Partie gegen FC Bayern - "Brigade Bavaria" : Der in Deutschland am weitesten entfernte Fanclub ist in München

Fern ab der Hauptstadt haben Fans der Eisernen in der Münchner Diaspora einen Union-Berlin-Fanclub gegründet: Vor dem Spiel beim FC Bayern hat sich die AZ mal bei der "Brigade Bavaria" umgeschaut.
Patrick Strasser |
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Die "Brigade Bavaria" in ihrem Stammlokal Stadion an der Schleißheimer Straße – immer mit dabei Dackel Kalli.
Die "Brigade Bavaria" in ihrem Stammlokal Stadion an der Schleißheimer Straße – immer mit dabei Dackel Kalli. © privat

München - Kalli mischt natürlich auch mit. Kalli mit "K" - nicht Reiner Calmund, der Calli mit C. Kalli ist ein Dackel, das heimliche Wappentier Münchens steht für Ausdauer, Hartnäckigkeit, Gemütlichkeit.

Kalli gehört Juri, einem der führenden Köpfe des Union-Fanklubs "Brigade Bavaria". Im Stadion an der Schleißheimer Straße, der Münchner Kultkneipe, fühlt er sich zu Hause. Schließlich ist Herrchen in diesem überparteilichen Fußballmuseum mit Theke Stammgast. Wirt Holger Britzius, Fan des Karlsruher SC, hat ein Herz für Unioner. Drei Einzelspiele können in der Wirtschaft parallel laufen, mit Ton. Und zu 99 Prozent läuft auf einem der Bildschirme in der Maxvorstadt an Bundesliga-Spieltagen das Spiel der Eisernen. Wie auch das Nachholspiel am Mittwoch gegen die Bayern (20.30 Uhr/Sky und im AZ-Liveticker).

Brigade-Gründung in Schwabinger Kneipe

Und das kam so: Ab 2009 schauten einige versprengte Exil-Unioner, die je nach Lebensgeschichte in München gelandet oder gestrandet waren, Spiele ihres Herzensvereins in der Schwabinger Kneipe "Barschwein". Der Aufstieg in jener Saison von Liga drei in die Zweite Bundesliga schweißte die lose Verbindung noch mehr zusammen. Die Gruppe wuchs, einigte sich in Anlehnung an die "Brigade Köpenick" auf den Namen "Brigade Bavaria".

Mit dem Kopf in München, aber mit dem (Fußball-)Herzen weiterhin in Berlin: Die Mitglieder des Union-Fanclubs "Brigade Bavaria" auf Tour im Sommerttrainingslager der Eisernen .
Mit dem Kopf in München, aber mit dem (Fußball-)Herzen weiterhin in Berlin: Die Mitglieder des Union-Fanclubs "Brigade Bavaria" auf Tour im Sommerttrainingslager der Eisernen . © privat

Axel ist ein Mitglied der ersten Stunde. Der gebürtige Berliner wuchs in Treptow auf, kam 2004 aus beruflichen Gründen nach München und lebt heute in Schwabing. Der 52-Jährige ist Einkäufer bei einer Biomarkt-Kette und Präsident des Fanclubs. "Am 25. September 2017 haben wir uns mit eigenem Namen und Logo gegründet, wurden ein Jahr später offiziell vom Verein anerkannt", berichtet Axel stolz. Die "Brigade Bavaria" erhielt den Status "Eingetragener Union Fan Club" (EUFC), den nur 40 Fanclubs innehaben. Was nicht so einfach ist wie es klingt. Mindestens 15 Mitglieder müssen es sein, die Strukturen samt Satzung, Präsidium und Kassenwart stimmen.

In München: Der in Deutschland am weitesten entfernte Fanclub

Haben sie alles erfüllt bei der "BB" und sind laut Eigendefinition "der in Deutschland am weitesten von Berlin-Brandenburg entfernteste EUFC". Sie, Jessie (44), die stellvertretende Vorsitzende. Dazu Kerstin (44) und Falk (51) die zwei Schatzmeister, praktischerweise verheiratet. Während Falk sich noch dazu ums Ticketmanagement kümmert, fungiert Juri (46), der Dackel-Versteher, als Social-Media-Beauftragter und Event-Manager. Auch ein Fanclub muss sich breit aufstellen.

