Pierre Pagé: Neue gegen alte Visionen

Mit dem EHC Red Bull trifft der Trainer Sonntag auf seinen Berliner Ex-Klub, mit dem er zweimal Meister wurde. Antrittsrede, Konzept, Emotion – die AZ vergleicht sein Wirken an beiden Stationen.
Matthias Kerber |
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München - Er ist ein Mann großer Visionen und großer Worte: Pierre Pagé, der Trainer des EHC Red Bull München. Da werden schon mal – wie gerade im großen Exklusiv-Interview der AZ – John F. Kennedy, Wernher von Braun, die Beatles, die Rolling Stones, Celine Dion, Boris Becker und Lionel Messi herangezogen, um diese Visionen zu erläutern. Die Ideen sind hochtrabend, die Realität beim EHC, der als selbsternannter Titelkandidat gestartet ist, aber tieffliegend.

Der EHC hat gerade ein 0:6-Punkte- und 0:12-Tore-Wochenende hinter sich. Ist Pagé eher Fantast als Visionär? Am Sonntag (17.45 Uhr, Olympiaeishalle, ServusTV überträgt live) geht’s gegen die Eisbären Berlin. Dort hat der jetzt 65-Jährige seine Visionen sechs Jahre (2002 bis 2007) umsetzen dürfen, am Ende war man zwei Mal Meister. Die AZ zieht Parallelen:

Antrittsrede: In München verkündete Pagé bei seiner Vorstellung, dass dies „der erste Tag von etwas Speziellem” sei, dass man „von München aus die Eishockey-Welt verändern” wolle. Dass er den Spielern gesagt habe, das Ziel sei, „das letzte Spiel der Saison zu gewinnen” – also Meister zu werden. Bei seinem Amtsantritt 2002 in Berlin kam Pagé, der zehn Jahre in der NHL als Cheftrainer gearbeitet hat, ebenfalls als Lautsprecher rüber. Es ging zwar nicht um Reisen zum Mond – aber immerhin versprach er den Titelgewinn. Das Versprechen erfüllte er dann 2005 und 2006.

Fans: In Berlin zog der Kanadier die Fans gleich auf seine Seite. Sie, die seit Ewigkeiten erfolgsentwöhnt waren, hingen Pagé wie einem Messias an den Lippen. Zudem machte er sich viele Freunde, als er das Eisbären-Erbe, die ja aus dem DDR-Klub Dynamo hervorgingen, hochhielt. Er ließ das alte Logo in die Umkleide malen und Fotos, Wimpel, Meisterurkunden der glorreichen Dynamo-Zeit aufhängen. „Wo immer man ist, sollte man die Geschichte kennen”, sagt Pagé. In München, wo man bodenständige Typen wie Manager Christian Winkler und Pat Cortina gewohnt ist, hat Pagé bei den Anhängern bisher einen schweren Stand. Doch auch hier setzt sich Pagé mit der Historie auseinander. Gerne verweist er darauf, dass München eine große Eishockeytradition habe, da man bereits 1922 den Meistertitel geholt habe.

Stars: Pagé fordert stets die Unterwerfung unter sein System. Ohne Wenn und Aber. In Berlin eckte er damit sofort bei den Nordamerikanern an, in München sehen viele sogenannte Stars aus Übersee es genauso wenig ein, härter zu trainieren als sie es je getan haben. In Berlin forderten die Stars sogar beim Geschäftsführer die Entlassung von Pagé. Erst der Erfolg sorgte für zwischenzeitliche Ruhe. Doch nach zwei Meisterschaften krachte es endgültig. Die Stars spielten offen gegen den Trainer. Er wurde nur noch als „der Andere” bezeichnet, hartnäckig hält sich das Gerücht, dass jeder, der Pagé beim Namen nannte, 50 Euro in die Teamkasse zahlen musste. In München hat Pagé auch schon „kleine Feuer” ausgemacht, die es zu löschen gibt, ehe sie Großbrände werden. Pagé schreckt nicht davor zurück, Stars vor die Tür zu setzen.

Emotionen: Pagés leicht cholerische Ausbrüche sind berühmt. In Berlin brach er eine Pressekonferenz nach einem Grottenspiel seiner Truppe ab und beorderte stattdessen drei Spieler auf die Bühne, die sich für ihre Nichtleistung rechtfertigen sollten/mussten. In den zwei Monaten in München hat er den Spielern bereits vorgeworfen, dass „der Charakter nicht gut sei” und dass es „Urlauber” im Team gebe.

Konzept: Schon in Berlin hatte er sein Pagé-Konzept entwickelt, das er über die Jahre ausgebaut hat. Er setzt bedingungslos auf junge Spieler. In Berlin brachte er so die „Goldene Generation” um Andre Rankel hervor, auch der jetzige EHCler und damalige Eisbär Alex Barta schwärmt von Pagé als Förderer. Gleichzeitig lässt er extrem offensiv spielen, in Berlin prägte er den Ausdruck vom „Torpedo-Eishockey”, in München versprach er „Entertainment-Eishockey. Der Erfolg gab ihm Recht. In seinen sechs Jahren in Berlin stand er drei Mal im DEL-Finale, holte dabei zwei Titel. Er ebnete den Weg für den Erfolg seines Nachfolgers und ehemaligen Assistenten Don Jackson, der mit den Eisbären in sechs Jahren fünf Titel gewann.

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