Das gescheiterte Bayern-Projekt: Als Nagelsmann auf dem Gipfel war, kam das Aus
München - Als Julian Nagelsmann auf dem Gipfel war, kam das Aus. Beim Skifahren. Irgendwie kein gutes Omen, wenn sich Bayern-Angestellte in dieser Saison Bretter unterschnallen. Keeper Manuel Neuer zog sich im Dezember bei einer Skitour einen Unterschenkelbruch zu - das verheilt.
Der Bruch zwischen Arbeitgeber FC Bayern und Trainer Nagelsmann dagegen ist endgültig. Das Aus kam für ihn bei strahlendem Sonnenschein sprichwörtlich aus heiterem Himmel. Der 35-Jährige erfuhr davon in Kaltenbach im Zillertal, als er mit Freundin Lena Wurzenberger, einer "Bild"-Journalistin, einen Ausflug in die Berge unternommen hatte. Abschalten, den Kopf freikriegen.
Noch am Abend wusste Nagelsmann von nichts, ahnte in Tirol nullkommanull, was im rund zwei Autostunden entfernten München beschlossen wurde: die Entlassung. Die erste seiner Trainerkarriere. Der Tiefpunkt für den einst bei der TSG Hoffenheim mit 28 Jahren jüngsten Bundesliga-Chefcoach aller Zeiten.
Nagelsmanns Entlassungsgespräch dauerte nicht einmal eine Stunde
Um kurz nach 15 Uhr fuhr er, begleitet von seinen Beratern, im Dienstwagen in die Tiefgarage an der Säbener Straße. In den Büros der Bosse wurde ihm die Entscheidung persönlich mitgeteilt. Nach nicht mal einer Stunde brauste er wieder davon.
Das Ergebnis: Nagelsmann ist freigestellt, das Gehalt wird weiterbezahlt bis er einen neuen Verein gefunden hat oder über Anwälte eine Auflösungsvereinbarung samt Abfindung ausgehandelt wird.
Mit dem Cheftrainer müssen auch seine Assistenten Xaver Zembrod und Dino Toppmöller sowie Video-Analyst Benjamin Glück gehen - also das Team, das Nagelsmann schon in Leipzig (2019 bis 2021) um sich hatte. Vor einigen Wochen sagte er mit Blick auf seine Vertrauten im Trainerstab: "Je größer der Klub, desto mehr Haie schwimmen um dich rum. Und da ist es nicht schlecht, wenn du im Schwarm in der Mitte bist und außen sind noch ein paar Pufferfische."
FC Bayern: Warum musste Nagelsmann so plötzlich gehen?
Was führte zur Entscheidung der Bosse, einen sofortigen Schlussstrich zu ziehen? Noch am Montag war im "Kicker" ein Interview erschienen, in dem Präsident Herbert Hainer lobende Worte für Nagelsmann fand: "Man erkennt einen deutlichen Fortschritt. Julian macht es sehr gut. Wir planen mit ihm langfristig." Salihamidzic hatte noch im Februar von "einem Langzeitprojekt" gesprochen. Eines, das nach 631 Tagen endete.
Doch warum musste Nagelsmann so plötzlich gehen, obwohl diese Saison noch alle drei Titel in Reichweite sind? Erstens, weil die Bilanz trotz des Weiterkommens in der Champions League gegen Paris St.-Germain im Jahr 2023 verheerend ist: Zwei Pleiten und drei Remis in zehn Ligaspielen, dazu der Verlust der Tabellenführung gegenüber dem BVB, der vor der Unterbrechung der Bundesliga wegen der WM in Katar neun (!) Punkte hinter den Bayern lag.
Kahn: "Die starken Leistungsschwankungen haben unsere Ziele in Frage gestellt"
Und nun? "Wir sind zu der Erkenntnis gekommen, dass sich die Qualität unseres Kaders - trotz der Meisterschaft im vergangenen Jahr - zunehmend seltener gezeigt hat. Nach der WM haben wir immer weniger erfolgreich und attraktiv gespielt, die starken Leistungsschwankungen haben unsere Ziele in dieser Saison in Frage gestellt, aber auch über diese Saison hinaus", erklärte Vorstandsboss Oliver Kahn.
Dazu kommt das pöbelhafte Verhalten gegenüber den Referees in Gladbach ("Weichgespültes Pack!") - absolut nicht Bayern-like. Zuletzt erschütterte die Bosse der blutleere Auftritt beim 1:2 in Leverkusen, die harsche Kritik im Anschluss von Sportvorstand Hasan Salihamidzic ("So wenig Antrieb, so wenig Mentalität, so wenig Zweikampfführung, so wenig Durchsetzungsvermögen habe ich selten erlebt") war nicht auf das Team gemünzt, sondern auf den, der für die Einstellung der Profis zuständig ist: auf den Trainer.
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