bank sitzen, sich hundertprozentig aufs Spiel konzentrieren. Da brauchen die uns nicht, dass wir sie anfeuern – das macht das Stadion von alleine.
Für Sie ist es das erste Duell mit den FCB-Profis. Mit 1860 haben sie in der 3. Liga gegen Bayern II und natürlich in der Jugend einige Mal gegen den Rekordmeister gespielt. Welche Erinnerungen haben Sie daran und was lässt sich vielleicht daraus für das Pokal-Duell ableiten?
Die Erinnerungen sind recht gut, wir hatten eigentlich immer sehr gute Spiele gegen Bayern. Das hat immer Spaß gemacht, auch die Rivalität ist immer groß gewesen. Das waren ganz besondere Spiele. Vor allem auch bei den Amateuren, da war es immer ein Highlight-Spiel. Aber viel ableiten lässt sich nicht, die Profis sind einfach noch einmal eine ganz andere Hausnummer. Die kann man mit keiner Mannschaft in Deutschland vergleichen. Am Ende müssen wir es genießen und schauen, dass wir irgendwie Spaß daran haben gegen so eine Mannschaft zu spielen. Das ist einfach etwas Besonderes. Mit einem großen Matchplan wirst Du da nicht weit kommen.
Richard Neudecker glaubt nicht, dass der FC Bayern Saarbrücken unterschätzen wird
Als Sie nach Saarbrücken gekommen sind, hieß es von einigen Seiten etwas abwertend "Da kommt ein Sechzger" – jetzt mit dem
Saarbrücker Löwen auf der Brust, in einem Team mit Ex-Löwe Kasim Rabihic und mit der speziellen Pokal-Atmosphäre könnte man glatt von ihrem privaten Derby sprechen, oder?
Klar, irgendwo ist das schon ein kleines Derby. Aber alles in allem ist das so eine starke Mannschaft, da überwiegt die Vorfreude, solche Spieler mal im Stadion zu haben. Das sind Weltstars des Fußballs. Da sieht man weniger die Rivalität als vielmehr die Vorfreude gegen solche Spieler mal zu spielen und sich messen zu können.
Wie sehen sie den aktuellen FC Bayern und wo könnte der 1. FC Saarbrücken die Münchner vor Probleme stellen?
Sie sind natürlich überragend. Zwar noch nicht so sicher, wie sie schon waren, aber sie wurden von Spiel zu Spiel stärker. Das hat man in der Champions League auch gesehen. Sie haben auch eine Qualität entwickelt, dass ein gutes Pferd nur so hoch springt, wie es muss. Das ist noch gefährlicher für uns, ehrlich gesagt (lacht). Das Einzige, wo ich sage, das könnte uns eventuell bisschen helfen, dass sie am Wochenende darauf gegen Dortmund spielen und vielleicht nicht mit der kompletten A-Elf antreten und das Spiel gegen den BVB (am kommenden Samstag, Anm.d.Red.) mehr im Kopf haben als das Spiel gegen den 1. FC Saarbrücken. Ich glaube, aber, da sie die Jahre davor für ihre Verhältnisse relativ früh gegen kleinere Vereine ausgeschieden sind, dass sie den Fokus auf unser Spiel setzen, weil sie den DFB-Pokal mal wieder gewinnen wollen. Die werden uns nicht unterschätzen, das kann ich mir nicht vorstellen.
Das sind die Ziele von Richard Neudecker mit dem 1. FC Saarbrücken
Auf was muss sich der FC Bayern im Ludwigspark einstellen – auf und neben dem Platz?
Bayern ist andere Größen gewohnt, aber sie werden von der Stimmung nicht abgeneigt sein, die da herrschen wird, weil es einfach ein besonderes Spiel ist. Die Atmosphäre ist im Ludwigspark immer sehr besonders und richtig geil. Da können sie sich auf ein cooles Spiel in einem schönen Stadion einstellen. Bei uns werden sie eine demütige Mannschaft sehen, die aber auf jeden Fall alles raushaut und alles gibt, sich in jeden Zweikampf reinwerfen wird und versuchen wird, die Null so lange wie möglich zu halten.
Der 1. FC Saarbrücken ist im vergangenen Jahr denkbar knapp, am letzten Spieltag am Aufstieg gescheitert. In diesem Jahr läuft es in der 3. Liga noch nicht rund. Was ist möglich für den FCS?
Schwierig, wir haben nicht den Start hingelegt, den wir wollten. Wir wollten eigentlich von Anfang an zeigen, dass wir eine Mannschaft sein wollen, die oben eine gute Rolle mitspielt. Das ist uns bisher nicht gelungen, da sind wir auch extrem unglücklich drüber. Mein Fokus liegt daher auf jeden Fall auf der Liga, wir haben sehr wichtige Spiele vor und nach Bayern (Dresden, Sandhausen), die sollten bei uns höchste Priorität haben. Natürlich ist es ein Highlight gegen Bayern, aber wichtiger ist einfach die Liga, da werden wir gemessen, da können wir auch was erreichen. Wir können absolut nicht zufrieden sein, was wir in der Liga geleistet haben, da müssen wir eine Schippe drauflegen.
Wiedersehen mit dem TSV 1860: Darauf freut sich Richard Neudecker besonders
Kommt dieses Pokal-Spiel so gesehen zu einem ungünstigen Zeitpunkt oder ist dankbar, weil es einen Push geben kann?
In meinen Augen ist es eigentlich ein ungünstiger Zeitpunkt. Aber trotzdem freue ich mich für die Mannschaft. Sie weiß um den Fokus und die Priorität der Liga. Es geht nicht um den DFB-Pokal, sondern um die Liga. Es ist okay, aber mir persönlich wäre ein anderer Zeitpunkt lieber gewesen.
Vor Ihrem Sprung zu 1860 hatten sie auch ein Angebot des FC Bayern vorliegen – was hat damals den Ausschlag für die blaue Seite gegeben?
Die Atmosphäre, die war bei Sechzig damals einfach besonders und schön. Die haben sich um mich bemüht, ich habe mich direkt wohlgefühlt, die Mentalität hat genau zu mir gepasst. Es geht darum, demütig zu sein, sich in jeden Zweikampf reinzuhauen. Es geht darum, eher ein Arbeiterverein zu sein als schön zu spielen. Das hat man bei Sechzig gemerkt, das haben die verkörpert in der Jugend und das hat mir Riesenspaß gemacht und da habe ich mich wiedererkannt.
Nur elf Tage nach dem Pokal-Duell mit dem FC Bayern gastiert ihr Ex-Verein 1860 in Saarbrücken.
Da freue ich mich extrem darauf und ich hoffe, dann auch für den Kader wieder eine Option zu sein. Alte Kollegen zu sehen ist immer etwas Besonderes. Sie sind auf einem sehr guten Weg, spielen keinen schlechten Fußball. Es wurde eine gute Mannschaft zusammengestellt und bin guter Dinge, dass sie eine sehr ordentliche Rolle spielen werden. Für wie hoch es am Ende reicht, weiß man nicht, aber ich denke schon, dass sie oben ein bisschen mitschnuppern.