Die bunt gemischte Gruppe ist auf aktuell 30 Mitglieder angewachsen, die meisten haben einen Berliner oder ostdeutschen Hintergrund und leben nun in München - wegen des Studiums, wegen eines Jobs oder der Liebe wegen. Einige wenige sind nach Berlin zurückgezogen, bleiben aber Mitglied - nicht ganz unwichtig hinsichtlich der Kontakte vor Ort, etwa bei der Kartenbeschaffung. "Die Größe passt so", sagt Falk, "Wir müssen nicht wachsen, betreiben keine aktive Mitglieder-Werbung."

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Feine Unterschiede in Bayern: Mittlerweile gibt es auch eine Sektion Franken

Neu-Mitglieder müssen sich bewerben, die Voraussetzung für eine Aufnahmeprüfung: Wohnsitz in Bayern, eine Sektion Franken gibt es mittlerweile auch, da wissen selbst Exil-Berliner um die feinen Unterschiede. "Bei uns gibt es ein Probejahr", sagt Axel und betont mit strengem Blick: "Wer sich im Fanclub oder in der Kneipe nicht blicken lässt, fliegt gleich wieder raus. Das persönliche Engagement ist ausschlaggebend. Außerdem gibt es im Probejahr kein Kartenprivileg."

Rund 50.000 Vereinsmitglieder hat Union mittlerweile. Ohne Mitgliedschaft hat man kaum noch eine Chance, an Karten für die Heimspiele im Stadion An der Alten Försterei zu kommen. Die Brigadisten verfügen über zwei Dauerkarten, die übertragbar sind. "Wer sie bekommt, regeln wir unter uns", betont Falk. Auch wenn sie bei der Vergabe von Auswärtstickets meist gut wegkommen, war die Sache mit dem Umzug für die Heimspiele der Champions-League-Vorrunde in die Hertha-Heimstätte Olympiastadion diffiziler. 

"Völlig bekloppt, ja absurd"

Was macht man nicht für Kompromisse, wenn man schon dabei war, als es in grauer Vorzeit gegen BSG Fortschritt Bischofswerda oder Optik Rathenow ging. Die Teilnahme an der Champions League sei im Grunde "völlig bekloppt, ja absurd" gewesem, so Juri, dessen Arbeitskollegen in den Ämtern der Regierung von Oberbayern die Königsklasse als Selbstverständlichkeit ansahen - so sie denn zu Bayern halten.

Für alle Unioner schien einst selbst die Allianz Arena und ein Auswärtsspiel beim deutschen Rekordmeister eine Illusion. Im nun fünften Jahr Bundesliga-Zugehörigkeit ist die Partie wie diesen Mittwoch "unser Heimspiel" - wegen der kürzesten Anreise. 16 Brigadisten werden dabei sein.

Falk, angestellt im Finanzteammanagement bei einem Technologie-Unternehmen, hat "keine Sehnsucht nach Berlin". Er vermisst seine alte Heimat nicht. "Ich bin zu Hause in München, das ist okay so. Ob das für immer so sein wird, weiß ich nicht. Dit is Heimat. Und dann habe ich noch ein Stück Heimat und dit ist Union mit Leuten, die gleich ticken und gleich denken." Die Vertrautheit ist jedoch zufällig entstanden, nicht auf Schulhöfen oder im selben Wohnviertel. "Der gemeinsame Nenner Union hat uns in München zusammengebracht, da sind klasse Freundschaften entstanden", freut sich Falk.

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"Das Brigade-Leben ist einfach toll"

Weil man sich auch außerhalb des Fußballs engagiert, sozial Schwächeren hilft und Mitglieder bei Umzügen, Todesfällen oder anderen Unglücken unterstützt. "Das Brigade-Leben ist einfach toll", findet Kerstin, als Sales-Teamleaderin am Münchner Flughafen beschäftigt.

Man sei in München mittlerweile gut vernetzt. "Wir gehen oft zu Bezirksliga- oder Landesliga-Spielen in der Umgebung", sagt Kerstin. Auch mit einigen Löwen-Fans hält man guten Kontakt, so erhielt man eine Einladung zum gemeinsamen Weihnachtssingen mit den Sechzgern im vergangenen Jahr im Grünwalder Stadion. Dackel Kalli war am Start.

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