Elfmeter-Killer des FC Bayern München: Gestatten, Manuel Ulreich

München - Im Moment seines persönlichen Triumphs zeigte Sven Ulreich Größe – und führte den Fans des VfB Stuttgart damit vor Augen, wie fragwürdig sie sich an diesem Samstagnachmittag verhalten hatten. Mehr als 90 Minuten lang pfiffen sie ihren früheren Torhüter aus, beleidigten ihn aufs Übelste. Doch als Ulreich in der Nachspielzeit mit dem gehaltenen Elfmeter gegen Chadrac Akolo zum Helden des FC Bayern wurde, genau vor der Cannstatter Kurve übrigens, wo die VfB-Ultras stehen, sparte er sich eine Revanche.
Thomas Müller musste Ulreich anschließend sogar zum Jubeln zwingen. Der Weltmeister riss die Arme des Keepers in die Höhe, Ulreich wollte gegen den Ex-Klub nicht richtig feiern. Es war in jeder Hinsicht ein beeindruckender Auftritt.
Sven Ulreich - ein "sauberer Junge"
"Es ist traurig, gehört aber momentan anscheinend dazu, dass man mit ehemaligen Spielern so umgeht", sagte Ulreich später. Die Pfiffe hätten ihm "weh getan", gab er zu, "aber ich empfinde keine Genugtuung".
Von 1998 bis 2015 hatte der Torhüter für den VfB gespielt, war vom Jugendspieler zum Profi aufgestiegen. Er selbst habe dann nicht auf einen Wechsel zu Bayern gedrängt, verriet Ulreich der Stuttgarter Zeitung und den Stuttgarter Nachrichten. Die Vereinsführung habe ihm stattdessen signalisiert, "nicht mehr bedingungslos" auf ihn zu setzen. Und trotzdem straften ihn die Fans mit totaler Ablehnung. Unverständlich – auch für Michael Reschke, Stuttgarts Sportvorstand und früheren Kaderplaner beim FC Bayern. "Sven ist ein sehr sauberer Junge", sagte er.
Die Situation erinnerte an den Empfang, den Manuel Neuer bei Auswärtsspielen gegen Ex-Klub Schalke in der Vergangenheit regelmäßig ertragen musste – wenn auch nicht ganz auf dem gleichen Hass-Level. Neuer ließ sich von den Beleidigungen nie beeindrucken oder provozieren, ebenso wie Ulreich jetzt in Stuttgart. Der etatmäßige Ersatztorhüter betonte zuletzt immer wieder, wie viel er von Neuer gelernt habe. In puncto Souveränität wird er dem Welttorhüter immer ähnlicher. Sven Manuel Ulreich.
Manuel Neuer reist nicht mit ins Traningslager nach Katar
"Sven ist für uns Gold wert, er hat sich kontinuierlich positiv entwickelt und nicht einen gravierenden Fehler gemacht. Er ist ein sehr guter Torhüter", schwärmte Trainer Jupp Heynckes (hier die weiteren Stimmen nachlesen), der sich kürzlich für eine Weiterbeschäftigung Ulreichs bei den Bayern starkgemacht hatte, der Vertrag läuft am Saisonende aus. Selbst als Schiedsrichter Patrick Ittrich in der Nachspielzeit auf Elfmeter entschied, sei er nicht unruhig geworden, so Heynckes: "Ich habe immer noch gedacht, da ist der Ulle im Tor, der wird das Ding schon halten." Es war bereits der fünfte Strafstoß in dieser Saison, den Ulreich parierte – und dann auch noch beim Ex-Verein. In der Nachspielzeit. Beim Stand von 1:0. "Solche Geschichten schreibt nur der Fußball", sagte Niklas Süle, der den Elfmeter verursacht hatte.
Dank Ulreich, der den verletzten Neuer seit Mitte September erstklassig vertritt und wohl bis mindestens Ende Februar im Tor stehen wird, blicken die Bayern dem Pokalfight gegen Dortmund optimistisch entgegen. Am Sonntag bestätigte Heynckes, dass Neuer am 2. Januar nicht mit ins Trainingslager nach Katar reisen wird. "Manuel bleibt hier, er geht nicht mit nach Katar. Wir gehen da überhaupt kein Risiko ein, wir werden bei ihm die Belastung Schritt für Schritt steigern", sagte er dem kicker.
Sollte es am Mittwoch gegen den BVB zum Elfmeterschießen kommen, "dann haben wir ja den Ulle", sagte Müller. Schon im Supercup gegen den BVB hatte Ulreich zwei Elfmeter pariert. Auch im Duell mit Leipzig hielt er den entscheidenden Schuss. Doch der Keeper winkte ab, als er die Stuttgarter Arena verließ. "Elfmeter sind immer auch Glück", sagte Ulreich und lachte, "mir wäre es lieber, wenn wir es in 90 Minuten regeln."
Lesen Sie hier: Manuel Neuer Weihnachten ohne seine zwei "Freunde"?
Einzelkritik: Bestnote für Elfer-Held Ulreich, Rafinha kraftlos