Zweigesichtiger EHC: Diven und Trauerspieler

Zwei Pleiten, 1:8 Tore: Der EHC Red Bull enttäuscht wieder. Trainer Pierre Pagé verspricht einen härteren Umgang, jetzt drohen den Stars Konsequenzen. Die AZ analysiert, wo die Probleme liegen
München - Der Rote Bulle muss einen Janus-Kopf unter seinen Stierhörnern haben. Der EHC Red Bull München ist das absolute Zweigesicht der Liga. Beim 0:12-Wochenende vor zwei Wochen zeigte der EHC sein hässliches Antlitz, vor einer Woche beim Sechs-Punkte-Wochenende präsentierte er sich in gleißender Schönheit, um gegen Düsseldorf (0:4) und Ingolstadt (1:4) wieder seine unansehnliche Fratze zu offenbaren. „So sieht im Moment unsere Persönlichkeit aus. Leider”, sagt Trainer Pierre Pagé über seine Trauerspieler. Er hatte Entertainment-Eishockey versprochen, doch sein Team liefert öfter miese Unterhaltung als hochwertige Kost ab. Pagé: „Die Spieler sind arrogant, zicken im Training, jammern rum. Mein Umgang mit ihnen wird wohl härter werden müssen.”
Pagé will das Zuckerbrot verstecken und die Peitsche rausholen, um dem EHC das Zweigesichtige auszutreiben. Eine Mammutaufgabe, denn es knirscht gewaltig im EHC-Universum, von dem aus man ja die Sport-Welt erobern und verändern wollte. „Es hat uns einiges ganz und gar nicht gefallen”, sagt Co-Trainer Helmut de Raaf der AZ.
Einstellung: Die Arroganz und Divenhaftigkeit, die Pagé ausgemacht hat, sieht man auf dem Eis. Der als Superstar geholte Jon DiSalvatore traf zwar gegen Ingolstadt zum 1:4, doch sein Wille, defensiv zu arbeiten, ist mehr als überschaubar. Die Larifari-Einstellung zeigt sich auch darin, dass man den Start regelmäßig verpennt. Der EHC ging in dieser Saison erst fünf Mal mit 1:0 in Führung, gegen vermeintlich schwache Gegner wie Schwenningen oder Düsseldorf ist die Überheblichkeit fast greifbar. Pagé sprach von „Urlaubsmentaltität”. Auch vor den Toren wird nicht hart gearbeitet, regelmäßig stehen die Gegner vor Keeper Jochen Reimer frei.
Disziplin: Kein Team kassiert mehr Strafen als der EHC, im Schnitt sind es 23,20 pro Partie, 88 Mal war man in den 15 Spielen bereits in Unterzahl – Ligarekord. „Man zerstört durch die vielen Strafen seinen Rhythmus völlig”, sagt Co-Trainer Helmut de Raaf der AZ, „die meisten Spiele werden in Über/Unterzahl entschieden. So ist es nicht leicht, zu gewinnen.” Gegen Ingolstadt kassierte Andy Wozniewski eine Fünf-Minuten-Strafe plus Spieldauer. Während der Strafe kassierte der EHC zwei Treffer. „Das war der Genickbruch für uns”, sagt Felix Petermann.
Ausländer: Bis auf Ryan Duncan und mit Abstrichen Matt Smaby, Danny Richmond, Grant Lewis und Danny Bois überzeugen die als Topstars geholten Ausländer nicht. Andy Wozniewski ist offensiv stark, defensiv mit haarsträubenden Fehlern, DiSalvatore und Darren Haydar enttäuschen bisher total. „Spieler aus Nordamerika brauchen oft etwas Zeit, um sich auf das unterschiedliche Eishockey in Europa einzustellen. Die Zeit muss man ihnen geben”, sagt de Raaf, „wenn es dann noch nicht besser ist, muss man vielleicht aktiv werden.”
Klar ist, Pagé hat sein Team in dieser Saison schon so oft an den Pranger gestellt („arrogant, kein guter Charakter, Urlauber, sie brauchen einen Arschtritt”), dass das verbale Pulver fast verschossen ist. Intern soll nach AZ-Informationen schon über Konsequenzen gesprochen worden sein.
„Wir haben oft als Team versagt und müssen als Team da rauskommen. Das Ganze nur an ein, zwei Akteuren festzumachen bringt nichts. Aber wir sind sicher hellhörig”, sagt de Raaf. Die Spieler sollten hellhörig sein, denn sonst könnte es Handlungen geben, die viel lauter sprechen als alle Worte.