Bayern-Coach Thomas Tuchel verzichtet auf Wechsel gegen Köln: Was wirklich dahinter steckt
Hat man auch nicht oft: Da gewinnt der FC Bayern mit 1:0 in Köln, holt den siebten Bundesliga-Sieg sowie den zehnten Erfolg in Köln-Müngersdorf hintereinander und der Cheftrainer geht in die Spielerkabine, um sich zu entschuldigen. Für seinen Verzicht auf jegliche Wechsel.
"Ich habe den Jungs gesagt, dass das normalerweise nicht vorkommt. Sie sollen alle den Spirit beibehalten, den sie gezeigt haben und es mir nicht übelnehmen", erklärte Tuchel.
Keine Bayern-Wechsel: Tuchel macht auf Van Gaal anno 2010
Ein Novum in dieser Bundesliga-Spielzeit und zugleich lange her, dass die Auswechsel-Nullrunde bei einem Ligaspiel der Bayern vorkam. Zuletzt zog dies Louis van Gaal am 11. Dezember 2010 gegen St. Pauli (3:0) durch. Es sei "ein bisschen unglücklich" gewesen, so Tuchel, "ich habe es nicht gefühlt." Er habe mit sich gehadert, wollte Thomas Müller, Mathys Tel und/oder Raphaël Guerreiro bringen und "hatte keine zündende Idee". So, so.

Der sportliche Grund? "Nicht, weil ich meinen Spielern auf der Bank nicht vertraue, sondern, weil wir so gut im Spiel waren. Wir haben es komplett kontrolliert. Es war immer so knapp. Ich wollte unseren Rhythmus nicht unterbrechen."
Bei Kapitän Manuel Neuer kam die ungewöhnliche Maßnahme gut an: "Es hat mich nicht überrascht aufgrund des Spiels. Ich glaube, es war wichtig, weil wir so eine gute Struktur hatten." Eine Auswechslung zur falschen Zeit "hätte vielleicht Unruhe gebracht", so der 37-Jährige. Kein Wunder, ein Torhüter schaut in erster Linie darauf, dass sein Team zu null spielt. Alles schön und gut, war es aber nicht Tuchel, der am Donnerstag mit deutlichen, emotionalen Worten die Überbelastung seiner Spieler im viel zu vollen Terminkalender beklagt hatte? Einige seiner Nationalspieler waren nach den Einsätzen für ihre Verbände erst am Donnerstag in München eingetroffen.
Tuchel rechtfertigt sich für sein Vorgehen
Noch vor Anpfiff in Köln sprach er spöttisch von einem "glorreichen Spielplan" und einer "sensationellen Ansetzung". Und dann lässt Tuchel die erste Elf, von denen außer Neuer und Choupo-Moting alle Spieler auf Reisen waren und bis auf Upamecano (in Frankreichs Kader, aber geschont) noch am Montag beziehungsweise Dienstag im Einsatz waren, durchspielen?
Tuchels Rechtfertigung: "Ich habe nicht von meiner Mannschaft gesprochen, sondern von den internationalen Topspielern. Das ist das Feedback der Nationaltrainer." Und da sei es darum gegangen: "Die Topspieler sind müde! Die sind mental müde, emotional müde, physisch erschöpft! Müde! Da geht es nicht nur darum, die Spielminuten zu sehen. Die verbringen unendlich viele Stunden in Hotels, Flugzeugen, im Bus, bei Reisen. Das ist belastend."
Völlig nachvollziehbar, dass zum Beispiel der Kanadier Alphonso Davies, am Donnerstag aus Toronto eingeflogen, komplett geschont wurde. Aber die jungen Tel (18/zwei Einsätze bei Frankreichs U21), Frans Krätzig (20) und Aleksandar Pavlovic (19), je zwei Einsätze in der U20 des DFB, hätten sicher noch mal frischen Wind ins Spiel bringen können.
Steckte hinter Tuchel-Vorgehen das Pep-Kalkül?
Steckte noch etwas anderes hinter der Nicht-Wechselei? Kann es sein, dass Tuchel die erste Elf auch deshalb auf dem Platz ließ, weil sie den Chancenwucher (zur Pause hätte es auch 3:0 oder 4:0 stehen können) am Ende selbst ausbaden sollte? Als pädagogische Maßnahme wie es Tuchels Trainer-Bruder im Geiste, Pep Guardiola, hin und wieder macht. Beim 1:1 am Samstag in der Premier League gegen Jürgen Klopps FC Liverpool verzichtete Guardiola auch auf jegliche Wechsel, selbst nach dem 1:1 für die Gäste in der 80. Minute. Schon im August hatte Pep einmal Auswechslungen negiert. Wenn's läuft, läuft's.
Für Perfektionisten könnten Wechsel um des Wechsels Willen auch etwas kaputtmachen. "Wir haben im Spiel nicht müde gewirkt - auch, wenn die Thematik bleibt", so Tuchel und meinte mit Blick auf die Heim-EM nach Saisonende: "Wir müssen sehr klug sein bei der Kaderplanung." Und dann aber auch alle einsetzen. . .