Bayern gegen Gladbach: Stoff für einen neuen Klassiker
München - Rainer Bonhof spielte von 1970 bis 78 bei Borussia Mönchengladbach, wurde mit dem Klub vier Mal deutscher Meister. Mit der Nationalmannschaft wurde er 1972 und 1980 Europameister sowie 1974 Weltmeister. Seit 2009 ist der 64-Jährige Vizepräsident der Borussia.
AZ: Herr Bonhof, Borussia Mönchengladbach reist am Samstag nach München, mit dem klaren Auftrag, dem FC Bayern die Meisterparty zu verderben, oder?
RAINER BONHOF: Wir wollen ein vernünftiges Spiel abliefern, dass die Leute nach Hause gehen und sagen: "Jawoll, das war wieder ein alter Klassiker." Die Voraussetzungen sind ein wenig pikant: Bayern kann Meister werden und wir kämpfen um Europa. Das wird also ein lustiges Spiel.
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Die letzten drei Duelle waren aus Gladbacher Sicht besonders lustig. Da gab es zwei Siege und ein 0:0. Ist Gladbach so etwas wie der letzte Angstgegner der Bayern in der Bundesliga?
Das müssen Sie die Bayern fragen. Wir haben in den letzten Jahren großartige Spiele zwischen Borussia Mönchengladbach und Bayern München gesehen, die wir auch größtenteils für uns entscheiden konnten. Aber jedes Spiel ist eine neue Herausforderung.
Ein Auswärtssieg in München würde in diese Gladbacher Saison der Extreme passen, oder?
(lacht) Das haben Sie richtig erkannt. Nach fünf Spieltagen waren wir Tabellenletzter, nach der Hinrunde Dritter – das ist ja auch schon nicht zu verstehen. Und jetzt können wir noch um Europa spielen. Das steht für sich.
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Die Bayern müssen zwischen den beiden Duellen mit Atlético Madrid gegen Gladbach ran.
Bayern ist gut besetzt und weiß, was nötig ist, in einer Champions-League-Woche noch ein prickelndes Bundesligaspiel dazwischen zu gestalten. Das ist der FC Bayern seit Jahrzehnten gewohnt.
Stimmt, 1974 gab es genau die gleiche Konstellation schon einmal: zwei Duelle mit Atlético und anschließend eins mit Gladbach in einer Woche.
Das war, als die Bayern das Wiederholungsspiel im Europapokal der Landesmeister hatten, oder?
Richtig.
Das waren aber andere Voraussetzungen. Bayern war schon Meister, und sie kamen mit dem Landesmeisterpokal direkt aus Brüssel am Spieltag in Gladbach an. Man konnte die Fröhlichkeit der Spieler auf dem Spielfeld erkennen. Dann gab es eine Situation auf dem Platz, wo wir dachten, dass uns da einer verarschen will. Und dann haben wir angezogen.
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Interessant, welche Situation?
Mein Freund, Sepp Maier, hat nach einer abgefangenen Ecke Bernd Rupp den Ball so spielerisch auf den Kopf getitscht. Das war so ein bisschen die Initialzündung.
Das Spiel endete 5:0. Zur Halbzeit stand es schon 4:0, Sie trafen zum 3:0, Rupp bereitete drei Tore vor. Die Bayern-Spieler waren offenbar nicht in der Verfassung, dagegenzuhalten.
Das war ja auch nicht anders zu erwarten. Bayern hatte ja noch am Abend davor das Wiederholungsspiel und die Trophäe gewonnen. Da kann es schon mal sein, dass die Spieler nicht unbedingt um zwölf ins Bett gehen, und es waren ja nicht einmal 24 Stunden zwischen den beiden Spielen.
Einige Protagonisten von damals sind kürzlich in Mönchengladbach zusammengekommen, als Jupp Heynckes für seine Verdienste geehrt wurde.
Jupps alte Freunde sind seiner Einladung alle gefolgt. Die Ehrung, den Goldenen Ring der Stadt Mönchengladbach zu erhalten, ist 15 Leuten vorbehalten. Jupp hat das absolut verdient. Die Höhepunkte der Veranstaltung waren die Dankesrede von Jupp Heynckes und die Laudatio von Uli Hoeneß. Die haben das Ganze getoppt und auch emotional jeden im Saal ergriffen.
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Wie haben Sie ihn dort erlebt?
Er war locker drauf. Da waren ja viele seiner Kumpel, mit denen er viel erreicht hat: Günther Netzer und Berti Vogts zum Beispiel. Seine Frau Susi und Iris Heynckes verbindet eine enge Freundschaft. Das war ein toller Tag, auch für Uli.
Hoeneß bedankte sich öffentlich für mehrere handgeschriebene Briefe, die Sie ihm ins Gefängnis geschickt haben, die ihn zu Tränen gerührt haben.
Ich hätte das eigentlich gar nicht so gewollt. Wir kennen uns von 1969 an und sind seitdem befreundet, obwohl wir uns nur von der Nationalmannschaft kannten. Da finde ich, gehört sich das einfach, wenn er eine schwere Zeit durchmacht. Das war für mich etwas ganz Normales, jemandem, der etwas Aufmunterung braucht, mal zu schreiben. Man weiß ja, dass man dort nicht ganz so viel zu tun hat und sich vielleicht freut, wenn man Post bekommt und da abends ein bisschen reinzuschauen.
Womit genau haben Sie Hoeneß so gerührt?
Das fällt unter das postalische Geheimnis.
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Im Gegensatz zu Franz Beckenbauer, der Hoeneß als Vertreter für den erkrankten Matthias Sammer vorgeschlagen hat, haben Sie Hoeneß kürzlich von einem Comeback abgeraten.
Wenn jemand 40 Jahre permanent in der ersten Reihe gestanden und einen Klub wie den FC Bayern mit aufgebaut und alles erlebt hat, ist das, was er im Moment macht, also im Jugendbereich zu arbeiten, eine wunderbare Herausforderung. Der Hintergedanke war, sich vielleicht auch die Zeit ein bisschen mehr für die Familie einteilen zu können.
Freuen Sie sich aufs Wiedersehen am Samstag?
Ich freue mich immer, wenn ich ihn sehe. Auch seine liebe Gattin Susi. Ich denke, dass wir uns beim Mittagessen treffen, oben in dem Kabäuschen der Arena. Da können wir das ein oder andere sicher bereden, was uns in den letzten Monaten begleitet hat.